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Vier der Schwerter
Das Bild führt uns in einen Raum, der sich augenscheinlich in einer Kirche befindet. Ein buntes Glasfenster ist zu sehen, unter dem ein Ritter auf der Platte eines Sarkophages liegt. Die uns zugewandte Seite zeigt ein Schwert, vier weitere hängen nebeneinander an der Wand.
Der junge Mann scheint nicht tot, nur wie zu Stein erstarrt, denn er hält die zum Gebet aneinander gelegten Hände hoch. Trotz der Stille vermittelt dieser Anblick nicht wirklich Ruhe, sondern eher so etwas wie Erwartung. Es erinnert an die Legende vom schlafenden König oder Helden, die es in verschiedenen Variationen bei fast allen Völkern gibt. König Artus oder der Kaiser Barbarossa sind bekannte Beispiele.
Der Held wird verwundet und verfällt in einen todesähnlichen Schlaf, der solange andauert, bis die Zeit kommt, in der er wieder gebraucht wird. Dann wird er sich von seinem Lager erheben und sein Volk führen wie in den alten Zeiten. Worauf es hier ankommt wird somit deutlich: Es geht um den Rückzug, der notwendig ist, um neue Kräfte zu sammeln. Der Ritter auf der Karte des Rider-Waite-Tarot hat sich völlig zurückgezogen, er befindet sich praktisch in Stasis. Sein Körper ist erstarrt, doch sein Verstand ist tätig.
Entweder braucht er diesen Zustand zur Heilung, oder aber er sammelt alle Kräfte, um sich der kommenden Herausforderung zu stellen. Das tägliche Leben fordert jedem sehr viel ab und manche Menschen "kämpfen" sozusagen an mehreren Fronten gleichzeitig. Zuerst muss man die aushäusige Arbeit bewältigen, dann warten die Aufgaben im Zuhause.
Angehörige und Freunde brauchen Hilfe oder Zuwendung, und die vielen großen und kleinen Probleme des Alltags versammeln sich geradezu um einen herum. Jeder kennt wohl das Gefühl wenn "nichts mehr geht". Man muss sich lösen können, denn sonst verliert man völlig den Überblick und verzettelt sich im Kampf gegen die Sorgen und widrigen Umstände. Das bedeutet nun nicht, dass man sich in ein künstliches Koma versetzen lassen soll. So dramatisch muss das nicht sein, es kann manchmal völlig reichen, sich für einige Stunden auszuklinken.
Wenn es zu viel wird, tut man sich selbst etwas Gutes, indem man ganz einfach mehrere Schritte zurücktritt, um das Gesamtbild zu betrachten. Das nämlich geht verloren, befindet man sich mittendrin. Und bevor die Gedanken um die Probleme rotieren wie ein Hamsterlaufrad, sollte man sie einfach ruhen lassen. Leichter gesagt als getan, aber es gibt Möglichkeiten.
Gehen Sie doch einfach wieder mal ins Kino. Anders als beim TV ist auf der großen Leinwand alles viel präsenter, man kann nicht schnell im Kühlschrank nach Leckereien kramen oder sich dabei über etwas anderes unterhalten. Im Kino ist man völlig konzentriert – jedenfalls wenn der Film fesseln kann.
Es gibt Leute, die bei zu viel Stress einfach die Leine vom Haken nehmen und mit dem Hund einen langen Spaziergang machen, fernab von jedem Lärm. Wenn sie dann zurückkommen, sieht manches schon wieder anders aus. Die Gemüter haben sich beruhigt und man hat Atem schöpfen können.
Natürlich können diese Mittel auch zu einem "vor sich herschieben" mutieren, dann allerdings ist es eher schädlich. Die Hinauszögerungstaktik ist nur in den seltensten Fällen wirklich angebracht. Wer sich dem Leben verweigert, tut sich nichts Gutes, denn es ist nicht unsere Aufgabe, ständig zurückgezogen zu sein. Außerdem werden die Aufgaben dadurch nicht kleiner, sondern kumulieren.
Es kommt schlicht und ergreifend auf den richtigen Zeitpunkt an. Den allerdings findet man besser selber und lässt ihn sich nicht aufoktroyieren. Ich kann mich nicht ausruhen, weil der oder jener mich braucht – das mache ich, wenn ich in Rente bin, erst muss ich dies oder jenes tun. Das sind die Hindernisse, die wir selber aufbauen, um nicht loslassen zu können.
Ein anderer Aspekt der Karte ist die Einteilung, die Sparsamkeit oder Wirtschaftlichkeit. Es geht um den richtigen und effizienten Einsatz der Mittel, ob es sich nun um die Kräfte oder um das Geld handelt. Der Krieger auf dem Bild wird seine Kräfte nicht unnötig verschwenden, sondern dann zum Einsatz bringen, wenn die Zeit dafür gekommen ist.
Ein wohlüberlegter Rückzug hat nichts mit Feigheit zu tun, sondern mit Klugheit.
Vier der Stäbe
Im Gegensatz zur Vier der Schwerter hat dieses Bild etwas wirklich Lebendiges. Über vier hohen Stäben ist eine Festtagsgirlande gespannt und man sieht zwei Menschen, die fröhlich Blumensträuße schwenken.
Im Hintergrund sind weitere Menschen und eine Burg oder befestigte Stadt zu erkennen. Es ist, als willkommnen einen die beiden fröhlichen Blumenträger zu einem großen Fest im Schatten der sicheren Mauern. "Leg jetzt erst einmal deine Sorgen ab und sei mit uns fröhlich und unbeschwert. Lass dich von neuen Möglichkeiten überraschen und genieße die wohlverdiente Freude, denn jetzt ist die Zeit für Feste." So oder ähnlich könnte die Botschaft der Karte lauten.
Es geht hier um eine aktive Pause, um das Genießen der eingebrachten Früchte und das Erfreuen am Reichtum. Alles ist in Ordnung, lass los und heiße die Freude und das Leben willkommen, könnte man sagen. Wer immer sagt, dass unser Dasein ein immerwährender Kampf sei, hat Unrecht. Die Karte ruft dazu auf, sich an dem zu freuen, was man erreicht hat. Das war der Sinn der Erntefeste. Jetzt hat jeder wohlgetan und jetzt ist die Zeit der Freude.
Leider gibt es viele von uns, die nicht in der Lage sind, einfach innezuhalten und Atem zu holen. Sie können sich an ihren Erfolgen nicht wirklich freuen und hetzen schon der nächsten Aufgabe hinterher. Diese Getriebenen rennen an allem vorbei, was das Leben ausmacht, sie steuern auf irgendeine Katastrophe zu. Wer sich aufgrund solcher Exzesse plötzlich mit einem Infarkt auf der Intensivstation wiederfindet, muss sich nicht wundern.
Für manchen bedeutet so etwas eine wirkliche Chance, sein Leben zu überdenken. Aber wer vergessen hat, sich zu freuen, wird einen solchen Einbruch nur als Hindernis auf seinem Todesrennen sehen. Dafür aber ist das Leben nicht da, das sollten wir auf keinen Fall vergessen. Bei dieser Lebensfreude, die auf der Karte gezeigt wird, gibt es so etwas wie "nicht willkommen sein". Selbst wenn wir Türen zugeschlagen haben, sind sie wieder zu öffnen. Vergessen wir nur nicht, auf Menschen zuzugehen und offen zu sein – gerade als befänden wir uns auf einem schönen Fest.
Die Karte ist eigentlich so etwas wie ein großes "JA". "Du bist hier richtig, das Leben umarmt dich hier – wende dich nicht ab. Lass uns zusammen feiern, weil wir viel erreicht haben, weil wir Frieden geschlossen haben, oder einfach, weil uns jetzt und hier danach ist."
Allerdings gibt es auch die warnenden Aspekte, denn die Feste im Hintergrund steht nicht umsonst da. Es hat wohl Bedrohungen gegeben oder wird sie wieder geben, aber nicht jetzt. Das Leben muss genossen werden, aber trotzdem darf man es sich nicht als permanente Party vorstellen. Denn es gibt eine Zeit für die Arbeit, die Sorgen, den Kampf und für das Feiern. Wer immer nur im Festzelt sitzt, bringt sich selbst um den Genuss des Feierns und wird auch bald keine wirklichen Gründe mehr dazu haben.
Aber wenn Feiertag ist, dann können und sollen wir uns mit ganzem Herzen und mit allen Sinnen hingeben und erfahren, was das Leben an Freude zu bieten hat. Das mag für den einen eine Tasse Tee und Musik nach einem harten Tag sein, für andere eine fröhliche Feier, oder ganz einfach unbeschwerter Urlaub. Auf jeden Fall aber ist es notwendig und gehört zum Leben dazu.
Augenzwinkernd könnte man auch sagen: Machen Sie sich keine Sorgen um die Probleme, die warten draußen vor der Kasse mit Sicherheit. Lassen Sie sie aber einfach ein wenig im Kühlen stehen.
* * * Tarot-Karte IV Schwerter und Stäbe: Ende der Leseprobe aus unserem Buch * * *
Vier der Schwerter – Lesen Sie unser Buch zu den Tarot-Karten:
Hier als Buchausgabe erhältlich
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© "Die Karte Vier: Schwerter und Stäbe": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), Eleonore Radtberger, 2010.
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