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"Und dann ging alles ganz schnell" ... mit glänzenden Augen sagt das Frau/Mann und begibt sich auf den Weg in die Flitterwochen. Und nicht lange danach, in extremen Fällen schon in einigen Monaten oder Wochen, ist der ganze Zauber verflogen – und jeder will nur noch weg. Das gibt es nicht nur, es ist unglücklicherweise sogar die Regel. Was ist da nur passiert, fragen wir – und eigentlich wissen wir es.
Zwei Menschen verlieben sich fürchterlich heftig, und entlieben sich auf dieselbe Weise. Das ist völlig normal und keiner erwartet eigentlich etwas anderes, denn es dauert einige Zeit, bis er oder sie die Angelegenheit mit den zwischenmenschlichen Beziehungen "auf die Reihe kriegt". Flapsig gesagt, aber es gibt natürlich immer wieder ganz großen Herzschmerz, der zwar recht rasch vergeht, aber trotzdem eben da ist.
Man verliebt sich in einen Mann oder eine Frau, weil er/sie aussieht wie der Schwarm, der in Posterformat über dem Bett hängt, weil er/sie irgendetwas tut, was einem imponiert. Es geht dabei um Äußerlichkeiten – das ist nicht herabsetzend gemeint, es ist eben eine Tatsache. Später wird das anders sein, jedenfalls ist es im Idealfall so. Man blickt mit der Zeit tiefer und verliebt sich aus anderen Gründen, man erkennt rasch, dass der oder die Idealgeliebte nichts als ein Schemen ist, der mit leibhaftigen Menschen nichts zu tun hat. Und so wird eine Frau mit Hang zu feurigen Latin Lovers glücklich mit einem sandblonden, gesetzten Herrn.
Dasselbe gilt für den Mann, der immer auf lange blonde Mähnen und endlos lange Beine stand, aber seine kurzhaarige Brünette mit dem kleinen Bäuchlein nie wieder hergeben möchte. So sollte es sein, denn wer einem Idealbild nachjagt, wird letztendlich niemanden finden, außer vielleicht eine Art menschliches Poster, das man herzeigen kann, um Neid zu erwecken, das sonst aber eigentlich zu nichts gut ist, weil man den Menschen dahinter nicht wahrnimmt.
Findet man auf den ersten Blick jemanden hinreißend oder sehr interessant, dann hat irgendetwas an dieser Person "gegriffen" ... etwas ist eingerastet sozusagen. Vielleicht das Äußere, das uns spontan gefällt oder eine bestimmte Verhaltensweise, die wir schätzen. Jeder von uns erwartet etwas von dem Menschen, mit dem er eine Partnerschaft eingeht – das ist sehr unterschiedlich. Manche legen sehr viel Wert auf gleiche Interessen oder Vorlieben, andere suchen jemandem mit dem gleichen sozialen Hintergrund.
Die so genannte "Liebe auf den ersten Blick" gibt es nicht wirklich – man muss das Wort Liebe durch das Wort "Faszination" ersetzen. Das wiederum ist durchaus möglich. Man sieht jemanden und schlagartig tritt alles andere in den Hintergrund. Man bewundert so gut wie alles an ihm/ihr und ist hingerissen. Allerdings hat man zu diesem Zeitpunkt schon eine eingegrenzte Wahrnehmung, denn man möchte alles mögen, was man sieht und verdrängt alles, was vielleicht ein Warnhinweis sein könnte. Ich sage "verdrängt", denn wahrgenommen werden solche kleinen Signale schon – nur, wer will sich in diesem Stadium der Verliebtheit schon Zweifel leisten.
Der eigene Liebesfilm in 3D geht weiter und es steuert flott auf ein Finale zu – was entweder zusammenziehen oder Heirat heißt. Und dann klopft jemand erst schwach und zurückhaltend, dann aber forscher und schließlich unüberhörbar an die Tür ... der Alltag. Ist man fasziniert, ohne die Person näher zu kennen, macht also an äußeren Zeichen wie Verhalten oder Optik alles fest, kann man sehr böse überrascht werden. So entpuppt sich vielleicht ein nimmermüder Tänzer, sobald man eine gemeinsame Couch hat, als ewig müder TV-Besessener, die elegante Femme fatal als Morgenmanteltragende vor sich hin meckernde Zicke. Was das Ego so wunderbar streichelte am Anfang, die glutvolle Eifersucht ist nichts anderes als Kontrollsucht und Besitzdenken – und die bewunderte Toleranz schwindet in den alltäglichen Sorgen und wird durch ewige Streitereien ersetzt.
Was ist passiert? Eigentlich ist es einfach – in was wir uns verliebt hatten, war nicht der andere Mensch, sondern unsere Vorstellungen von ihm. Manchmal reicht ein winzig kleines Signal und man macht seine Sehnsüchte an einem Menschen fest, der sie beim besten Willen nicht befriedigen kann, weil er eben eine reale Person ist. Man hat eigentlich sofort alles, wovon man geträumt hat (und von dem man normalerweise weiß, dass es nur eine Idealvorstellung ist) in jemanden gepackt. Auslöser kann alles sein, von einer Äußerlichkeit bis zu einer bestimmten Fähigkeit – und wenn der andere ebenso fasziniert ist, versucht er instinktiv, dem Bild zu entsprechen. Man gibt sich gewissermaßen erst einmal auf, um das zu sein, was der andere erwartet – aber das kann nicht von Dauer sein, im täglichen Leben ist das nicht lange möglich.
Das eigene Ich, die eigenen Bedürfnisse werden sich nicht lange unterdrücken lassen, und das führt zu Konfrontationen und Streit, weil die Enttäuschung vorherrscht – die man im Übrigen dem anderen anlastet. Verliebtheit bedeutet Spaß am Lieben, Flirten, Träumen. Liebe bedeutet, sich einzulassen und das gleiche entgegenzunehmen, vor allem aber den anderen als Menschen wahrzunehmen und nicht als die Hauptperson in den eigenen Träumen von Liebe. Da kann das Erwachen nämlich sehr schmerzhaft sein.
© Textbeitrag "Verliebt – verlobt – verheiratet": Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Die Abbildung zeigt das Gemälde "Der Antrag" von William Adolphe Bouguereau aus dem Jahr 1872, Lizenz: Public domain.
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