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Lesen Sie diese Geschichte ab dem I. Teil:
Wenn ein geliebtes Tier stirbt
Der Winter, in dem Amy, die Socke, angekommen ist, hat sich zwar widerwillig aber stetig in eine Art Vorfrühling verwandelt. Amy hat mittlerweile viel gelernt – aber nicht nur sie, sondern auch der Mensch, der am anderen Ende der Leine hängt. Es klingt vielleicht wie eine Binsenwahrheit, aber tatsächlich ist "kein Hund wie der andere". Jeder einzelne dieser erstaunlichen Spezies ist ein Individuum mit Eigenarten und Macken, Vorlieben und Aversionen, genau so wie seine menschlichen Bezugspersonen. Das weiß man zwar, aber vor Überraschungen ist man nie sicher.
Der vorige, geliebte und geschätzte Vierbeiner liebte Wasser und alles was damit verbunden war, über alles. Jonah, die Retrieverdame, hüpfte freiwillig und begeistert in die Badewanne, wenn es denn nötig war, weil das Wälzen in nicht gerade blumig duftenden Sachen eine Leidenschaft von Hunden jeder Art ist. Amy gibt sich dieser Beschäftigung ebenfalls sehr leidenschaftlich hin – von den Konsequenzen hält sie allerdings überhaupt nichts. Um die Badezimmertüre macht sie einen großen Bogen, und das Abduschen nach hundemäßiger Parfümierung im Wald wird zum Kraftakt. Zwar wiegt die Hündin nicht mehr als 20 kg, aber beim in die Wanne heben sind es gefühlte vierzig Kilo. Mindestens. Außerdem scheint dieser Hund ausfahrbare Saugnäpfe an den Pfoten zu haben, mit denen er sich an den Fliesen festsaugen kann. Jedenfalls ist das zierliche Hundchen kaum vom Boden zu lösen.
Das Schamponieren (geht nach dem Einstinken nicht anders) wird dann zwar mit Todesverachtung ertragen, aber schon beim Trockenfrottieren lässt Amy keinen Zweifel daran, dass sie tödlich beleidigt ist. Ihr Schwanz, der bei liebevollem Unsinnreden von vertrauten Menschen normalerweise in schwungvolle Bewegung gerät, ist wie festgetackert und schwingt kein bisschen. Da helfen nicht einmal mehr Leckerlis – jedenfalls nicht gleich. Es dauert mindestens eine halbe Stunde, bis Madame geruht, einen Kaustreifen oder Hundekräcker anzunehmen. Immer noch ohne Wedeln. Dass man ihr Verhalten komisch findet, versteht die gekränkte Diva überhaupt nicht und trotzt noch eine ganze Weile vor sich hin.
Allerdings gibt es ein Mittel, das sofort hilft: Leine und Geschirr vom Haken nehmen. Schlagartig erleidet Amy einen Gedächtnisverlust, was das Badezimmer angeht, und alles ist vergessen und vergeben. Ausgehen ist ihre Leidenschaft, wie das nun einmal bei allen Hunden der Fall ist. Amy liebt Städte nicht besonders, sie kommt aus einer eher ländlichen Gegend. Sie hat sich zwar ganz gut an den Straßenverkehr gewöhnt, aber erst, wenn Wiese und Wald in Sicht kommen, ist sie wirklich so richtig glücklich.
Sie kennt mittlerweile jeden Park und jedes Waldstück in der Umgebung, und je nach der Wegrichtung, die eingeschlagen wird, weiß sie genau, wo es hingeht. Wahrscheinlich hat sie einen ganz eigenen Stadtplan im Kopf, der vor allem aus Bäumen und Wiesen besteht. Ist man erst einmal da angekommen, wo das wahre "Hundeleben" spielt, ist von Zurückhaltung keine Rede mehr. Auf den täglichen Touren hat die Socke viele Hunde und Menschen kennen gelernt und vor allem sehr viele Freunde gefunden.
Selbst der sportlichste Mensch kann seinem Hund das nicht bieten, das er vor allem braucht: das Rennen und Toben mit Artgenossen. Da wird gerannt, geknurrt, gebissen, übereinander gekullert – alles spielerisch und in bestem Einvernehmen. Die Menschen haben auch viel Spaß dabei – es ist herrlich, spielenden Hunden zuzusehen. Warum sich so viele Hundehalter diese Freude versagen, bleibt unbegreiflich – aber an Amys Lieblingsplätzen wird damit sehr entspannt umgegangen.
Trifft man auf einen fremden Hund, wird gleich im Vorfeld geklärt, wie der Vierbeiner reagiert und dementsprechend abgeleint oder eben weitergegangen. Meist kommt der Standardsatz: "Er/Sie ist freundlich, will nur spielen." Dann steht der Gaudi nichts mehr im Wege. Überängstliche Herrchen begegnet man mit Rücksicht – wenn es auch schade ist, wenn den betreffenden Hunden der Spaß versagt wird. Natürlich gibt es auch alte, kranke oder vielleicht anders beeinträchtigte Hunde – das ist keine Frage. Aber da gehen die Menschen rücksichtsvoll um und die Vierbeiner eben auch. Es ist erstaunlich, wie sehr sich gut sozialisierte Hunde anpassen.
Wenn Amy es mit einem eher kleinen Artgenossen zu tun hat, ist sie weniger wild im Spiel, als es das mit einem größeren Hund der Fall wäre. Ältere Hunde respektiert sie und nimmt deren gelegentliche Zurechtweisungen hin, wie sich das unter ihresgleichen gehört. Ohne besonderes Training zeigt die Socke ein sehr gutes Sozialverhalten – sie hat es "einfach drauf". Aggressiv wird sie nicht beim Spielen – sie kommt mit jedem Hund klar, unabhängig vom Geschlecht. Es ist immer ratsam, erst einmal abzuklären, ob der fremde Hund sich für eine zünftige Balgerei eignet – da wendet man sich an den Menschen, der die Leine hält. Aber die Erfahrung zeigt, dass wild bellende Berserker sich, nachdem sie abgeleint sind, meist in begeisterte Spielkameraden verwandeln.
Das ist nur dann nicht der Fall, wenn etwas falsch gelaufen ist. Überängstliche Hunde, die böse Erfahrungen gemacht haben, sehr dominante Hunde, die nicht sehr sozial geprägt sind, oder eben leider Hundehalter, die nicht wissen, dass ihr Hund ein überaus soziales Wesen ist und ihren Bello eilig kurznehmen und fortziehen. Das ist sehr schade – denn die soziale Grundeinstellung unserer pelzigen Freunde ist ansteckend. Wer mit einem Hund unterwegs ist, lernt viele interessante Menschen kennen. Die Hunde spielen, die Menschen freuen sich und tauschen sich aus. Natürlich sind die Vierbeiner Thema Nummer Eins dabei – aber man lernt sich kennen und stellt noch weitaus mehr Gleichheiten fest: Hunde können Freundschaften stiften, das steht außer Frage.
Amy trägt meist farbige Halstücher, erstens weil das putzig aussieht und signalisiert, dass der Hund ein "Lieber" ist. Eigentlich nicht wirklich logisch, aber die Wirkung ist nun einmal so. Es ist nicht schön, wenn Leute ihre Kinder grob an sich reißen, nur weil man mit einem Hund unterwegs ist. Und überhaupt nicht gut für die Kleinen. Jedenfalls ist Amy mit ihren hübschen Schals immer für ein Lächeln oder eine nette Bemerkung gut.
Zu ihrem lohbraunen Fell stehen ihr Signalfarben hervorragend – und draußen an ihren Lieblingsplätzen ist sie bekannt "wie ein bunter Hund". Man erkennt sie von weitem und lässt den eigenen Hund schon mal laufen – und man muss gesehen haben, wie so ein Fellblitz über die Wiese fliegt – auf den Spielkumpel zu. Die Hunde bilden sofort ein Knäuel aus Ohren, Beinen, Pfoten und Schweifen – während die Menschen eher gemächlich näherkommen und dann Neuigkeiten austauschen darüber, was so im "Revier" gerade anliegt.
Ein Hund ist nicht unbedingt billig – Futter, Zubehör, Tierarzt, Steuer usw. – aber der Spaß, den man sich damit bietet, ist unbezahlbar. Und Amy ist sowieso etwas ganz Besonderes.
Das Video zeigt Amy, der Wundertütenhund, und ihren besten Kumpel Rocky beim Toben.
© "Mit dem Hund unterwegs: Freundlichkeit ist ansteckend": Text, Foto und Video von Winfried Brumma (Pressenet), 2013.
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