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"Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon."
(Augustinus Aurelius)
Mit der Lektüre nur einer Seite aber sind richtige Leseratten nicht zufrieden. Und die DDR hatte viele Leseratten, die das WELT-Buch erkunden wollten und auch einen Teil dessen erkundet haben. Doch kann so eine Leseratte die obersten Regalteile nicht erreichen, dann wählt sie ihren Lesestoff eben aus erreichbarer Höhe. Aber sie liest und liest und liest. Und genau so hatten es die Reiselustigen der DDR gemacht. Sie bereisten die Weltteile, die sie erreichen konnten.
Wie oft wurde das gefragt, wenn sie von ihren vielen Auslandsreisen erzählte. Wer unbedingt in den Alpen klettern, Paris, oder gar New York sehen wollte, der fühlte sich wohl eingesperrt. Wer stattdessen die Berge der Hohen Tatra besteigen, im Moskauer Bolschoi-Theater "Schwanensee" erleben oder am Balaton und am Schwarzen Meer seinen Badeurlaub verbringen wollte, für den gab es auch als DDR-Bürger wunderschöne Urlaubserlebnisse. Eingesperrt oder eingeschränkt? Ansichtssache! Der Leser mag selbst entscheiden.
Die Autorin Waltraud Seidel beginnt ihre Reiseerzählungen mit dem Sommer 1960. Achtzehnjährig ging es mit ihrer Schulklasse nach bestandenem Abitur über Prag in die Hohe Tatra ins Internationale Studentenlager. Organisiert von einem großartigen Klassenlehrer, jung, aktiv, reiselustig. "Wie ist die Welt so groß und schön", wie oft hatten sie dieses Lied begeistert gesungen. Und es begleitete sie ein Leben lang durch das tschechisch-polnische Riesengebirge, durchs bulgarische Piringebirge, durch ihre einstige schlesische Heimat. Auch durch Warschau, Krakau, Torun, durch Moskau und Leningrad, durch Ungarn, Rumänien bis nach Bulgarien. Und endlich im Jahre 1990 erfüllte sich ihre jahrzehntelange Sehnsucht: Einmal Wien, einmal vom Stephansdom hineinschauen in das weite Wiener Land.
Die Reiseerzählungen von Waltraud Seidel "Eingesperrt!? Reiselust und Reisefrust in der DDR" wurden als Taschenbuch vom österreichischen Karina Verlag im Mai 2019 veröffentlicht (ISBN 978-3966610483). Das 180-seitige lehrreiche Werk gibt es auch als E-Book.
Und wohin geht's im nächsten Jahr? Keine Frage! Jürgen Harts Lied "Sing mei Sachse sing" war gerade in aller Munde:
"Der Sachse liebt das Reisen sehr, nu nee nich das in' Knochen!
Drum fährt er gerne hin und her in sein' drei Urlaubswochen.
Bis nunder nach Bulgarchen, tut er de' Welt beschnarchen!"
Nun war es nicht mehr weit zum Donauknie und damit zu unserem ersten Etappenziel, der Basilika in der Nibelungenstadt Esztergom. Nibelungenstadt? Wie denn das? Ja, ja, stimmt schon, denn das Nibelungenlied erzählt vom Zug der Nibelungen von Worms nach Gran, und das ist das heutige Esztergom. Damals war das sogar die ungarische Hauptstadt. Entlang der Donau, hier Grenzfluss zwischen Ungarn und der Slowakei, erreichten wir das Donauknie. Bereits von weitem unübersehbar die mächtige Basilika oben auf der Bergkuppe, sie gilt als die größte Kirche des Landes.
Auf diesem Burgberg entstand einst der erste Königspalast, in dem der Heilige Stefan, das erste gekrönte Oberhaupt der Ungarn, geboren wurde. Hier residierten die ungarischen Könige aus dem Haus der Árpáden. Und sie hatten sich eine traumhafte Gegend dafür ausgesucht. Schwer zu entscheiden, was uns mehr beeindruckte, das massive, majestätisch anmutende, unübersehbare Gebäude mit der riesigen Kuppel in der Mitte und den vielen stützenden Säulen oder die herrlich begrünte Bergnatur.
Angelangt im Sitz des ersten ungarischen Bistums, empfing uns angenehme Kühle. Tageslicht drang durch die rund um die Kuppel angeordneten Fenster und erleuchtete den Raum. Vom Haupteingang zog es uns zuerst durch das prunkvolle Mittelschiff zum Altar, überdimensional auch das Altarbild. Es zeigt Mariä Aufnahme in den Himmel, geschaffen von Michelangelo. Alles in allem ein Bauwerk der Superlative.
1942 in Breslau geboren, musste sie als Zweijährige infolge des Krieges aus der schlesischen Heimat flüchten. Im ostthüringischen Altenburg fand die Familie nach monatelangem Umherirren eine zweite Heimat. Hier verlebte sie Kindheit und Schulzeit, die 1960 mit dem Abitur abschloss. An der Universität Leipzig studierte sie Germanistik und Slawistik und schloss 1965 mit dem Staatsexamen als Oberstufenlehrerin für Deutsch und Russisch ab. Nach Eheschließung und Geburt ihrer Tochter folgten wissenschaftliche Aspirantur und Lehrtätigkeit an der Leipziger Universität. 1977 schließlich die Promotion zum Dr. paed. im Bereich des Literaturunterrichts. Bis 1990 Lehrtätigkeit als Dozentin für Literatur am Institut für Lehrerbildung in Altenburg, danach an der dortigen Fachschule für Sozialpädagogik. Schließlich Schulbuchautorin für den Verlag Volk und Wissen/Cornelsen.
Als freie Schriftstellerin veröffentlicht sie seit 2014 sowohl Autobiografisches als auch Kinderbücher.
© Zum Buchtipp "Eingesperrt!? Reiselust und Reisefrust in der DDR" sagen wir der Autorin Waltraud Seidel und dem Karina Verlag herzlichen Dank für die Leseprobe und die Abbildung des Buchcovers, 05/2019.
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