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Mit zwanzig Erzählungen, zu je durchschnittlich zwanzig Seiten, präsentiert der Homburger Hybrid-Verlag in seinem Anthologie-Band "Dämonenritt" ausgewählte Psycho-Horror-Geschichten. Der Herausgeber wünscht im Vorwort "atemberaubende und haarsträubende Lesemomente". Ob wir uns richtig gruseln konnten, lassen wir euch nachfolgend wissen.
Es gibt mittlerweile so viele Horror-Unterarten wie Blutgruppen, möglicherweise mehr. Aber ganz gleich, was die Fans vorziehen: der Psycho-Horror ist die Königsklasse.
Es geht nicht um vordergründige Schockmomente, wie etwa verstreute Leichenteile in einer Krypta, dazu ein lüsterner Vampir oder Werwolf. Beim Psycho-Horror kommt die Art des Schauderns meist eher leise daher, auf lautlosen Sohlen und bei Einbruch der Dämmerung. Und vor allem wirkt sie nach. Das geniale an dieser Art der Horror-Literatur ist, dass in fast jedem von uns tief drinnen etwas antwortet auf diese Geschichten. Man tut sie nicht ab, nachdem alle Opfer tot sind und das Blutbad getrocknet ist. Sie wirken nach. Das Schreckliche kommt oft mit ganz alltäglichen Dingen unbemerkt in unser Leben. Und dann wird es wirklich unheimlich.
Greifen wir aus den 20 Erzählungen nur einige heraus. Da wäre diese Frau. Eine ganz normale Hausfrau (da fängt der Grusel schon an), die einem Dämon ein Zuhause ist. Nur hat der Höllenbote sich etwas vertan, denn man sollte eben ganz normale Hausfrauen niemals unterschätzen. Der Titel "Dämonenritt" kann wohl auf mehrere Arten ausgelegt werden, wie der Leser erkennen wird.
Hat nicht jeder ein wenig Angst vor der ersten Begegnung mit der künftigen Schwiegermutter? Das ist nicht ungewöhnlich, denn Mama möchte immer, dass es ihrem Töchterchen gut geht und dass sie einen anständigen Mann bekommt. Wenn nicht, hat Mama so ihre Möglichkeiten. Oh ja, sie tut alles für das Lebensglück ihrer Tochter. Ob diese das nun verdient oder nicht. Mutterliebe eben. Das bedeutet manchmal: Liebe bis aufs Blut. "Die Puppenmacherin" zeigt das wahre Wesen der Liebe auf. Jedenfalls könnte man das so sehen.
Gespenstergeschichten sind immer beliebt, und das hat seinen Grund. In Küssnacht geht ein Mörder um, der unsichtbar ist und der eigentlich gar keiner ist. Der Ermittlungsbeamte und die Fachfrau nebst jungem Beamten erleben eine besondere Art der Zeitreise, die für alle Geschichtsbücher eine Blamage wäre, kämen jemals Einzelheiten dieser Spuknacht ans Licht. Doch wer die Dinge richtig stellen will, bezahlt nicht selten mit Blut und Leben. "Spuk in Küssnacht" ist eine Spukgeschichte der besonderen Art.
In "Fantasie ohne Gesicht" wird es wirklich horribel, denn diese Geschichte um Gewalt, Vergeltung und kaltem Kalkül greift auf das zu, das in jedem von uns steckt. Der Drang zur Vergeltung, der sich in ziellosem Um-sich-Schlagen oder sogar Töten Bahn bricht, ist etwas, das schon Kleinkinder kennen. Da wird allerdings ein Spielzeug an die Wand geworfen, wenn man sich das Knie angeschlagen hat. Bei einem Erwachsenen aber kann es zu einer Katastrophe kommen. Bis, ja bis das Kalkül einsetzt und die Energie in eine bestimmte Bahn lenkt. Und wer das nicht einfach so schafft, der findet vielleicht einen Game-Master, der die Dinge regelt. Möglicherweise regelt. Eine Geschichte, die lange nachklingt und tatsächlich das Zeug hat, so einiges hinterfragen zu lassen.
Alle Geschichten sind auf ihre Weise besonders unheimlich, so wie zum Beispiel die von einem Arzt, der nur helfen möchte. Also der Menschheit im großen Stil das Leben erleichtern möchte. Seine Patienten fragt man allerdings besser nicht, wie es um seine Menschenfreundlichkeit bestellt ist. "Der Sandmann" bringt mit Sicherheit keinen ruhigen Schlaf.
"Dämonenritt" ist ein durch und durch gelungener Band für alle Freunde des Genres Psycho-Horror: Geboten werden zwanzig intelligente und einfallsreiche Geschichten, die stets ein überraschendes Ende haben. Die überdurchschnittlich gute Anthologie ist nicht nur ein Leckerbissen für die Zeit der Dämmerung und erzeugt eine gehörige Portion Gänsehautmomente.
Dem Verlag gebührt unser Respekt für die treffliche Wahl – so ein Projekt ist sicherlich nicht einfach zu realisieren.
Unsere Empfehlung: Der Anthologie-Band "Dämonenritt und 19 weitere Kurzgeschichten" wurde im Oktober 2021 im Hybrid-Verlag als Taschenbuch (408 Seiten) sowie auch als E-Book veröffentlicht (Kindle, E-Pub, Mobi). Vom Verlag empfohlenes Lesealter: ab 12 Jahren.
Diana Kricheldorf – Dämonenritt
Yvonne Quasdorf – Die Puppenmacherin
Detlev Jänicke – Das sonderbare Glück des Edgar Raabe
Thomas Strohmeyer – Der Mann, der sich einschloss
Thomas Bilicki – Der Götze
Monika Grasl – Am Abgrund stehend
Bernd Wicik – Fantasie ohne Gesicht
Christian Tobias Krug – Nachts, wenn das Dunkel erwacht
Rudolf Arlanov – Ich, Gideon Trachmann, Pyroaktivator
Benedikt Tremp – Der Vortrag
Olaf Lahayne – Spuk in Küssnacht
Rainer Wüst und Nadine Muriel – Der Sandmann
Silke Katharina Weiler – Backspace
Johanna Theresa Hellmich – Perfektion ist nicht genug
Veith Kanoder-Brunnel – Die Stille der Sternenwölfe
Karlheinz Bauer – Dreh dich nicht um!
Jo Lenz – Die Lichtung
Tomas Schauermann – Drynwen
Kevin Keller – Oneirotaxia
Katrin Biasi – Letztes Örtchen
© Besonders unheimlich: Der Kurzgeschichten-Band "Dämonenritt": Eine Rezension von Izabel Comati und Winfried Brumma (Pressenet), 12/2021. Dem Hybrid-Verlag danken wir herzlich für das Rezensionsexemplar und für die Verwendung der Buchcover-Abbildung.
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