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Das Engagement in einem gemeinnützigen Verein ist Ausdruck eines inneren Antriebes. Nach Wikipedia lautet die Definition von Ehrenamt: "Ein Ehrenamt ist die Wahrnehmung eines öffentlichen Amtes oder einer gesellschaftlichen Aufgabe im Gemeinwohlinteresse ohne Einkunftserzielung, [...]. Die Übernahme eines Ehrenamts ist in der Regel freiwillig." Ein unfreiwilliges Ehrenamt ist beispielsweise die Bestellung zum Wahlhelfer.
Deutlich ist dies im Naturschutz zu spüren. Menschen verbringen endlose Stunden ihrer Freizeit in der Natur, um Tiere und Pflanzen vor dem Aussterben zu schützen. Eine per se identitätsstiftende Tätigkeit, so definiert sich das Ehrenamt, wird aber häufig zu einer zwingenden Notwendigkeit.
"Mache ich nichts, werden die Tiere und Pflanzen aussterben. Ich muss es also tun, denn der Nachbarn tut nichts. Es macht ja sonst keiner."
Die Aufgabe des eigentlichen Ehrenamtes wird auf eine höhere Ebene gehoben. Auch findet eine Abgrenzung innerhalb der ehrenamtlichen Community statt, da ein Gesangsverein nicht denselben Stellenwert hat.
Nun ist es nicht verkehrt, wenn ein Mensch mit seinem Ehrenamt eine hohe Identifikation verbindet. Realistisch müssen wir auch sagen, dass es auch Unterschiede innerhalb des Ehrenamtes gibt. Häufig wird über viele Jahre hinweg eine fachliche Kompetenz erworben, die den sogenannten Profi, also die Person, die für eine ähnliche Aufgabe bezahlt wird, übertrifft. All dies will und darf gar nicht in Abrede gestellt werden.
Das Problem beginnt dann, wenn mit der Aufgabe Emotionen verbunden werden. Jetzt wird es richtig schwierig, da das Ehrenamt im überwiegenden Teil eine emotionale Angelegenheit ist. Es geht um Selbstverwirklichung. Damit ist der Aufbau eines sachlichen Abstandes problematisch.
Aus meiner persönlichen Sicht muss in der aktuellen Zeit ein neuer Weg, der mit einem zukunftszugewandten Umdenken verbunden ist, beginnen. Ein Umdenken ist schwierig, wenn der bisher begangene Weg eine lange und zumeist erfolgreiche Tradition beinhaltet, wie es im Fall des Naturschutzes der Fall ist. Hätten wir den ehrenamtlichen Naturschutz nicht, wäre vieles erheblich schlechter.
Die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte erfolgte vom ausschließlichen Ehrenamt über Mischstrukturen, in denen Ehrenamt und finanzierte Stellen parallel existierten, hin zu häufig vollfinanzierten Strukturen in der heutigen Zeit, beispielsweise die zahlreich entstehenden Landschaftspflegeverbände.
Dabei entsteht auf Seiten des Ehrenamtes ein großer Frust.
"Subjektiv wird mir, dem engagierten Vereinsmitglied, eine Struktur vorgesetzt, die es anscheinend besser kann. Damit verliere ich meine bisherige Anerkennung, wenn ich nicht sogar überflüssig werde."
Die neuen Strukturen haben die Möglichkeiten signifikant mehr Zeit im Vergleich zum Ehrenamt zu investieren und sind losgelöst von der Intention der persönlichen Verwirklichung. Sie können sich hauptamtlich um eine vormals ehrenamtliche, meist freizeitgebundene Aufgabe kümmern und sind in der Lage schneller Projekte umzusetzen.
Ein zusätzlicher Frust entsteht dort, wo es um das liebe Geld geht. Vereine kämpfen um jeden Cent, sind auf Sponsoren angewiesen, betteln um Mitgliedschaften, müssen jeden Euro umdrehen, bevor sie ihn einsetzen können. Auch das muss in der Freizeit geschehen, was mich als Ehrenämtler von meinem eigentlichen Wunsch, dem Schutz der Natur, abhält, aber eine Notwendigkeit für den Verein darstellt, die ich wohl oder übel auch noch machen muss. Neue Strukturen hingegen werden von der öffentlichen Hand gefördert. Scheinbar gibt es hier große finanzielle Möglichkeiten, die wesentlich leichter zu bekommen sind. Auf die ich im Verein aber nur sehr begrenzt Zugriff habe. Gefühlt werde ich absichtlich finanziell knappgehalten.
Um es vereinfacht zu sagen: "Da dringen fremde Leute in meinen Bereich ein. Sie drängen sich in mein Arbeitsfeld, für das ich viele Jahre in meiner Freizeit gekämpft habe. Ich wollte etwas bewegen für uns alle und jetzt kommen andere und ihnen wird das Geld 'nachgeworfen'. Und ich, der sich seit Jahren die Finger wundtippt, der gegen Strukturen ankämpft, wird einfach übergangen."
Ist das so?
Nein!
Zum einen sind die sogenannten Leute in aller Regel hervorragend ausgebildete Personen, die seit Jahren in anderen Bereichen des Naturschutzes viele Erfahrungen gesammelt haben und die, gerade im Sektor Naturschutz, natürlich auch die Vereinsarbeiten kennen. Zum anderen liegt hier eine riesige Chance für die etablierten Vereine, die offensichtlich nicht gesehen wird:
Als Ehrenämtler muss ich mich, aufgrund des zeitlichen Zwanges, den ich habe, auf Kernbereiche konzentrieren. Ich muss da tätig werden, wo die Wahrscheinlichkeit möglichst hoch ist, Erfolg zu haben. Effektivität ist der Kampfbegriff. Dies führt dazu, dass ich in den allermeisten Fällen den Status quo in einem Projekt erhalten will. Ein Mehr ist aufgrund der personellen, zeitlichen und finanziellen Ressource meist nicht möglich.
Nehmen wir als Beispiel die Landschaftspflegeverbände (LPV) des Landes Hessens. Sie wurden, nach einer schwierigen Startphase, in den vergangenen Jahren rasant und in großer Zahl gegründet.
Jetzt wechseln wir noch mal die Sichtweise auf den gemeinnützigen Verein: Als Mitglied des Vereines stehen mir mit den vollfinanzierten Strukturen hauptamtliche Kollegen zur Seite, die für das Gleiche kämpfen. Ihnen kann ich meine Erfahrungen weitergeben. Ich kann aus Sicht des Vereins dieses Potential nutzen, um meine Ziele, die nicht mein Privateigentum sind, mit einer höheren Chance zu realisieren.
Der Schritt im Kopf ist ein Schwieriger. Meine Ziele sind meine Kompetenz, die ich mir in vielen Jahren mühsam erarbeitet habe, mein Baby. In positiver Betrachtungsweise gebe ich meine Erfahrungen weiter, damit andere, diese zum Erfolg bringen können. In negativer Sichtweise werden sich andere mit meinen Errungenschaften schmücken und ich verliere vielleicht meine bisherige Position im Gesamtgefüge der Naturschutzcommunity.
Das ist die notwendige Transformation, die ansteht. Gleichzeitig ist es ein schmerzhafter Prozess des Loslassens.
Die Lösung liegt in der Mitte: Die finanzierte Struktur setzt die Kompetenzen des Ehrenamtes um, bleibt aber weitgehend Dienstleister. Das Ehrenamt bekommt die Zeit sich um die grundsätzlichen Fragestellungen zu kümmern und wird befreit von den zeitaufwändigen Kleinaufgaben, die behindern und es unmöglich werden lassen, das Große und Ganze im Blick zu haben. Die Rolle des Vereins wird sich ein Stück weit verändern. Gleichzeitig ist die finanzierte Struktur aber auch nicht der extern finanzierte Angestellte des Vereins, da dort ebenso Kompetenzen, Erfahrungen und Ideen vorhanden sind. Letztlich bietet die vollfinanzierte Struktur einen Mehrwert.
Naturschutz ist keine Privatsache auch nicht hinsichtlich eines etablierten Vereines. Wir leben in einer Zeit, in der es weitreichende Umbrüche gibt. Die aktuelle Situation ist ein Aufbruch, keine Frage, sie ist schmerzhaft, aber Naturschutz geht nur nach vorne. Erfolge in der Vergangenheit sind schön in der persönlichen Rückschau und sollten anerkannt werden. In der Zukunft haben sie keinen Wert.
Wenn das Mitglied eines gemeinnützigen Vereins es schafft, seine fachliche Expertise emotionslos zu betrachten und sie in die neuen Möglichkeiten einbringt, gewinnen wir alle und auch der Verein behält seine Position als Ort der fachlichen Orientierung.
Unsere Leseempfehlungen: Dr. Martin Kreuels ist Autor und Coach für trauernde Männer sowie Biologe. Für seine Sachbücher, Romane und Gedichte bitten wir um Beachtung.
© "Naturschutz ohne Emotionen": Ein Essay von Dr. Martin Kreuels, 08/2023. Die Abbildung zeigt einen Schmetterling: © Fotografie Ralf Wendling.
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