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Der Ritter der Schwerter
Allein der Anblick dieser Karte des Rider-Waite-Tarot hat schon eine geradezu mitreißende Dynamik. Ein Ritter in voller Rüstung und mit grimmigem Gesichtsausdruck sprengt auf einem weißen Pferd vorwärts. In der erhobenen Rechten hält er sein Schwert – hier wurde zur Attacke geblasen, das ist sicher.
So wie diesen Krieger stellt man sich den perfekten Kreuzritter vor, entschlossen und mit wehendem Helmbusch in die Schlacht reitend. Und darum geht es auch, hier sollen "Nägel mit Köpfen gemacht" werden oder gar "Köpfe rollen". Jemand ist wütend, sehr wütend, und möchte ein für alle Mal etwas klären oder beenden.
Im Hintergrund sind Bäume zu sehen, die sich mit dem Wind neigen – allerdings in die falsche Richtung. Somit wird klar, dass der impulsive Kämpfer mit starkem Gegenwind zu rechnen hat. Wer tatsächlich in übertragenem Sinne das Pferd besteigt und zum Schlachtfeld reitet, muss mit Widerstand rechnen. In dieser Situation war schon jeder von uns ... es hat sich ein unhaltbarer Zustand etabliert, den man nicht mehr hinnehmen kann oder will. Es kann sich um alles Mögliche handeln – um Familienstreitigkeiten oder auch um Intrigen unter Kollegen, um das Verteidigen der persönlichen Freiheit oder um das Durchsetzen in strittigen oder festgefahrenen Angelegenheiten.
Man war vielleicht lange darum bemüht, eine friedliche Lösung zu finden, und dieses Zieles wegen hat man sich zu viel gefallen lassen. Verleugnet sich ein Mensch zu lange selber um des lieben Friedens willen, nimmt er persönliche Angriffe oder Frechheiten hin, und um "nichts aufkommen" zu lassen, baut sich Wut und in letzter Konsequenz sogar Hass auf. Eben dann geschieht genau das, was eigentlich vermieden werden sollte – es kommt zum Eklat und zur offenen Auseinandersetzung. Jeder scheut so etwas, denn wenn eine Lawine losbricht, reißt sie alles mit, was im Wege steht ... auch unbeteiligte Menschen.
Es ist immer von Vorteil, die Dinge – so gut es eben geht – in ruhiger Art und Weise zu regeln. Ist das irgendwie möglich, erspart man sich und anderen viel. Allerdings hat die alte Binsenwahrheit Gültigkeit, die da heißt: "Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn's dem bösen Nachbarn nicht gefällt." Selbst dem friedfertigsten Menschen sind Grenzen gesetzt, zuweilen in Person von Unruhestiftern oder Quertreibern. Und irgendwann kommt der so genannte gerechte Zorn über einen und sorgt dafür, dass jeder Stellung beziehen muss. Das ist nichts Negatives, denn irgendwann müssen die Fronten geklärt werden ... das Schwert als Symbol des Elementes Luft sorgt für "klare" Verhältnisse – der Verstand trennt das eine vom anderen.
Unhaltbare Zustände müssen beendet werden, damit etwas Neues begonnen werden kann. Die Sage kennt ein schönes Beispiel dafür ... als Alexander der Große den Gordischen Knoten lösen sollte, ein Ungetüm von verknoteten Fäden und Schlaufen. Sollte es jemand wirklich fertiggebracht haben, diesen Riesenknoten zu entwirren, hätte er wohl Jahre dazu gebraucht. Doch Alexander ließ sich auf so etwas nicht ein – er hob kurzerhand sein Schwert und hieb das Riesending entzwei. Somit war die Aufgabe gelöst und die Prophezeiung erfüllt.
Vor solch einer Aufgabe steht man oft – vielleicht hat es Gerede gegeben und man versucht die Quelle ausfindig zu machen. Aber wer die Fäden eines Intrigennetzes entwirren will, braucht Zeit und Nerven – womöglich verstrickt er sich immer mehr. Niemand hat etwas gesagt – niemand weiß etwas und jeder verweist auf Hörensagen. Jetzt ist es Zeit für den Schwertritter. Er fährt drein und es kommt zu einer öffentlichen Konfrontation mit allen Beteiligten. Wenn das große Gewitter vorbei ist und die Luft wieder rein, dann kann mit dem Wiederaufbau begonnen werden.
Die Warnung, die ausgesprochen wird, bezieht sich auf zu große Impulsivität und das Risiko, etwas Falsches zu tun, über das Ziel hinauszuschießen und das Ziel zugunsten der Aktion aus den Augen zu verlieren. Das Schwert ist vor allem anderen das Symbol des Scharfsinns ... nicht des Krieges.
Der Page der Schwerter
Ein junger Mann steht auf der Erde und hält mit beiden Händen ein Schwert – ... oder umklammert er es eher? Sein Gesichtsausdruck ist eher ängstlich als entschlossen und er trägt auch keine Rüstung. Auch hier sieht man, dass der Wind Wolken über den Himmel treibt und die Bäume neigt – das Haar des Pagen flattert im Sturm. Die Körperhaltung ist verzagt und zeigt große Unsicherheit – es wirkt, als sei er dem Element ausgeliefert. Gewissermaßen ist er das auch, denn er ist nicht Herr darüber.
Die Art, wie er das Schwert in den Händen hält, zeigt, dass er Angst vor ihm hat – er weiß nicht so recht, wie er es einsetzen soll. Ungepanzert wie er ist, läuft er Gefahr, sich zu verlieren. Anders als der Ritter ist er uneins mit sich, er hat noch nichts entschieden und schwankt zwischen den Extremen. Er kann sich nicht festlegen, und obwohl er weiß, dass er sich entscheiden müsste, tut er es nicht. Alles was er tut, ist von einer gewissen Widerwilligkeit – er möchte sich entziehen und kann es auf Dauer nicht. Das ist der Grund, warum er noch keine Rüstung angelegt hat. Er ist noch nicht bereit, irgendeine Verantwortung zu übernehmen – er schreckt vor der Unwiderruflichkeit zurück, die er fürchtet.
Es geht hier um ein Dilemma – um ein Problem, das angepackt werden will. Die Voraussetzungen sind gegeben, die Kraft dazu vorhanden, sobald die schlummernden Fähigkeiten erweckt werden. Doch das verhindert der Zweifel, in dem der junge Mann befangen ist. Könnte er sich sicher sein, wäre er der Schwertritter? Dieser kann scheitern, weil er über das Ziel hinausprescht – anders als der Page, der scheitert, bevor er begonnen hat. "Du weißt, worum es geht, du weißt, dass du die Kraft hast und auch die Mittel dazu – warum dieses Zögern? Entscheide dich!"
Viele Menschen sind hin- und hergerissen, weil sie erkennen, dass – ganz gleich, wofür sie sich entscheiden – jede Münze zwei Seiten hat. Etwas muss immer in Kauf genommen werden. Wo der Ritter dreinfährt, weil es an der Zeit für einen Sturm ist, fürchtet der Page die Unwägbarkeiten. Er hat Angst, die Situation zu verschlechtern, wenn er irgendetwas tut, oder zu viel dabei zu verlieren. Die Gefahr dabei ist, ewig auf diesem Punkt stehen zu bleiben und niemals verantwortlich sein zu können.
Vorsichtigkeit darf nicht zu Feigheit werden, die nichts anderes ist, als nicht zu dem zu stehen, was man wünscht oder tut in diesem Falle. Wenn diese Karte erscheint, zeigt sie ein Dilemma an oder forcierte Unfähigkeit. "Ich kann nicht, weil ..." Und sie zeigt an, dass dringender Handlungsbedarf besteht.
* * * Tarot-Hofkarten Schwertritter und Schwertpage: Ende der Leseprobe aus unserem Buch * * *
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© "Die Hofkarten Schwertritter und Schwertpage": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), Eleonore Radtberger, 2010.
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