Barbie – Petra – Peggy: Wie alles begann

Die Sache mit der "Ersten"

Modelpuppe erste Barbie

Modelpuppe erste Barbie

Die 1960er-Jahre brachten viel Neues, auch für die Kinder. Wir Mädchen hatten Schildkröt-Puppen und Kaufläden oder Puppenstuben. Damit spielten wir nach, was wir sahen und erlebten.

Unsere "Kinder" wurden schlafen gelegt und im Puppenwagen gefahren, an- und ausgezogen und innig geliebt. Teddybären wurden gedrückt 💓 und beschmiert und waren unverzichtbar.

Währenddessen wurde in Amerika ein für alle Mal das Spielverhalten verändert – jedenfalls für Mädchen. Die erste Barbie war in die Produktion gegangen und stöckelte auf ihren Heels vorwärts. Und war nicht aufzuhalten.

Das Mannequin für das Kinderzimmer hatte Figur, im wahrsten Sinne des Wortes. Zu dieser Zeit gab es noch Anzeigen in den Zeitungen, die Hilfe versprachen, wenn man zu dünn war. Kein Thigh Gap zwischen den Oberschenkeln – und wenn, dann verbargen die knielangen Röcke das. Für kleine Mädchen war das Frau-sein noch eine geheimnisvolle Sache.

Barbie mit Sonnenschirmen

Barbie mit Sonnenschirmen

Die Großen hatten sehr interessante Dinge. Da waren diese unwiderstehlichen Pumps. Fast alle Mädchen humpelten in den Heels ihrer Muttis auf dem Parkettboden herum und bekamen Ärger deswegen. Hüfthalter und Strümpfe, die mit Strapsen daran festgemacht waren, gehörten zum Ritual der Frauen. Zu der Zeit unterschieden sich die Kleider von Kindern und Erwachsenen noch sehr. Heute ist das kaum mehr der Fall. Sieht man von Babysachen einmal ab.

Die erste Barbie im Badeanzug

Das Jahr 1959 ging für uns Kinder hier in Deutschland noch mit Baby- und Sprechpuppen zu Ende. In Amerika debütierte zu dieser Zeit Barbie. In Rotblond oder Brünett kam das erste Model in gestreiftem Badeanzug ☀ über den Laufsteg gestöckelt und übernahm das Kommando im Kinderzimmer der Mädchen.

Barbie im Wald

Barbie im Wald

1964 schwappte diese Welle dann nach Europa. Und auch hier wurden viele Schlummerle (weiche Babypuppen von "Schildkröt") in ihren Wiegen vergessen. Ich erinnere mich an meine erste Model-Doll. Das war keine Barbie, sondern eine Petra. Uns Mädchen war das egal – was wir in den Kaufhäusern wie Woolworth sahen, waren "Barbies". Literatur

Diese Plastiknachahmungen, auch Clones genannt, waren eine Revolution. Die Qualität war sehr viel minderer, denn die Körper bestanden aus hohlem Plastik. Wenn man eine Petra hinsetzte, klappten die Beine in den Spagat, was nicht sehr elegant aussah. Das störte mich beim Spielen zwar, aber Kinder sind da flexibler. Im Gegensatz zum Original war das Gesicht weniger gut herausgearbeitet, ebenso ließ die Struktur der Haare zu wünschen übrig. Das alles störte uns Kinder nicht, wir waren hingerissen.

Dafür kostete eine Petra weniger als eine Barbie. Der Preis war damals 3,95 DM je Puppe und ebenso viel für die Moden. Die waren mehr oder weniger gute Kopien der Barbie-Kleider. Später zogen andere Firmen nach und verkauften günstigere Anziehsachen. Aber erst einmal mussten unsere Puppen mit wenig Garderobe auskommen.

Barbie-Paar

Barbie-Paar

Barbie darf alles

Meine Petra hatte einen hellblonden Pferdeschwanz und ein gelocktes Pony. Oma kaufte gleich ein Kleid mit. Ich weiß noch, dass es ein schulterfreies, weißes Kleid mit enger Taille war. Der Stoff war winzige Spitze und dazu kam ein Bolero-Jäckchen. Das knielange Ensemble sah elegant aus – und es regte meine Phantasie an.

Zuhause betrachtete ich hingerissen diese winzige Frau, die auf Heels da in mein Leben getrippelt war. Sie durfte alles, was ich nicht konnte. So zum Beispiel fernsehen bis zum Programmschluss. Und Tanzen gehen.

Davon hatte ich zwar nur eine vage Vorstellung, aber es war etwas, das die Großen taten. Also war es toll. Und die Filme, die damals in den beiden einzigen verfügbaren Programmen liefen, versorgten uns Mädchen mit Welten für unsere Petras.

Mattel® brachte in Folge neue Modelle von Barbies heraus. Die Frisuren änderten sich und der Gesichtsausdruck auch. Nur die ersten Barbies hatten diesen frechen Blick aus den Augenwinkeln heraus. Später sahen sie nach vorne. Petra änderte sich ebenfalls.

Als Barbie die Beine knicken konnte, gab es eine Petra, die in den hohlen Beinen einen dicken Draht hatte und somit biegbar war. Zum Spielen war das großartig. Bei zu starkem Gebrauch brach der Draht allerdings irgendwann, und die Puppe wurde invalide. Alles, was Mattel® in den USA herausbrachte, gab es hier in Europa auch – mit Abstrichen, sozusagen.

Barbie auf Couch

Barbie auf Couch

Was immer wir Mädchen taten, unsere Model-Doll war mit dabei. Wir saßen in Höfen und Gärten, um uns herum unsere Barbies und Skippers oder Petras und Peggys mit ihren Habseligkeiten ausgebreitet. Die Puppen reisten immer mit großem Gepäck – sie hatten praktisch alles dabei, was dazugehörte. Einen Puppenkoffer, wie man ihn für Barbie und Co kaufen konnte, hatten die wenigsten von uns. Unsere Damen reisten oft in Plastiktüten.

So manches Mädchen plünderte ihr altes Puppenhaus, um ihrer kleinen Freundin etwas mehr Komfort zu verschaffen. Der Maßstab passte nicht immer, aber unsere Phantasie glich das großzügig aus.

Wessen Eltern sich weigerten, jede Woche Klamotten für Puppen zu kaufen, musste kreativ sein. Wir tauschten und machten Versuche mit Nadel und Faden. Was dabei herauskam, war nicht laufstegmäßig, aber wir fanden es toll. Außerdem waren bald Moden für 30cm-Puppen auch von anderen Firmen zu haben. Für weniger Geld als die Petra-Sachen. Oder gar Barbie-Kleider.

Barbie in der geheimnisvollen Welt der Großen

Die Welt der Erwachsenen und die Welt der Kinder war strikter getrennt in diesen Zeiten. Das könnte man als Vorteil sehen, wenn man will. Die Welt der Großen war geheimnisvoll und noch weit weg, wenn wir sie auch in unseren Spielen simulierten. Und unsere 1:6 Puppen halfen uns beim herantasten.

Barbie mit blonden Haaren

Barbie mit blonden Haaren

Damals war uns Kindern nicht klar, was die Barbie oder Petra für Gegner in der Erwachsenenwelt hatten. Wir hätten es auch kaum verstanden. Die übertriebenen Maße waren uns egal. Sinn für Proportionen hatten wir da kaum. Die Puppen waren erwachsen – das war's. Und sie taten interessante Dinge, die wir nicht tun durften. Und sie hatten niemanden, der ihnen etwas verbot.

Kinder, die noch keine zehn Jahre alt waren, hatten kaum Mitspracherecht bei ihrer Kleidung. Man zog an, was die Eltern wollten, und damit basta. Fast alle Mädchen wollten Krankenschwester werden. Und voila – Mattel® brachte eine Barbie in Schwesternuniform heraus. Später gab es kaum Berufe, die Barbie oder Petra oder die vielen Clones nicht ergriffen. Barbie und ihre Verwandten waren Begleiter in die Welt, die vor uns lag.

Bei Jungs war das ähnlich. Nur hatten sie eben andere Scouts.

© "Barbie Petra Peggy: Wie alles begann": Textbeitrag und Abbildungen: Izabel Comati (Pressenet), 2015.
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