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Im Oktober 2020 kontaktierte uns der Autor Chris Chirdall und fragte um eine Rezension zu seinem Debütroman. Allein schon von den Textproben auf seiner Autorenseite waren wir regelrecht verzaubert. Diese reizvolle Geschichte mussten wir uns näher anschauen.
"Fuyu" bedeutet "Winter". Und das ist der Name der jungen Japanerin, die von einer hoffnungsvollen Musikstudentin und begabten Cellistin zu einem Menschen wurde, der ständig in einem Zwischenreich lebt. Warum sie ihr Instrument nicht mehr anrühren kann, weiß Fuyu nicht. Aber sie weiß, dass sie alles verlieren wird, was sie sich erarbeitet hat, wenn sich nichts verändert.
Ihre Eltern unterstützen sie, wo immer es geht, obwohl auch sie durch ihre eigene Winterlandschaft gehen müssen. Denn das ist das Leitmotiv – anders gesagt, der ständige Begleiter des Lesers in dieser Geschichte. Der Liederzyklus "Winterreise" von Franz Schubert wird für Fuyu zu einer Art Besessenheit – zu etwas, das sie geradezu zwanghaft immer wieder hört und worüber sie ständig nachdenkt. Dieses Werk Schuberts ist melancholisch, traurig, sanft und gegen Ende tatsächlich endgültig.
Die Eltern leben das Leben privilegierter Menschen im modernen Japan. Fuyus Vater hat eine sehr wichtige Position in einer Firma inne, dort hat er auch eine Liebschaft begonnen. Dass er Herzprobleme hat, ignoriert er weitgehend. Die Mutter funktionierte über viele Jahre, ließ die Konfrontation nicht zu. Doch ist auch sie Künstlerin, was sie fast vergessen hatte.
So sieht es aus, das Leben dreier Menschen – bis da jemand einbricht in diese Winterlandschaft, in der vieles erstarrt ist. Ein namenloser Mann mit einer Gitarre, der irgendwo aufgefunden wird und keine Ahnung hat, wo er herkommt und wer er ist. Sein Gedächtnis ist praktisch ausgelöscht.
Diesem Mann begegnet Fuyu, und sofort ist sie fasziniert. Der Gitarrist ist ein sonderbarer Mensch, geduldig und freundlich, aber auch irgendwie "nicht von dieser Welt". Fuyu will helfen, und stößt auf ein Bild, ein Gemälde. Es zeigt genau diesen erinnerungslosen Mann, den sie gerade kennengelernt hat – und das ist allein vom Zeitrahmen her eigentlich nicht möglich. Was für ein Geheimnis hat er, der Fremde, der die junge Frau wieder mit der Welt verbindet?
Und ab da machen Fuyu und der Gitarrenmann die Reise gemeinsam, um herauszufinden, wer er ist. Was für die junge Frau ein Weg durch eine tote Landschaft geworden war, wird zu einem Wintermärchen, in dem ihre Eltern eine ebenso überraschende Rolle spielen wie der geheimnisvolle Fremde.
Der Autor Chris Chirdall beschreibt das Leben in einer japanischen Großstadt so lebendig, dass man meint, man sei ebenso eingequetscht zwischen den Pendlern wie Fuyu, oder man schlendere durch die Stadt, um einen Imbiss zu nehmen. Man ist sofort dabei, begibt sich mit den Protagonisten in die Winterwelt ihres eigenen Lebens und hört Schuberts Lieder als traurige Untermalung. Der einzige farbige Punkt ist der Mann mit der Gitarre – der von irgendwoher kam, um... Nun, das lesen Sie besser selbst. Irgendwann schmilzt die Schneedecke und was sich dann zeigt, ist kein üppiger Orchideengarten, aber die zarten Spitzen von etwas Neuem. Etwas Gutem.
Fazit: "Fuyu: Eine japanische Winterreise" ist eine unwiderstehlich schöne Geschichte, die hervorragend erzählt ist und für die wir eine klare Leseempfehlung mit ⭐⭐⭐⭐⭐ Sternchen aussprechen möchten.
Chris Chirdall hat seinen Roman im März 2020 in Eigenregie herausgegeben. Als Taschenbuch umfasst die Geschichte 284 Seiten (ISBN 979-8629274209). "Fuyu: Eine japanische Winterreise" ist auch als E-Book erhältlich.
© "Wie eine Winterreise zu einem Wintermärchen wird": Die Rezension der Woche wurde verfasst von Izabel Comati und Winfried Brumma (Pressenet), 11/2020.
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