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Dann meinte Schneider: "Ach wissen Sie, Herr Schneller, Technik hat ihre Grenzen. Wir arbeiten mit minimaler Ausrüstung, nicht mit Hightech-Spielzeugen. Aber das mit der Unsichtbarkeit gehört zu unserem Service." Dann kicherten die beiden Ermittler ein wenig.
Schneller legte das Foto von Miklisch auf den Kaffeetisch, dann nannte er den Termin des Treffens und den Ort. Und als er sich verabschiedete, hatte er wider Erwarten ein Gefühl der Beruhigung, aber das schob er auf die nette Art der beiden Herren. Der Kostenvoranschlag hatte ihn angenehm überrascht, deshalb wollte er den Versuch wagen.
+ + +
Exakt vier Tage später machte sich Schneller ein zweites Mal auf den Weg zu "Schneider & Morsky". Es war so abgesprochen worden, dass Schneller sich in etwa einer Stunde nach dem Zeitpunkt des Treffens seines Partners in der Detektei einfinden sollte, um dort direkt auf die Ergebnisse zu warten. Das war keineswegs üblich, wie Schneller wusste. Normalerweise dauerte das alles ein wenig länger. Doch als er ankam, bat ihn die nette Dame von neulich um einige Minuten Geduld. Er solle doch bitte im Wartezimmer Platz nehmen. Schneller steuerte auf einen der altmodischen lederbezogenen Stühle zu und grüßte flüchtig eine alte Frau, die in der Ecke saß und eine Handtasche auf den Knien hatte.
Es dauerte wirklich nur wenige Minuten, bis er gerufen wurde. Schneider saß schon an einer kleinen Kaffeetafel, die für drei Personen gedeckt war, aber er erhob sich und begrüßte Schneller: "Wir haben, was Sie gewünscht hatten, Herr Schneller." "So rasch? Das erstaunt mich aber wirklich. Wie in aller Welt haben Sie das nur gemacht?"
Schneider lächelte, reichte seinem Klienten eine Tasse und fragte: "Beschreiben Sie mir doch einmal die Frau, die vorhin im Wartezimmer saß." Der völlig überraschte Schneller dachte kurz nach, konnte sich aber nur an eine alte Tasche und graue Haare erinnern. Sonst an nichts. Und er musste wohl ein recht einfältiges Gesicht gemacht haben, denn Schneider lachte wohlwollend und herzlich. Er kicherte noch immer vor sich hin, als sich die Türe öffnete und die alte Frau das Büro betrat, die leicht humpelnd zu den beiden Männern an den Schreibtisch ging. Dann setzte sie sich mit einem Lächeln in den hochlehnigen Stuhl und holte aus ihrer Tasche eine kleine Kamera hervor. Schneller sah gespannt zu, wenn er auch nicht verstand, was hier vor sich ging.
Die Alte klappte nun ein Notebook auf und schloss das kleine Gerät an. "Wie Sie sehen, Herr Schneller, haben wir uns auch an die moderne Zeit angepasst. Allerdings nur so weit, wie unbedingt notwendig. Ansonsten setzen wir lieber auf die Unsichtbarkeit, nicht wahr, Franz?" Und vor den erstaunten Augen nahm die alte Frau ihre grauen Löckchen ab, worunter die Glatze von Franz Morsky zum Vorschein kam. Jetzt erkannte Schneller den rundlichen kleinen Mann auch endlich, wenn auch das Make-up den Eindruck noch ein wenig verwischte. Dann schaltete Detektiv Morsky das Gerät ein und Schneller erfuhr alles, was er wissen musste – hervorragend aus kurzer Distanz mit brillantem Bild und Ton aufgenommen.
"Sehen Sie", sagte ein hochzufriedener Albert Schneider, "die beiden waren sehr vorsichtig. Sie hätten niemanden sehr nahe an sich herangelassen. Aber die alte Frau mit ihrer abgeschabten Tasche, die direkt an dem Tisch neben ihnen stand und einen Tee trank, die nahmen sie einfach nicht als Bedrohung wahr. Die Tasche, die die umständliche Alte vor sich stehen hatte, sahen sie erst recht nicht als etwas Verdächtiges. Den großen Knopf an der Lasche sahen sie nicht, so wie sie auch die Alte nicht sahen. Sie war unsichtbar, so wie das die Alten in unserer Gesellschaft meistens sind. Das haben Sie wieder einmal bewiesen, lieber Herr Schneller. Sie konnten sich nicht an die Person erinnern, die doch sehr nahe bei Ihnen gesessen hatte vorhin im Wartezimmer. Entschuldigen Sie diese kleine Demonstration, mein Lieber."
Schneller war ein wenig beschämt, aber sehr zufrieden mit den Ergebnissen. Und er würde sie weiterempfehlen, diese beiden alten Herren, die sich auf den Zauber des Unsichtbarmachens verstanden.
© "Detektei Schneider & Morsky: Die Ermittler": Erzählung von Winfried Brumma (Pressenet), 2011. Bildnachweis: Lupe und Fingerabdrücke, CC0 (Public Domain Lizenz).
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