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Stellen Sie sich vor, Sie verbringen einen Abend mit Commander Data von der USS Enterprise, die unter dem Kommando Captain Picards fliegt. Data ist ein Android, nicht etwa ein Roboter, vor allem im Äußeren, denn ein Android sieht einem Menschen täuschend ähnlich.
Bei einem Roboter wird auf die Optik keinen Wert gelegt, er ist für eine bestimmte Aufgabe geschaffen und ist dementsprechend ausgestattet. Man denke zum Beispiel an die großen Industrieroboter, die in der Fertigung eingesetzt werden. Es sind selbstständig arbeitende Maschinen, gleichgültig wie kompliziert ihre Technik auch sein mag.
Ein Android hat andere Aufgaben, vor allem ein so hoch entwickelter wie Commander Data. Sein Aussehen ist vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig, aber durchaus menschlich. Dazu kommt, dass er über ein positronisches Gehirn verfügt, was grob gesagt den Androiden in die Lage versetzt, zu lernen. Genau wie beim biologischen Modell bilden sich Synapsen und schaffen ein immer größer werdendes Netz, das Erfahrungen umsetzen und Erlerntes ebenso anwenden wie variieren kann. So gesehen wäre Data also ein vollwertiger Ersatz für einen menschlichen Gesellschafter. Er beherrscht die Regeln, welche die soziale Struktur unserer Gesellschaft stützen und ist freundlich. Allerdings hat er keine Gefühle und ist völlig dem logischen Ablauf unterworfen.
"Ach nein", werden Sie vielleicht denken, "Was soll ich mit einem völlig gefühlskalten Gegenüber denn anfangen?" Die Antwort wäre wahrscheinlich dann folgende: "Es kommt darauf an, was Sie von Ihrem Gegenüber erwarten." Data kann über alle Themen diskutieren, die einem wichtig sind. Sein Gehirn beinhaltet praktisch gesehen alle Bibliotheken der Welt. Einen kundigeren Gesprächspartner werden Sie wohl kaum finden.
"Ist das aber nicht langweilig, wenn alles über den Verstand läuft bei einem netten Abend?", könnte da ein weiterer Einwand sein. Nun ja, langweilig vielleicht – aber auf jeden Fall stressfrei. Sie betreten das Café, das als Treffpunkt gewählt wurde und werden von Data begrüßt. Und da er Unsicherheit nicht kennt, wird er freundlich und ruhig wirken. Er nimmt Sie als Menschen wahr, zu einer Beurteilung ihres Äußeren ist er nicht fähig.
Da er über keine emotional gefärbten Erinnerungen verfügt, wird er keine Emotionen an Ihr Erscheinungsbild knüpfen. Beispiel: Jemand mag Menschen mit rotem Haar nicht, weil er in seiner Schulzeit von einem rothaarigen Mitschüler terrorisiert wurde. Bei Data ist das unmöglich. Er akzeptiert, was er sieht, ohne es zu hinterfragen oder gefühlsorientierte Vergleiche zu ziehen. Das wird in der Konsequenz dazu führen, dass Sie Ihre Unsicherheit verlieren.
Data wird völlig sachlich bleiben und keinen Grund sehen, seine Überlegenheit zu demonstrieren, weil ihm der emotionale Antrieb fehlt. Da er die Dinge völlig logisch angeht, werden Sie sich nicht angegriffen fühlen, und es wird keinen Grund geben, um Sie in irgendeiner Weise zu verletzen oder zu beleidigen. Solches entspringt meist dem Gefühl der Unzulänglichkeit, was die eigene Person betrifft – da dies aber in den Bereich der Gefühle gehört, wird es nicht vorkommen. Das bedeutet, Sie werden einen herrlich entspannten Abend mit äußerst interessanten Gesprächen haben.
Er wird auch keinerlei Grund haben, um Ihnen etwas abzuschlagen, zumal Data völlig logisch denkt. Falls er etwas in irgendeiner Weise als gefährlich für Ihre Sicherheit einstufen würde, wären seine Einwände völlig folgerichtig und könnten nicht zu einem Streit führen. Die Angst um das Wahren des Gesichtes, die verkrampfte Furcht vor Herabsetzung der eigenen Person und das ständige Auf-der-Hut-sein vor versteckten Beleidigungen fallen völlig weg. Peinliche Redepausen finden nicht statt, ebenso wenig wie das Vorspiegeln eines in Wahrheit nicht existierenden Gemütszustandes.
Da Data völlig ehrlich ist – Lügen ist nicht möglich – können Sie es auch sein, und es besteht keine Veranlassung zum Abspielen des üblichen Repertoires, wenn man einen möglichst guten Eindruck machen will. Da der Android keine Komplimente macht, kommt es auch nicht zu oberflächlichen Schmeicheleien.
Wie Sie sehen, sind fast alle unangenehmen Bestandteile einer ersten Verabredung eine Sache der Emotionen und fallen gänzlich weg. Bitte? Sie wollen seine Telefonnummer? Gerne, haben Sie Papier und Stift?
© "Stellen Sie sich vor: Ein Abend mit Commander Data": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2011. Illustration: Thomas Alwin Müller, littleART.
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