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Manche Dinge oder Lebewesen stellen sofort einen magischen Bezug her – irgendwie hat man da etwas im Gedächtnis oder auch im Gefühl, das den Moment der Begegnung zu etwas Besonderem macht. Da wäre zum Beispiel die Weide (Salix) – sie steht oft an Bach- oder Flussufern und sieht auf eine besonders idyllische Art sehr anheimelnd aus. Das mag an den vielen, vielen Gemälden und Aquarellen liegen, auf denen Weiden am Bach zu sehen sind. Man könnte den Eindruck haben, diese besonderen Bäume sind die meistportraitierten ihrer Art – und das muss wohl einen Grund haben.
Die botanischen Fakten interessieren hier nicht sehr – es geht einfach um die Weide als Sympathieträger, und das ist sie wohl. Das Holz dieser Bäume ist sehr biegsam, es kann leicht verarbeitet und geformt werden und wurde deshalb für das Korbflechten bevorzugt benutzt, wo es verfügbar war.
Es gibt unzählige Gedichte über die Weide – und ebenso viele Mythen. Da galt sie als ungutes Gewächs, als Baum der Hexen und der üblen Zauberei. In Tolkiens Ringtrilogie gibt es eine sehr böse alte Weide, die über magische Kräfte verfügt. Sie schläfert unachtsame Wanderer ein, indem sie einen Müdigkeitszauber über sie wirft, um sie dann mit ihren Wurzeln zu umschlingen und zu erdrücken. Zwei der sich auf großer Fahrt befindenden Hobbits geschieht genau das – und sie werden nur gerettet, weil ein alter Magier den Zauber bricht. Aber es gibt auch Gutes über die Weide zu hören: man schrieb ihr auch Heilkräfte zu – und tatsächlich ist Weidenrinde ein moderates Fieber- und Schmerzmittel. Der Absud wurde benutzt wie heute das Aspirin, und schließlich ist der Wirkstoff der Weide ja auch nichts anderes. Da der Baum in Verbindung zum Wasser steht, wurde er dem Mond zugerechnet und gilt deshalb eigentlich als weibliche Kraft.
Heute befassen sich viele Menschen mit der alten Baummagie der Kelten, oder zumindest mit einer Art Rekonstruktion. Beim Baumalphabet, oder auch Baumorakel, kommt der Weide eine besondere Stellung zu. Da lesen wir zum Beispiel, dass die Weide als Baum der Inspiration gesehen werden kann, zum Beispiel für Barden oder andere Künstler. Da sie dem Wasser nahe steht – Weiden stehen manchmal zum Teil im Wasser, ohne dass ihr Holz fault – hat sie großen Einfluss auf die Gefühle, damit natürlich auch auf die Kunst. Den Austausch soll sie fördern, den Übergang in die Anderswelt erleichtern – hier kommt das uralte Bild vom Fluss in die Anderswelt zum Tragen. Die griechische Göttin Persephone soll in ihrem Unterwelthain Weiden gehabt haben, das weist auf große Bedeutung als Pfortenbaum hin – in der Nähe dieser Bäume sind die Barrieren zwischen den Welten, so heißt es in manchen Legenden, weniger fest.
Wo Weiden sind, ist Magie. Was ist der Austausch zwischen Menschen, der wirkliche Austausch, denn auch anderes? Magie kommt ohne empathisches Empfinden nicht aus – und das hat seit jeher das Wasser erleichtert. Auch die Hellsicht gehört dazu, es gibt magische Überlieferungen, die sich auf das "Sehen" beziehen, das sich einstellt, wenn auf eine glänzende Wasseroberfläche gestarrt wird. Diese Art der Meditation war wohl das gleiche wie das heutige Kristall- oder Spiegelsehen.
Schöne Bäume an einem Bachlauf geben ein wunderschönes Bild ab, aber immer steckt mehr dahinter. Mythen und Geschichten gibt es von fast allem, was wächst und lebt, und erstaunlicherweise gleichen sie sich oft, auch wenn es sich um Überlieferungen anderer Völker handelt. Bäumen kam bei unseren Vorfahren eine sehr große Bedeutung zu, die weit über die Verwendung als Nutzholz hinaus ging. Niemand muss zu einer Art "Retro Druide" werden oder zu einer "Weisen Frau", um die verschiedenen Verknüpfungen und Entsprechungen der Legenden und Mythen spannend zu finden.
© "Baummagie: Weiden am Bach": Textbeitrag zur Magie der Bäume von Winfried Brumma (Pressenet), 2013. Bildnachweis (oben und unten): Weiden am Uferweg, CC0 (Public Domain Lizenz).
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