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Die junge Frau mit den auffallend schönen Augen lässt mich nicht mehr los, ihre Portraits – von einem besessenen Künstler geschaffen – sind ungemein eindrucksvoll. Der Maler, der sie so lebendig wiedergegeben hat, ist der berühmte Amedeo Modigliani. Er hat Jeanne sehr geliebt, die um vierzehn Jahre jüngere Malerin.
Jeanne Hébuterne entstammte einer eher bürgerlichen Familie – ihr Vater war Buchhalter. Ebenso wie ihr älterer Bruder André, der sich als Maler etablieren konnte, war sie talentiert und wurde von ihren Eltern gefördert, die ihr ein Privatstudium der Malerei ermöglichten. Eine Fotografie, die etwa aus dem Jahre 1914 stammt, zeigt eine attraktive junge Frau mit herausforderndem, eindringlichem Blick. Jeanne wurde als eher still beschrieben, als ruhig – das Bild lässt vermuten, dass unter der Oberfläche ein starker Wille verborgen lag.
Die schöne junge Frau mit den Katzenaugen lernte 1917 den Maler Modigliani kennen, und es scheint, als ob sie ihr Leben zu seinen Gunsten aufgab – es war wohl, als ob sie beide fortan seines lebten. Der überaus exzessive Modigliani konnte vielleicht nicht allein bewältigen, was er sich auflud. Der Maler war gesundheitlich nicht auf der Höhe, mutete seinem Körper allerdings einiges zu. Er trank und konsumierte Drogen, aß äußerst unregelmäßig und war oft krank. Jeanne war auf einen begnadeten Künstler getroffen, der sie in gewisser Weise absorbierte. Sie war außergewöhnlich talentiert, doch irgendwann hörte sie mit dem Malen auf. Sie lebte ihre Kunst nur noch zugunsten seiner.
Die Familie der jungen Frau sah diese Verbindung nicht gerade gern, Modigliani war das verkörperte Bild des armen Bohème, der wirtschaftlich gesehen nicht erfolgreich war und am Hungertuch nagte. Außerdem waren seine Ausschweifungen bekannt. Doch Jeanne Hébuterne wollte und konnte sich nicht von ihm lösen, er war in ihr Leben getreten und hatte es sozusagen übernommen. Sie war unverzichtbar für ihn, war sein Modell und seine Muse – und nach Berichten einiger Freunde ließ er die Angst vor dieser Abhängigkeit wohl auch des Öfteren an ihr aus.
1918 bekam Jeanne eine Tochter, deren Vaterschaft Modigliani anerkannte. Die Eltern Jeannes hielten Abstand, das Benehmen der Tochter und ihre ledige Mutterschaft waren sehr schwer zu akzeptieren, obwohl der Maler seine Absicht, die Mutter seines Kindes zu heiraten, schriftlich niederlegte. Er verlobte sich mit Jeanne, als sie mit dem zweiten Kind schwanger war. Doch zu der Heirat sollte es nicht mehr kommen, denn Modigliani bekam Tuberkulose. Sein von vielen Exzessen und dem unsteten Leben geschwächter Körper hatte dieser Krankheit kaum etwas entgegenzusetzen, und bald darauf verstarb er.
Jeanne stürzte sich am Tag darauf aus einem Fenster im fünften Stock, ihr ungeborenes Kind starb mit ihr. Sie war unfähig geworden, für sich und ihre Kinder zu leben – es war für sie vermutlich nicht mehr denkbar, eine Existenz fortzuführen, die solitär zu leben war ... ohne Modigliani.
Es ist kaum anzunehmen, dass ihr Selbstmord aus Angst vor der ungewissen Lebenssituation mit ihren Kindern nach dem Tode ihres Liebsten geschah – sie weigerte sich einfach, es fortzuführen, stellte den Toten über ihre Kinder und sich selbst ... so wie sie es in der relativ kurzen Zeit ihrer Beziehung immer getan hatte. Eine begabte und schöne junge Malerin, die zu jener Zeit stark genug war, um sich eine andere Existenz als die bürgerliche vorzustellen, traf auf ein Genie – und die Künstlerin blieb zurück ... verschwand.
Wären die beiden nie zusammengetroffen ... was wäre geschehen? Man kann nicht anders, als diesen Gedanken immer wieder zu denken, wenn man die wunderschöne, katzenäugige Frau sieht, die ihr Geliebter gemalt hat, und die nur 22 Jahre alt wurde.
© "Das kurze und intensive Leben der Jeanne Hébuterne": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2011. Die Abbildung zeigt Jeanne Hebuterne, ein Gemälde von Amedeo Modigliani aus dem Jahre 1918 (Lizenz: gemeinfrei).
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