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Gegeben hat es sie immer schon, die Fremdarbeiter. Zuweilen auf freiwilliger Basis, zuweilen eben nicht. Gut geht das selten aus, wie das Volk Moses erzählen könnte. Erst als wertvolle Arbeitskraft ins Land geholt, dann aber versklavt und für den Mindestlohn schuftend, der aus den allernotwendigsten Nahrungsmitteln schlechtester Qualität bestand. Ein Prozess, der schleichend vor sich ging.
Viel, viel später waren die afrikanischen Völker an der Reihe. Da wurde allerdings nicht gerufen: "Kommt, hier gibt es Arbeit für alle" – hier wurde im großen Stil gekidnappt. Als man sich einen ansehnlichen Genpool zugelegt hatte, brauchte man nur die Weitervermehrung zuzulassen oder gezielt darauf hinzuarbeiten, dass die billigen Arbeitskräfte nie weniger wurden. Das funktionierte eine ganze Zeit lang ganz prächtig, bis man aus wirtschaftlichen und politischen Gründen die Sklaverei als unmenschlich ansah und damit Schluss machte.
Aber irgendwer muss ja die harte Arbeit tun. Und natürlich jemand, der nicht viel dafür haben will. Die Sklaverei ist leider offiziell abgeschafft, also muss man Fremdarbeiter anheuern. Da traf es die Asiaten und die Iren, die bei den gewaltigen Unternehmen des Eisenbahnbaus durch das noch unerschlossene Land und in den Bergwerken für schlechten Lohn und noch schlechtere Behandlung schufteten. Im Land über dem großen Teich hatte man nicht gerade nette Namen für die hart arbeitenden Menschen aus Übersee, die der Traum von einem besseren Leben oder die schiere Not angezogen hatte.
In Europa hatte man vor der Christianisierung das gängige Modell der Leibeigenschaft als moderat empfunden, jedenfalls was die nördlichere Bevölkerung betraf. Im mediterranen Bereich des Kontinents feierte die Sklaverei Höhepunkte. Mit einigen Unterschieden im Prinzip die gleiche Idee. Der Orient kannte ebenfalls die Sklaverei und kam wirklich großartig damit zurande. Aber die Zeiten ändern sich, und irgendwann funktionierte das so nicht mehr.
In Europa machte das Christentum Schluss damit, um nebenbei eine geistige Leibeigenschaft mit Erfolg einzuführen. Aber das am Rande. Die Idee der importierten Arbeiter ist nicht neu – Katharina die Große, die ja eine deutsche Prinzessin war, holte per Aushang deutsche Landsleute nach Russland, um die brachliegende Landschaft an der Wolga zu kultivieren und bot beste Konditionen. Und wie die Hebräer kamen die Deutschen, ließen sich nieder und verbrachten eine recht gute Zeit. Aber kein Herrscher lebt ewig, und mit jedem neuen Zar und jeder Regierung wurden ihnen Vergünstigungen gestrichen, bis sie unter Stalin gewissermaßen zum Abschaum wurden. Der Rest ist Geschichte.
Scheinbar kommt keine Gesellschaft, wie hochzivilisiert sie sich auch glaubt, ohne Sklaverei in der einen oder anderen Form aus. Beispiele dafür hat die Geschichte unzählige, von den baumwollpflückenden Sklaven und den Saisonarbeitern aus Mexiko in Amerika, bis zu den temporär arbeitenden Erntehelfern, die Hopfen oder Wein pflücken in Europa. In Deutschland kam vor nicht allzu langer Zeit die Spargelstecherei ein wenig ins Gerede.
Und jetzt haben wir ganz aktuell einen neuen Fall. Durch Schwedens Wälder streifen zur Beerensaison Hunderte von thailändischen Bürgern schon beim ersten Morgengrauen mit Behältern, um Waldbeeren zu pflücken. In der frühmorgendlichen Kälte ist das kein angenehmer Job, den die Menschen da fern von zu Hause machen. Die Arbeitszeiten sind reichlich ausgelegt, die Unterkünfte weniger und auch nicht unbedingt komfortabler als der Arbeitsplatz. Der Verdienst ist ebenso weniger reichlich und wird von den Auslagen nahezu komplett aufgefressen.
Das hörte sich anders an, als sie geworben wurden. Sie unterzeichneten Papiere, die ihnen bezahlte Überstunden und ein gutes Einkommen garantierten, sowie gute Unterkünfte und Verpflegung, und zahlten auch eine hohe Provision für die Vermittlerfirma. In Schweden waren die Verträge nur Makulatur.
Um überhaupt an die Einsatzorte zu kommen, müssen die Thais Autos mieten, und zwar von der Firma, die die Beeren aufkauft. Außerdem arbeiten sie nebenbei die Gebühr ab und müssen auch noch die Reisekosten bezahlen. Also bleibt unter dem Strich nichts. Außer Spesen nichts gewesen ist zwar eine abgedroschene Redensart, trifft aber den Punkt exakt. Der Durchschnittlohn bewegt sich zwischen 1 Euro und 1,50 Euro. Und dafür hat manch einer sein einziges Reisfeld verpfändet, um sich den Flug überhaupt leisten zu können.
Die schwedische Öffentlichkeit hat ganz im Sinne der Menschlichkeit reagiert, als dieser Skandal bekannt wurde und sich empört, dieser Machenschaften wegen.
Wirtschaftliche Ausbeutung sollte ein Relikt aus vergangenen Zeiten sein, der Missbrauch von notleidenden Menschen ebenso. Dem Menschen auf der Straße liegt so etwas meist fern, aber findige Köpfe wenden altbewährtes nun einmal gerne an, gleichgültig wer dafür am Ende bezahlt. Neue Wege interessieren keinen, solange die alten Methoden die Taschen füllen.
Gegen persönliche Gleichgültigkeit und Unmenschlichkeit hilft kein politisches Programm, eine Änderung in diesem Sinne muss von innen kommen. Man kann einem Menschen beibringen im Akkord Spargel zu stechen oder Beeren zu pflücken – aber kann man ihm auch so etwas wie Humanität beibringen? Da sollte uns schnellstens etwas einfallen.
© "Fremdarbeiter in Schweden: Wege der Sklaverei": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Bildnachweis: Sklavenboot, CC0 (Public Domain Lizenz).
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