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Der neueste Roman von Devon Wolters, "Die Kirche des heiligen Prozesses", "ist anspruchsvoll, eindringlich, verstörend und unbequem, aber auch faszinierend", wie andernorts in einer Rezension zu lesen ist.
In diesem phantastischen New-Weird-Thriller entführt der Autor seine Leser in eine Stadt, von der es heißt, sie sei endlos. Die Menschen leben und sterben in dem Glauben, sie niemals zu verlassen. Doch ihre Gesetze sind undurchsichtig, ihre Vergangenheit im Dunkeln, ihre Entstehung völlig ungewiss. Und inmitten der Hochhäuser, Straßen und Gassen hat sich ein Geschwür gebildet: Die Kirche des heiligen Prozesses.
Der Protagonist Siem Kallason hasst nicht nur seine Arbeit, er hasst vor allem die Unterdrückung der Staatsvollstrecker. Er hasst diese endlose Stadt, aus der es kein Entkommen gibt. Und nun will er all das hinter sich lassen.
Die Taschenbuch-Ausgabe von "Die Kirche des heiligen Prozesses" umfasst 200 Seiten und wurde via Books on Demand Mitte April 2020 veröffentlicht (ISBN 978-3751903189). Eine E-Book-Version ist im Online-Buchhandel verfügbar.
Etwa im Sommer 2020 wird Devon Wolters auch ein Hörbuch veröffentlichen, das man auf Spotify hören kann.
"Nun wirst du dich hinlegen und die Augen schließen. Dann spiele ich die Melodie ab."
Ich nickte und setzte mich auf die Matratze. "Diese Melodie ... Was ist das?", fragte ich.
"Auf dieser Melodie haben viele Menschen ihr Leben aufgebaut. Mehr kann ich dir nicht sagen. Das wirst du mit der Zeit noch verstehen."
Ich wollte etwas einwenden, aber mir fiel nichts ein.
"Jetzt leg dich hin und schließ die Augen."
Einen Moment lang zögerte ich, doch dann tat ich es.
Durch meine geschlossenen Augenlider hindurch sah ich nur das blaue Licht.
Ein Klicken ertönte. Die Melodie setzte ein. Sie war dissonant, voll von merkwürdigen Tönen, die ich nicht zuordnen konnte.
"Hör mir zu", sagte Lilja. "Achte auf meine Stimme. Ich werde mit dir sprechen. Wenn es beginnt, verlasse ich den Raum. Dann achtest du auf die Melodie. Nur auf die Melodie. Die Stunden danach werden merkwürdig sein. Aber es ist der richtige Weg."
Ich nickte. Eine Weile lang war da nur diese Kakophonie, die an meinem Trommelfell kratzte. Und tatsächlich wurde mir ein wenig schwindelig.
"Du wirst deinen Weg beschreiten", sagte sie. Ihre Stimme war ganz nah. Und plötzlich, ohne dass ich es wollte, entspannte sich mein Körper. Ich ließ mich fallen.
"Es wird ein langer Weg. Es wird ein schwerer Weg. Aber du wirst ihn beschreiten."
Die Melodie wurde lauter, das Schwindelgefühl verstärkte sich. Am liebsten hätte ich einfach die Augen geöffnet und mich aufgesetzt. Es fühlte sich an, als würde sich da wirklich etwas anbahnen. Aber ich blieb liegen, atmete tief ein und aus.
"Nacheinander wirst du die Pforten durchschreiten. Die erste. Die zweite. Die dritte. Und hinter der letzten Pforte wirst du dich selbst finden. So wie du sein solltest."
Es war, als würde jegliches Gefühl langsam aus meinem Körper weichen. Da war ihre Stimme und da waren die Töne. Die Töne, die in wahlloser Reihenfolge gespielt wurden, ganz langsam. Das Rauschen dazwischen, das Knarzen.
"Ich werde diesen Raum verlassen. Und wenn ich diesen Raum verlassen habe, wirst du in den tiefen Schlaf fallen. Der tiefe Schlaf wird dich reinwaschen. Du wirst an dich selbst denken, an deine Zukunft. Wo willst du hin? Was ist dein Ziel? In diesem tiefen Schlaf wirst du dort sein. Wenn du aufwachst, bist du auf dem Weg. Auf dem Weg, ein Teil von uns zu werden. Es ist gut. Es ist richtig. Es ist das einzig richtige. Das wirst du wissen."
Ein leichtes Kribbeln setzte in meinen Armen und Beinen ein. Es wanderte über meinen Körper, verschlang langsam auch den Rest von mir. Etwas geschah hier mit mir.
"Ich werde diesen Raum verlassen", fuhr sie fort "Und der tiefe Schlaf wird über dich kommen. Und du wirst dich fürchten. Aber vor dem, was passiert, muss man sich fürchten. Denn es ist groß. Der Prozess ist größer als wir."
Selbst wenn ich gewollt hätte, könnte ich nun nicht mehr aufstehen, ich hatte keine Macht mehr über meinen Körper. Das Licht und die Melodie hatten mich gepackt, zogen mich tief hinunter. Und ich bekam Angst.
Damit hatte ich nicht gerechnet.
"Stell dir dich selbst vor. Deine Ziele, deine Träume. Stell dir vor, wie es ist, wenn du sie erreicht hast. Manifestiere die Bilder. Was willst du?"
Vor meinen Augen kristallisierte sich ein Himmel heraus. Ein fremder Himmel, den nie ein Mensch gesehen hatte.
"Konzentriere dich. Wohin willst du? Was ist deine Zukunft, Siem?"
Ich lag auf einer Wiese, die bis zum Horizont reichte. Keine Stimmen, keine Menschen, keine Stadt. Das Rauschen des Meeres. Es war bloß meine Vorstellung davon, ich hatte es noch nie gehört und doch erschien es mir vertraut.
"Siehst du deine Zukunft?" Die Worte drangen wie aus weiter Ferne zu mir.
Ich hob den Blick, sah ein Land, durch das noch nie zuvor ein Mensch gegangen war. Ein Ort, der nur mir gehörte.
"Ja", murmelte ich. "Ich sehe meine Zukunft."
"Was siehst du?"
Ich konnte mich nicht dagegen wehren, die Worte strömten aus meinem Mund. "Keine Menschen. Keine Stadt. Ich bin weit, weit weg. Hier herrscht Frieden."
"Behalte das Bild", sagte Lilja. "Ich werde den Raum verlassen und du wirst in den tiefen Schlaf fallen. Vielleicht wird es eine Weile dauern, aber du musst zu diesem Ort zurückkehren. Dann wird alles gut."
Aus weiter Ferne erklangen Schritte – und dann die Tür. ...
Weitere Bücher von Devon Wolters sind von 2017 bis 2019 entstanden, unter anderem seine Endzeit- und Horror-Romane "Blaue Tulpen", "Restmensch" und "Endpunkt", sowie die New-Weird-Erzählung "Nabelschnur".
Informationen dazu findet ihr in Devons Autorenprofil sowie auf seiner Webseite mit integriertem Shop; dort könnt ihr auch seinen Newsletter anfordern.
© Dem Autor Devon Wolters danken wir herzlich für die Leseprobe zur Buchvorstellung "Die Kirche des heiligen Prozesses" sowie für die Verwendung der Coverabbildung, 05/2020.
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