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Von Männern argwöhnisch betrachtet, von Müttern toleriert – und tatsächlich überlebenswichtig: die beste Freundin. Hier ist von Frauen die Rede, obwohl Männer auch "beste Freunde" haben. Angeblich soll das etwas anders ablaufen, zumindest geht man nicht zusammen auf die Toilette – aber die Unterschiede sind kaum der Rede wert.
Die erste beste Freundin ist wahrscheinlich prägend für das ganze Leben – manchmal trifft man sie schon im Kindergarten, spätestens aber in der Grundschule. Was sie ausmacht? Ganz einfach, ihre bloße Existenz. Diese erste wirklich dicke Freundschaft macht sich eigentlich an nichts fest – nicht einmal an Gemeinsamkeiten. Die werden nämlich oft erst beim gemeinsamen Erleben geschaffen. Die Vorliebe für manche Dinge zum Beispiel – das können viele Dinge sein: Bücher, Ponys, Träume ... vor allem letzteres. Denn nur mit "ihr" kann man so herrlich in einer völlig anderen Welt leben – zumindest zeitweise.
Die beste Freundin weiß fast alles von den eigenen Kümmernissen – und umgekehrt ist das natürlich genau so. Diese Freundin verteidigt man unter Verachtung aller Gefahr für einen selbst – auch wenn es um Hausarrest oder Schlimmeres gehen sollte. Vor den Eltern und Geschwistern wird sie verteidigt, man verrät sie nicht und wird auch nicht verraten. Mit ihr geht man Hand in Hand, bildlich gesprochen, und in letzter Zeit auch wieder tatsächlich. Früher war das so üblich, und niemand dachte sich etwas dabei.
Diese erste tiefe Bindung außerhalb der Familie hält lange – manchmal sogar ein ganzes Leben. Geht es auseinander, vielleicht weil eine räumliche Trennung nicht zu vermeiden ist oder ein Schulwechsel, nimmt irgendwann ein anderes Mädchen diese Stelle ein. Mit der Pubertät wird sowieso alles auf einmal anders, und da braucht man jede Unterstützung, die man kriegen kann. Die engen Teenagerfreundschaften der Mädchen stellen für die Umwelt eine ernste Prüfung dar – zwischen hochdramatischen Ausbrüchen, betonglatter und mühselig aufrechterhaltener Coolness und hemmungslosen Kicherattacken sind diese "Pärchen" äußerst gewöhnungsbedürftig. Aber mit wem sollte man denn sonst über Sachen wie Klamotten, Make-up oder Liebe sprechen, als mit einem Geistesverwandten?
Man sagt zwar Jungs nach, dass sie als völlig hormongesteuerte Monster durch ihre Teenagerzeit gehen – aber Mädchen denken auch kaum an etwas anderes. Sie leben es nur etwas anders aus, sind völlig im Äußerlichkeitswahn gefangen – ungeachtet ihrer Intelligenz. Da kann ein ganzer Nachmittag draufgehen, nur um die Kleider auszuwählen für die drei Minuten, in denen man IHN an der Bushaltestelle sieht. Das hält nur die beste Freundin durch, für die man dafür an einem anderen Tag die Frisuren für das erste Date durchprobiert.
Hier geht es auch um das Träumen – denn das Knutschen wird erst so richtig schön, wenn man mit IHR hinterher darüber sprechen kann. Das ist keine Legende, das ist eine Tatsache. Solche Freundschaften erleben oft die erste feste Paarbeziehung mit, das erste Kind und die Ehejahre. Zwar verstehen sich die Freundin und der Geliebte nicht immer gut (das gilt auch umgekehrt für Jungenfreundschaften), denn hier fängt die Eifersucht an, eine Rolle zu spielen. Aber wenn das Leben in eine neue Phase eintritt, ist sie ebenso unverzichtbar, die Stütze und Schulter in schlechten Zeiten. Manche Dinge bespricht man mit seinem Partner nicht – entweder, um ihn zu schonen oder auch, weil man nicht weiß, wie man mit diesem Thema umgehen soll – die Freundin versteht aber ohne viele Worte. Manchmal handelt es sich um ein und dieselbe Freundin, manchmal wechseln sie mit dem Lebensabschnitt – aber es gibt sie immer, oder sollte sie geben.
Es ist schön, wenn alte Damen Arm in Arm mit IHR unterwegs sind, noch immer von den Abenteuern der Kinder- und Jugendzeit erzählen, sich immer noch nahe sind und miteinander alles erlebt haben: Kindheit – Jugend – Ehe – Kinder – Witwenschaft, und sich noch immer mögen. Ebenso schön ist es, wenn man auch später im Leben noch offen für eine geistesverwandte Freundin ist, mit der man noch so manche Straße entlangwandert.
Tatsächlich ist es eine Art der Liebe, diese besondere Freundschaft, wie sie Frauen als auch Männer kennen und schätzen – und sonderbarerweise mit sehr viel mehr Akzeptanz, als es bei den Partnerschaften der Fall ist. Man ist eher bereit, die beste Freundin – oder den besten Freund – mit all seinen Macken zu akzeptieren, als man es beim Ehepartner wäre. Man verlangt nicht so viel und bekommt, wahrscheinlich deswegen, viel mehr. Leider ist dieses Rezept nicht auf die Liebesbeziehungen anzuwenden – wieso, ist nicht erklärbar. Wie auch immer, in Abwandlung der Worte eines klugen Menschen könnte man sagen: Das Leben ohne beste Freundin ist möglich, aber uninteressant.
© "Die beste Freundin": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Illustration: Thomas Alwin Müller, littleART.
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