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Als Teenager rutschte ich durch eine Diät in die Anorexie. Obwohl ich mein ursprüngliches Gewichtsziel erreicht hatte, konnte ich nicht aufhören, abzunehmen. Ohne es damals zu bemerken, war ich bereits gefangen in dem Teufelskreis der Anorexie. Mein Alltag war bestimmt von Gedanken zu Essen und Nicht-Essen, der Kontrolle und genauen schriftlichen Dokumentation meines Essverhaltens und von bestimmten Zwängen in Bezug auf die Nahrungsaufnahme, die Bewegung sowie die Kontrolle des Essverhaltens Anderer.
Drei Jahre (über)lebte ich mit der Magersucht – bis ich an einem Punkt angelangte, an dem ich wirklich etwas verändern und gesund werden wollte. Ich entschied mich aus eigenem Willen heraus, in eine Klinik zu gehen. Die stationäre Behandlung war ein sehr wichtiger Schritt auf meinem Weg, die Anorexie hinter mir zu lassen. Nach meiner stationären Behandlung war ich nicht sofort komplett gesund. Mehrmals war ich zufrieden, stellte aber im Nachhinein fest, dass ich in gewisser Hinsicht noch ein Stück der Anorexie festgehalten habe, auch wenn ich keinen Rückfall hatte. Ich ging meinen Weg weiter und konnte immer wieder Schritte gehen, die die Anorexie noch mehr in den Hintergrund rücken ließen.
Sechs Jahre nach Ausbruch der Erkrankung konnte ich sagen, dass ich komplett gesund bin. Damit ist meine Geschichte aber nicht zu Ende. ...
Ihre autobiografischen Aufzeichnungen hat die Autorin Nathalie Weber unter dem Gesamttitel "Folge dem Kompass deines Herzens: Mein Weg aus der Essstörung" zusammengefasst. Ihr Buch wurde Mitte Februar 2021 via tredition veröffentlicht.
Neben der Taschenbuch-Ausgabe gibt es auch eine gebundene Ausgabe mit jeweils 248 Seiten sowie ein E-Book. Im Handel ist die Buchausgabe zum Thema Magersucht unter den Genres Essstörungen sowie Biografien und Erinnerungen zu finden.
Zu der Kontrolle meines Essverhaltens kam die Kontrolle meines Gewichts. Ich wog mich mehrmals täglich – nach dem Aufstehen, nach dem Mittagessen, nach dem Abendessen. Damit wollte ich konsequent kontrollieren, wie sich mein Essverhalten auf mein Gewicht auswirkte. Ich habe damals jedoch nicht bedacht, dass Essen – egal, wie viele Kalorien die jeweiligen Nahrungsmittel haben – etwas wiegt und sich das natürlich auf der Waage widerspiegelt, genauso wie die Menge an Flüssigkeit, die ich zu mir nahm. Dieses mehrmalige Wiegen am Tag war ein regelrechter Zwang. Konnte ich diesem nicht nachgehen, war das Essen noch schwieriger für mich als sowieso schon. Eine, meiner damaligen Ansicht nach, zu große "Zunahme" im Laufe des Tages führte dazu, dass ich mir ganz genau überlegte, was ich den restlichen Tag noch essen durfte und was nicht.
Viele Stunden meines Tages verbrachte ich mit den Gedanken um Essen, Nicht-Essen und Gewicht. Ich plante bereits im Voraus, was ich an welchem Tag essen dürfe.
Meine Tagebucheinträge spiegeln meine Gedanken an Gewicht und Essen wider:
"Ich will am Sonntagabend 53,5 Kilogramm wiegen und das wiege ich gerade auch, aber vor der Konfirmation waren es noch 52,5 Kilogramm. Ich darf halt nur einen Apfel zum Frühstück essen und auch nichts zwischendurch."
(Tagebucheintrag 13.03.2008)
Zusätzlich zu den Gedanken um Essen, Nicht-Essen und Gewicht konnte ich mich stundenlang damit beschäftigen Rezeptbücher anzuschauen. Mir reichte es vollkommen aus, die Bilder von sämtlichen Gerichten anzusehen, selbst essen wollte ich sie nicht. Auf den Gedanken, dass dieses Verhalten ungewöhnlich war, kam ich nicht. Für mich schien das eine sinnvolle Beschäftigung zu sein. Wie ich im Nachhinein aber weiß, trieb mich die Anorexie dazu. Damit konnte sie mich von anderen Themen und Problematiken ablenken.
Nach einem Gewichtsverlust von sieben bis neun Kilogramm innerhalb recht kurzer Zeit – circa drei Monate – blieb im März 2008 meine Periode aus. Eindeutig ein Warnsignal! Eigentlich hätte ich mir darüber Gedanken machen sollen, das tat ich aber nicht. Für mich war alles nach wie vor nur eine "Diät", die ich ja, wie ich damals behauptete, jederzeit beenden könnte. Zu meiner Periode schrieb ich folgenden Tagebucheintrag:
"Meine Tage habe ich immer noch nicht bekommen, aber naja scheiß drauf!"
(Tagebucheintrag 19.03.2008)
Damit war dieses Thema für mich vorerst beendet. Ich hatte damals keine Angst vor möglichen Folgen, die eine ausbleibende Periode mit sich bringen kann.
Im Mai 2008 spitzte sich die Situation zu. Mein Gewicht stagnierte bei 53 Kilogramm. Damit wollte und konnte ich mich nicht zufrieden geben. Ich war besessen davon, weiter abzunehmen, weil das zeigte mir, dass ich etwas kontrollieren konnte. Das war mir in dieser Situation aber nicht bewusst. Zudem war meine Körperwahrnehmung verzerrt und so sah ich mich als nicht schlank genug an. Wobei ich nach der Aussage von Außenstehenden durchaus dünn war.
Von dem anfänglichen "nur auf Süßigkeiten verzichten" hatte ich mittlerweile meine Ernährung so weit eingeschränkt, dass es mein Ziel war, nur Obst und Gemüse und einmal am Tag einen Teller eines warmen Gerichts zu mir zu nehmen. Mit diesen zusätzlichen Einschränkungen nahm ich wieder ab. Jedes Gramm weniger bestätigte mich darin, dass ich selbst etwas schaffen konnte und ich die Kontrolle hatte. Ich hatte kein Schönheitsideal, dem ich ähnlicher werden wollte. Es ging nur um diese Bestätigung, die ich dadurch bekam und das Gefühl, die Kontrolle zu haben, welches mir die Abnahme vermittelte. ...
© "Essstörungen: Wie die Vergangenheit Einfluss auf die Zukunft haben kann": Der Autorin Nathalie Weber und dem Verlag tredition danken wir herzlich für das Coverbild und die Texte zur Buchvorstellung von "Folge dem Kompass deines Herzens", 02/2021.
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