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Die Suche nach dem legendären ketzerischen Traktat "De tribus impostoribus" führt den Protagonisten Hieronymus Bender durch das vom Dreißigjährigen Krieg gezeichnete Europa des 17. Jahrhunderts und lässt ihn Bekanntschaft mit einigen illustren Zeitgenossen machen, darunter der spätere Papst Fabio Chigi, die schwedische Ex-Königin Christina, der Universalgelehrte Athanasius Kircher oder der Jesuitenpater Goswin Nickel.
Die Unterscheidung zwischen Freund und Feind fällt Bender zunehmend schwerer, sieht er sich doch von Machtspielen und Intrigen umgeben. Und was hat es mit diesem geheimnisvollen Buch über die drei Betrüger auf sich, an dessen Besitz zahlreiche Parteien so sehr interessiert sind, dass manche dafür sogar bereit sind, den eben erst geschlossenen Frieden aufs Spiel zu setzen?
Das 245 Seiten starke Taschenbuch "Die drei Betrüger" wurde im Februar 2019 veröffentlicht (ISBN 978-1796872071). Den historischen Roman von Ursula Janßen kann man auch als E-Book über die Online-Portale des Buchhandels erwerben.
Unsere Gruppe verbrachte eine Nacht in einer Herberge in der Stadt Zwettl, aus der die Besatzertruppen erst vor kurzem abgezogen waren. Allen Einwohnern war die Erleichterung anzumerken. Auch in mir breitete sich wieder etwas mehr Optimismus aus. Je weiter ich nach Süden vordrang, desto weniger war das Wüten des Krieges sichtbar, und desto zuversichtlicher waren die Menschen, was sich unzweifelhaft auch auf mich abfärbte. Ich hatte die gesamte Reise von Prag über kaum noch an das Traktat von den drei Betrügern gedacht, zum einen wegen des Frusts, den ich bei der Plünderung Prags verspürt hatte, zum anderen, weil der eigentliche Grund für meine rasche Abreise der Wille war, zwischen mich und den Kriegswirren so viel Abstand wie möglich zu schaffen. Ich hatte einfach genug von Krieg und Zerstörung.
Nun aber stand ich am Ufer der Donau und sah auf das stolze Benediktinerkloster Melk, das sich auf der anderen Seite des Flusses auf einem Hügel erhob. Überall wurde gebaut und repariert. Es war eine riesige Anlage, die eher einem befestigten Palast als einem Kloster glich und die an Größe der gesamten Stadt Melk selber in nichts nachstand. Der hohe, achteckige Kirchturm mit seinem Zwiebelturmdach erhob sich zwischen hohen, wehrhaften Gebäudekomplexen und zwei etwas kleineren Türmen, die zu weiteren Kapellen gehören mochten.
Hier klopfte ich an die Pforte und ließ mich gegen eine kleine Gebühr in das Gästehaus führen. Alles war schön, gepflegt und sauber; zum ersten Mal seit Wochen fühlte ich mich richtig sicher. Mir fielen die unzähligen Renovierungsarbeiten auf und als ich danach fragte, berichtete man mir, dass das Kloster lange wirtschaftlich darnieder gelegen habe, auch wegen der hohen Kriegssteuern, die allenthalben zu zahlen gewesen seien, dass aber seit einigen Jahren ein Aufschwung im Gange sei und auch die Zahl der Mönche sich vervielfacht habe. Natürlich musste ich gleich nach der Bibliothek fragen.
"Sicher gibt es hier eine Bibliothek", gab man mir zu verstehen. "Der Abt plant zur Zeit einen Neubau. Der alte Lesesaal mit den Pulten platzt aus allen Nähten."
"Ich habe hier ein Empfehlungsschreiben", sagte ich und kramte in meiner Tasche nach Naudés Dokument. Der Mönch las es aufmerksam und führte mich zum Bibliothekar des Klosters. Die Bibliothek war in einem düster wirkenden Gewölbe untergebracht, das durch recht kleine Fenster erhellt wurde. In der Mitte des Saals standen schwere Lesepulte, an die die ältesten und kostbarsten Bücher angekettet waren. Dennoch war die Sammlung immens. Ich staunte nicht schlecht, als ich alle Arten von Schriften hier einträglich beieinanderliegen sah: solche, die den Glauben predigten und solche, die ihm widersprachen. Ich schien an einem guten Ort zu sein, um wieder mit meiner erratischen Suche zu beginnen.
Ich wurde dem Bibliothekar, einem älteren, aber agilen Mann namens Azo, vorgestellt, dem ich zunächst ganz allgemein von Nachforschungen über den Verbleib alter Schriften berichtete, denn ich wollte auf jeden Fall etwas Zeit in dieser Sammlung verbringen. Der Zutritt wurde mir unter einigen Auflagen und unter Einhaltung eines strikten Zeitplans, der die Gebetszeiten der Mönche respektierte, gewährt. So blieb ich eine Woche im Melker Stift, las, stöberte in Regalen und Bücherstapeln, fachsimpelte mit Azo und aß mich endlich wieder täglich satt. Sogar Wein gab es hier alle Tage zu trinken; ich hatte den Rebensaft, den ich aus meiner Heimat kannte, im vergangenen Jahr vermisst.
Nachdem ich meiner Meinung nach ausreichend das Vertrauen des Bibliothekars gewonnen hatte, begann ich, ihn nach unkonventionellen, wenn nicht gar gottlosen Schriften zu fragen, die ich – natürlich nicht zum Eigengebrauch – für Kardinal Mazarin finden sollte. Nach einigem Hin und Her verstand Azo sehr genau, welches spezielle Werk ich meinte.
"Ihr sprecht vom De tribus impostoribus? Dem Traktat von den drei Betrügern?", fragte er mich.
"Ganz genau! Habt Ihr davon gehört, Pater?"
"Gehört? Es ist das verruchteste Buch, das je geschrieben wurde. Wir haben es hier, in dieser Bibliothek", entgegnete er.
Ich glaubte fast, mich verhört zu haben. Aufgeregt fragte ich zurück: "Wie bitte? Es ist hier? Kann ich es sehen? Kann ich es lesen?"
Azo lächelte breit. "Ja, ich sagte doch, es ist hier. Ihr könnt es sehen. Aber Ihr könnt es nicht lesen."
"Ist es nicht erlaubt, es zu lesen?" Ich würde mir schon etwas einfallen lassen.
Er aber sagte: "Es ist nicht verboten es zu lesen. Es ist unmöglich." ...
© "Die Bibliothek im Melker Stift": Der Autorin Ursula Janßen sagen wir herzlichen Dank für die Leseprobe aus ihrem historischen Roman "Die drei Betrüger" und das Coverbild, 02/2019. Mehr von der Autorin lesen Sie in ihrem spannenden Jugendroman "Werwesen".
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