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Ohne auch nur einen Blick in die angezeigte Richtung zu werfen, fängt Mama an zu kreischen, was das Zeug hält: "Ihhh, eine RATTE." Und der Tag ist gelaufen. In früheren Zeiten kam so etwas öfter vor – galten Ratten doch als krankheitsübertragende Ungeheuer, die Menschen anfielen und auch vor Babys nicht haltmachten.
Und dieses schlechte Image haftet diesen Nagern heute noch an – wenn Entsetzensschreie auch immer seltener werden angesichts einer Ratte. Als gelegentlicher Ausfall sind solche Reaktionen allerdings noch zu beobachten. Dabei ist alles das, was man so über Ratten weiß, meist falsch.
Die Hausratte (Rattus rattus) kam etwa 1500 v. Chr. aus Asien, verbreitete sich über die ganze Welt, lebte mit den Menschen zusammen, denen das zwar kaum gefiel, die aber nicht viel dagegen tun konnten. In den Zeiten der Pest hüpften die eigentlichen Überträger – also die Flöhe – gutgelaunt von Ratte zu Mensch und umgekehrt. Die Ratten galten von da ab als Verbreiter von Krankheiten, was ja auch nicht abzuleugnen ist, wenngleich sie eher als Transportmittel dienten.
Im Mittelalter, zur Zeit der großen Epidemien, waren Hausratten die einzigen Vertreter ihrer Gattung in Europa (die Verbreitung der Wanderratten fand erst im 18. Jahrhundert statt). Hausratten sind sehr selten geworden – sie hatten Schwierigkeiten mit der Anpassung an die sich rasch verändernde Wohnkultur der Menschen. In Deutschland wird die Hausratte auf der Roten Liste der stark gefährdeten Tierarten geführt.
Aus den Wanderratten (Rattus norvegicus), die sich ebenfalls von Asien aus verbreiteten, wurden nun die Farbratten gezüchtet – die nicht mehr allzu viel mit ihren Vorfahren gemein haben. Zwar sind sie sehr intelligent und überaus sozial, aber auch weitaus krankheitsanfälliger, weil sie in gewisser Weise zivilisationskompatibel sind. Trotz ihres Rufes wurden die Nager in den letzten Jahren immer beliebter bei den Menschen – sie sind eigentlich perfekte Haustiere. Hunde oder Katzen sind nicht immer eine gute Wahl: Zeitmangel zum Gassi gehen, ein katzenfeindliches Haus, eine Allergie, oder Vermieter, deren Augenbrauen in die Höhe schießen bei Hasso und Minka, setzen da oft Grenzen.
Ratten sind menschenfreundlich – sie mögen Körperkontakt und außerdem sind sie sehr gelehrig. Hübsch sind die Nachfahren der Wanderratten übrigens auch – wer von "hässlichen Viechern" spricht, hat wahrscheinlich nie richtig hingesehen. Im Grunde sehen sie aus wie große Mäuse – sie haben die gleichen flinken Knopfaugen und ebenso die Greifpfötchen, mit denen sie ihre Nahrung festhalten – was ebenso putzig aussieht wie bei einem Eichhörnchen (... bei diesen schreit kaum jemand "Ihhh", dabei räubern Eichhörnchen Nester aus, und sie können es besser als Katzen).
Aber zurück zu Rattus norvegicus. Sie sind Allesfresser, legen aber großen Wert auf Sämereien, ebenso auf Früchte. Sie jagen durchaus einmal, und eine leckere Heuschrecke ist etwas, das sie zu schätzen wissen – ebenso ein Stückchen Speck. Da die kleinen Gesellen aber eine kurze Lebenserwartung haben (nur in den seltensten Fällen länger als drei Jahre), sollte man gut auf ihre Ernährung achten.
Wer mit einer Ratte Freundschaft geschlossen hat, kommt aus dem Staunen kaum heraus – sie können ebenso anhänglich werden wie Hund oder Katze und lassen sich erstaunliche Tricks beibringen. Naserümpfen ist nicht angebracht – den sie "stinken" nicht. Falls vom Käfig ein wahrnehmbarer Geruch ausgeht, liegt es am Menschen, der sich nicht richtig darum kümmert. Von strengem Eigengeruch kann keine Rede sein (hier ist natürlich die Ratte gemeint). Einzelhaltung ist eine schlechte Idee – Ratten leben in großen Verbänden und sind in Einzelhaft unglücklich. Natürlich sollte man sich nicht unbedingt ein Pärchen zulegen, sonst ist nämlich bald eine Hauserweiterung fällig – denn in Sachen Vermehrung sind die Knopfaugen eben auch fast unschlagbar.
Für sehr kleine Kinder ist die Rattenhaltung nicht empfehlenswert, denn wenn sie geärgert werden oder man ihnen wehtut, setzen sie durchaus auch ihre Zähne ein. Normalerweise sind Ratten allerdings freundliche Hausgenossen – es kommt auf das Temperament und die Erfahrungen mit Menschen an. Auch hier gibt es – wie überall – individuelle Unterschiede. Das betrifft auch die Fellfarben – gab es früher weiße, braune und schwarze Ratten, so liest sich heute das Angebot wie ein Zuchtbuch von Rassekatzen. Russisch Blau, Zimt oder Mink – die Auswahl ist mittlerweile sehr groß.
Einen großen Käfig – so groß wie möglich – und viel Beschäftigung brauchen Ratten. Freilauf und Interaktion mit den menschlichen Freunden ist absolut notwendig. Kaputtnagen ist eigentlich kein Problem, denn beim Freilauf sind sie unter Aufsicht und sonst im Käfig – vielleicht bleibt ein Kabel oder sonst etwas anfänglich auf der Strecke – aber das wäre bei einem Hundewelpen auch so. Man kann im Vorfeld der Rattenhaltung vieles verhindern.
Vor einiger Zeit gab es die Mode, überall wo man sich befand, eine Ratte auf der Schulter zu tragen. Ich denke nicht, dass dies den kleinen Tieren sehr gefiel, denn wie fast alle Kleintiere setzen Ratten auf Sicherheit. Und der Dauerritt auf der Schulter ist doch sehr stressig. Sie schätzen Abwechslung, denn für die reine Käfighaltung sind sie viel zu intelligent. Wer ihnen das bietet, wird sehr überrascht sein, dass in einem so kleinen Körper so ein lebendiger und kluger Geist wohnt.
© "Rattenfänger unerwünscht: Hausratten – Farbratten – Wanderratten": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2013. Bildnachweis: Ratte isst Schokolade, CC0 (Public Domain Lizenz).
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