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"Das war Schicksal", heißt es oft, oder auch: "Dieser oder jener hat ein schweres Schicksal." Bei diesen Äußerungen steht in Klammern immer ein "unabwendbar" dabei, so als könne sich niemand gegen das auflehnen, was wir im Allgemeinen das "Schicksal" nennen. Der Sprachgebrauch kennt viele solcher Wendungen, in denen es sich erfüllt, jemanden einholt oder sogar zuschlägt.
Aber was ist das eigentlich, dieser vermeintlich irgendwo fest angepinnte Lebensplan, der nicht von uns selbst entworfen wurde? Was verstehen wir darunter und wie gehen wir damit um? Die meisten Menschen würden das Schicksal als uns vorbestimmten Lebensweg bezeichnen. Ist es von Vorteil, an eine Richtlinie zu glauben, die wir keinesfalls verändern können? "Niemand kann seinem Schicksal entfliehen", heißt es ja so schön und leider ebenso resigniert.
Natürlich kann ein Leben mit unveränderbarer "Oberleitschiene" als Erklärung und auch als Ausrede dienen – für alles, was uns im Laufe der Jahre widerfährt – sei es nun im Guten oder im Schlechten. "Ich hätte gerne eine Familie gegründet, aber das war mir nicht bestimmt", das ist so oder ähnlich etwas, das man häufig hört. "Eigentlich wollte ich ja Bauer werden und nicht Bäcker, aber das Schicksal wollte es anders", ist ebenfalls so ein fester Glaubenssatz.
In den meisten Kulturen wurde das Schicksal als der Glaube an die Unentrinnbarkeit, an die völlige Hilflosigkeit den Mächten gegenüber, verstanden. Dazu gehörte die Personifizierung im Sinne von darstellenden Gottheiten, wie zum Beispiel die Fortuna der Römer oder die Parzen, ebenso wie die Nornen der Germanen. Diese Gottheiten standen nun vor dem freien Willen der Menschen, negierten diesen zum bloßen Erfüllen der Vorsehung. Damals wie heute ein nicht unbequemer Weg, das Leben anzugehen. Aber wie steht es nun wirklich mit unserer Selbstbestimmung, wie viel Einfluss haben wir tatsächlich auf unser Leben?
Viele Menschen leben unter Bedingungen, die ihnen eine Entfaltung sehr schwer oder fast unmöglich macht – aber ist ihnen das vorbestimmt? Die Macht der Umstände ist ein großer Faktor im Leben, doch sind sie selten unbeeinflussbar. Keinem Menschen kann bestimmt sein, zum Mörder oder auch zum Heiligen zu werden – die Anfänge dieser Wege liegen ganz allein in uns. Wir entscheiden darüber, welchen Pfad wir beschreiten. Unser Leben ist keine klar vorgezeichnete Linie, die schnurgerade von der Geburt bis zum Tode verläuft, es ist Teil eines unvorstellbar großen Gewebes, das von den Linien aller Menschen gebildet wird. Innerhalb dieses Gewebes kann immer ein anderer Weg eingeschlagen, ein konträrer Beschluss gefasst werden.
Was einer Vorbestimmung aber nahe kommt, sind verschiedene Punkte in diesem Muster, die vielleicht eine Art Prüfstein darstellen. Von welchem Weg aus auch immer, man kommt an dieser Stelle des Weges vorbei und zieht gewissermaßen "das Schwert aus dem Stein" ... oder aber lässt die Gelegenheit ungenutzt verstreichen, nimmt die Möglichkeiten nicht wahr. Nehmen wir an, dass das, was wir Schicksal nennen, nichts anderes ist als eben diese besonderen Punkte, an denen unser Verhalten bzw. unsere Entscheidung unser Lebensmuster nachhaltig ändert oder auch festigt. Vielleicht ist es tatsächlich so, dass wir uns unsere Prüfungen selbst schaffen, oder zumindest, dass ein Teil von uns diese als wichtig für unser Wachstum ansieht und somit akzeptiert.
Ein Beispiel wäre vielleicht dieses: Wie immer wir den Stoff bewältigen, auf welchem Weg wir zu den Prüfungen kommen, ist uns völlig überlassen. Aber bestehen sollten wir sie, wenn auch nicht gleich beim ersten Anlauf. Menschen brauchen mitunter lange, um eine Lektion zu lernen, unter Umständen viele Jahre. Aber Leben ist nun einmal auch lernen und immer wieder neue Erfahrungen machen. Ein starres, in allen Dingen vorbestimmtes Schicksal würde dem Fluss des Lebens konträr gegenüberstehen. Wir können zuweilen das Muster erkennen, aber nicht das ganze Bild.
© "Schicksal – was ist das eigentlich?": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010. das Bild zeigt die drei Parzen aus einem flämischen Bildteppich (um 1510), Lizenz: gemeinfrei
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