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Eine Kunstrezension von Anja Junghans-Demtröder
Claude Monets künstlerische Persönlichkeit entwickelte sich in Le Havre, wo er aufwuchs und seine Kindheit verbrachte. Die Eindrücke, die er an der Küste des Ärmelkanals gewann, waren prägend für seine Themenwahl, die viel mit Wasser in Verbindung standen. Strände und Häfen, sowie Segelboote, die vor der Küste kreuzten, lassen bildlich erkennen, dass Monet das Wasser liebte. "Am liebsten wäre ich immer am oder auf dem Meer und wenn ich sterbe, möchte ich in einer Boje begraben werden", soll Monet einmal betont haben.
Am 14.11.1840 erblickte Oscar-Claude Monet in der Rue Laffitte in Paris als ältester Sohn eines Kolonialwarenhändlers das Licht der Welt. In der Familie, in die Claude hineingeboren wurde, besaß – außer seiner Tante – keiner künstlerische Talente oder gar Ambitionen. Vielmehr ging es dem Vater darum, der Familie einen vernünftigen Lebensunterhalt zu schaffen. Für die schönen Künste blieb kaum Zeit, geschweige denn das nötige Interesse. Im Jahre 1845 bot sich für Claudes Vater die Gelegenheit, eine Geschäftspartnerschaft mit seinem Schwager einzugehen. Auf diese Weise konnte die Familie ihre finanzielle Situation verbessern. Der Betrieb befand sich jedoch in Le Havre, so dass die Familie ihren Wohnsitz dorthin verlegen musste.
Als Claude in das Alter kam, wo es an der Zeit war, in der Schule etwas zu erlernen, stellte er sich als wenig interessierter Schüler heraus. In seinen Schulheften löste er kaum seine Aufgaben, vielmehr machte sich der Junge einen Spaß daraus, respektlose Porträts oder Karikaturen von seinen Lehrern oder Mitschülern zu erstellen. Die Schulzeit empfand er als eine Art Zwang, das Gefühl eingesperrt zu sein, und wann immer die Schulglocke das Ende des Unterrichts einläutete, suchte er den Weg in die Freiheit und begab sich an den Strand, um auf das Meer hinauszublicken.
Claudes Charakterzüge, die ihn einmal zu einem der ganz großen Maler machen sollten, stellten sich schon in sehr jungen Jahren heraus. Im Alter von 15 Jahren war er recht geschäftstüchtig und verkaufte seine Porträt-Karikaturen zu ansehnlichen Preisen von 20 Francs pro Stück. Der junge Monet trachtete nicht nach Auszeichnungen oder öffentlicher Bewunderung. Seine Stärke lag eher darin, in jedem Misserfolg den nötigen Antrieb zu finden, und jede Feindseligkeit, die man ihm entgegenbrachte, machte ihn nur stärker. Seine Motivation und Willenstärke übertrug sich auch auf seine Mitmenschen, die er aufbaute und dazu bewegte, niemals aufzugeben.
Im Jahre 1856 begann Claude Monet seine Lehrzeit bei Jacques-François Ochard, um die Kunst des Zeichnens zu erlernen. Monets Karikaturen waren so gut gelungen, dass sie in einer Rahmenhandlung ausgestellt wurden, in der ebenfalls der Freilichtmaler Eugène Boudin seine Werke präsentierte. Boudin begann, sich für den jungen Monet zu interessieren, und er war es auch, der Monet die Küstenmalerei näher brachte.
Monet schilderte seine ersten Eindrücke, nachdem er Boudins Naturstudien gesehen hatte, mit nicht großer Bewunderung. Ohne dass sie einander bisher gesehen oder kennen gelernt hatten, rief die Malerei Boudins bei näherer Betrachtung in Monet Abneigung hervor. Die erste Begegnung zwischen Monet und Boudin lief jedoch weniger dramatisch ab. Boudin wurde von Monet zunächst kritisch beäugt – erst mit Unverständnis, dann mit wachsender Aufmerksamkeit. Gab sich Monet am Anfang noch herablassend und dieser neuen Kunstform missgünstig gegenüber, so überkam ihn auf einmal eine innere Eingebung, die ihm Klarheit brachte und seine vorgefasste Meinung radikal veränderte.
Monet begriff von diesem Moment an, was diese Malerei in Wahrheit bedeutete – er war nun überzeugt, seine Bestimmung als Maler gefunden zu haben. Ein Maler, der sich im Freien seiner Kunst hingab, ist unabhängig. Boudin führte Monet zu dieser Erleuchtung, eine Kunstform der Malerei, die viele Künstler der nächsten Generationen für sich wählen sollten. Die Freilichtmalerei bot Monet die Möglichkeit, die Natur sorgfältig zu studieren, seine Eindrücke festzuhalten und alles zu entdecken, die Lebendigkeit und Kraft der Natur – also etwas, das sich im Atelier seiner Aufmerksamkeit entzog. Monet war sehr naturverbunden und sträubte sich gegen das Stadtleben, dem er nichts abgewinnen konnte. Claude Monet: "Offen gesagt, ich glaube, dass man in solcher Umgebung nichts zustande bringen kann. Meinen Sie nicht, dass man, allein von der Natur umgeben, Besseres leistet?"
Nach dem Tode der Mutter, die am 28.01.1857 verstarb, fasste Monet seinen ganzen Mut zusammen, um seinem Vater seine wahren Berufsabsichten mitzuteilen. Adolphe Monet war sich den künstlerischen Ambitionen seines Sohnes sicher bewusst und spürte wohl auch instinktiv die Entschlossenheit, die hinter seinen Absichten stand. Dies zugrunde legend, war er zu Anfang gewillt, die Finanzierung des Kunststudiums durch Beantragung eines Stipendiums sicherzustellen. Sein Gesuch wurde jedoch mehrmals vom Magistrat von Le Havre abgelehnt, mit der Begründung, die frühen Erfolge des Sohnes durch das Anfertigen von Karikaturen würden eine solche Ausbildung nicht rechtfertigen.
In seiner Jugend erwies sich Monet als äußerst vorausschauend, der sparsam mit seinem Geld umging – folglich begab er sich mit seinen Ersparnissen 1859 nach Paris und suchte den Maler Constant Troyon auf, der nach Inspizierung einiger Arbeiten den Historienmaler Thomas Couture, welcher schon Édouard Manet als Schüler zu verzeichnen hatte, als einen geeigneten Lehrer für Monet befand. Doch Monet, der durch seine Erfahrungen mit Eugène Boudin entscheidend durch die Freileichtmalerei beeinflusst und geprägt wurde, nahm diese Empfehlung nicht am – sehr zum Ärger seines Vaters, der sich gerade dazu durchgerungen hatte, den Sohn finanziell zu unterstützen, wenn dieser den Rat befolgen und ein Grundlagenstudium in Coutures Atelier beginnen würde.
Monet schrieb sich dem Willen des Vaters zum Trotz bei der Akademie Suisse ein, deren Ziel es war, den Studierenden beim Lernen mehr künstlerische Entfaltung zu gewährleisten, als ihnen überholte Unterrichtsmethoden, wie das Kopieren alter Gemälde oder das Abmalen von Gipsabgüssen, aufzudrängen. Dies führte eher dazu, derartig begabte Talente zu beeinträchtigen, als dass diese einen großen Nutzen davontrugen. Monet besann sich nicht nur auf sein Studium der Malerei, sondern genoss auch die Vergnügungen, zu denen Pariser Cafés und Lokale einluden. Das junge Studentenvolk traf sich hier zu ausschweifenden Kunstdiskussionen und frönte unbekümmert dem munteren Pariser Treiben. Im Jahre 1860 fand dieses sorglose Leben mit der Einberufung zum Militärdienst ein unerfreuliches Ende. Zudem war Adolphe Monet nicht bereit, seinem Sohn diese sieben Jahre andauernde Dienstzeit beim Militär durch Freikauf zu ersparen.
Hier zeigte sich nun die bittere Erkenntnis, die Monet hinnehmen musste, weil er trotz familiärem Widerstand auf eine künstlerische Laufbahn bestand. Adolphe Monet erschien es in dem Punkt mehr als gerechtfertigt, seinem Sohn durch Ableisten des Grundwehrdienstes eine Lektion zu erteilen. Die Entscheidung des Vaters ließ Monet emotional unberührt, als wolle er seine eigentliche seelische Verfassung vor dem Vater fernhalten. Er trat seinen Dienst an und erkrankte während seiner Zeit als Kavallerist an Typhus. Ein Zustand, den seine kunstfreudige Tante mildtätig stimmte. Sie veranlasste Monet nach einem knappen Jahr vom Militärdienst freizukaufen, somit blieb ihm die restliche Dienstzeit von weiteren sechs Jahren erspart. Während seiner Genesungs- und Ruhephase, die er zu Hause im Kreis seiner Familie verbrachte, nahm Monet das Malen wieder auf und besuchte häufig die normannische Küste. Bei dieser Gelegenheit, obwohl es eher eine Zufallsbekanntschaft war, lernte Monet den Maler Johan Barthold Jongkind kennen.
Jongkind lebte und malte sehr zurückgezogen, daher pflegte er zu der Künstlergesellschaft kaum Kontakte. Monet schätzte besonders die Motiv- und Themenwahl, derer sich Jongkind annahm. Seine Bildnisse orientierten sich an seinem Lehrer Boudin, der genau wie Jongkind Ansichten von Häfen, Stränden und Seelandschaften malte. Obwohl beide Maler sich durchaus als ebenbürtig erwiesen, war Boudin zweifellos derjenige, der den wichtigsten Einfluss auf Monet ausübte. Boudin lehrte ihn die Natur zu sehen als wichtigste Grundlage der Landschaftsmalerei, eine Erkenntnis, die Monet als Gewinn für seine Kunst ansah.
Madame Lecadre – Monets Tante – war äußerst beunruhigt über die Ansichten ihres eigenwilligen Neffen. Seine unbefriedigenden Resultate seien ihrer Meinung nach das Endprodukt seines künstlerischen Umgangs, dessen Lob und Beglückwünschungen sie kaum billigen konnte. Ihr war mehr daran gelegen, Monet akademisch ausbilden zu lassen, doch wann immer sie es zur Sprache brachte, schenkte Monet ihr kaum Beachtung. Es folgte eine ernsthafte Unterredung mit seinem Vater, der das Kunststudium von gewissen Auflagen abhängig machte. Adolphe Monet vertrat sein Anliegen in aller Deutlichkeit und der kleinste Verstoß hatte die Streichung des Unterhalts zur Folge. Monet zeigte sich während des gesamten Gesprächs verständig, weil er instinktiv spürte, dass sein Vater auf seine Bedürfnisse einging.
Es hatte wenig Sinn, die Situation durch Widersetzen zu verschärfen, vielmehr war Monet daran gelegen, die Bedingungen seines Vaters zu erfüllen. So trat er wunschgemäß in das Atelier von Monsieur Gleyre ein, wo er auf seinen Zeitgenossen Renoir traf, mit dem ihm alsbald eine freundschaftliche Beziehung verband. Die dortigen Lehrmethoden stimmten Monet wenig einvernehmlich und wieder zeigte sich seine Abneigung gegen die akademische Kunst. Trotz seiner Rebellion besann er sich zunächst, an den öffentlich geförderten Ausstellungen der Pariser Salons teilzunehmen. Monet sah in gesellschaftlich gefestigten Bilderschauen eine wichtige Grundvoraussetzung für seine künstlerische Laufbahn, daher erschien ihm eine Teilnahme als unerlässlich.
Claude Monet richtete seine Bemühungen nun auf die Pariser Salons. Sie boten eine wichtige Grundlage für die öffentliche Wahrnehmung durch die Bevölkerung. War die Anerkennung als Maler erst einmal vollzogen, konnte Monet seine Berufswahl vor seiner Familie mit entsprechenden Erfolgen rechtfertigen. Die Pariser Salons wurden von einem Gremium von Künstlern verwaltet, die der konservativen Malerei anhingen. Die Juroren waren im äußersten Sinne auf sich selbst bedacht, um ihre eigene Stellung zu wahren. Der moderne Kunststil sollte aus diesem Grund schon keinen Anklang finden, weil die Herren um ihren Rang fürchteten. Jegliche Form von Veränderung oder Erneuerung der Kunst wurde bei der Auswahl der Werke nicht berücksichtigt.
Unabhängig davon gelang Monet im Jahre 1865 ein erster Teilnahmeerfolg und im darauf folgenden Jahr war ihm sogar mit dem Gemälde "Dame im grünen Kleid" ein großer künstlerischer Erfolg vergönnt, was ihm zusätzlich die Bekanntschaft Édouard Manets einbrachte. Der um einige Jahre ältere Manet verfolgte mit seinen hartnäckigen Bemühungen durch Aufnahme der Pariser Salons zu mehr öffentlicher Anerkennung zu gelangen, recht ehrgeizige Ziele. Er unternahm im Wesentlichen mehr Anstrengungen, als es bei Monet je der Fall war. Édouard Manet gehörte jener Gruppe von Künstlern an, die man als künstlerische Revolutionäre betitulierte und die sich anmaßten, einen neuen moderneren Kunststil einzuführen. So war es nicht weiter verwunderlich, dass Manet mit seiner Eigenwilligkeit und Mut zur zeitgenössischen Themenwahl vorbildhaft und imponierend zugleich für seine jüngeren Kollegen war.
Monet und seine Impressionistenfreunde fühlten sich mit Manet seelenverwandt, verfolgten sie doch gemeinsame Absichten, jedoch war die Tragweite der Schwierigkeiten, die so ein unbändiges Verhalten mit sich brachte, absehbar. Es brachte ihnen die Feindseligkeit der etablierten Maler aus den konservativen Reihen ein. Mit allen erdenklichen Mitteln trugen sie aktiv dazu bei, dass nur wenige Bilder Monets in den 60er und 70er Jahren den Weg in die Salons fanden. Für zusätzliche Probleme sorgten die damaligen Kunstkritiker, die im konservativen Sinne urteilten und somit die Vorrechte des gängigen Kunststils sicherten. Sie sahen Monet als Teil einer Bande von Rebellen, die jener traditionsbedingten Kunst ablehnend gegenüberstanden. Monet fühlte die Schwierigkeiten und die Problematik, sich künstlerisch durchzusetzen, dennoch blieb er seinen Grundsätzen treu.
© "Der junge Claude Monet": Eine Kunstrezension von Anja Junghans-Demtröder.
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– Édouard Manet: Die Malerei der Maskerade
– William Turner: Ausdruck und Dynamik eines neuen Zeitalters
Die Abbildungen zeigen Gemälde von Claude Monet:
– oben: Karikatur des Notars Léon Marchon (1855/56), Lizenz: gemeinfrei
– mitte: Das Frühstück im Grünen (1865/66), Lizenz: gemeinfrei
– unten: Die Terrasse von Sainte-Adresse (1867), Lizenz: gemeinfrei
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