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In stiller Abgeschiedenheit von der Welt lebt die Gräfin von Neuhof in ihrem großen Haus und ergeht sich in geistlichen Betrachtungen. Umgang pflegt sie nur mit einem frömmelnden Baron, der sie in ihrer lebensabgewandten Haltung bestärkt. Doch warum in aller Welt führt die alte Dame ein so trostloses Dasein, anstatt sich ihren Lebensabend durch die Gegenwart ihrer Tochter und das fröhliche Lachen ihrer Enkel versüßen zu lassen?
Der Beantwortung dieser Frage liegt ein dunkles Verbrechen zugrunde, das wie ein Fluch über der gräflichen Familie liegt.
Unglaubliches musste die arme Comtesse Louise, die Tochter des gräflichen Paares, schon erdulden. Von ihren eigenen Eltern verstoßen, wurde sie zum Spielball skrupelloser Menschen, die vor keinen noch so finsteren Machenschaften zurückschrecken, um an ihr lang gehegtes Ziel zu gelangen.
Unsere Leseempfehlung: Der Roman "Adeline" von August Schrader, dem Meister des gepflegten Intrigen-Romans, wurde erstmals im Jahr 1866 veröffentlicht. Für die vorliegende Neuveröffentlichung hat der Quality Books Verlag das Buch umfassend überarbeitet und sprachlich modernisiert. Die Neuveröffentlichung als E-Book erfolgte Ende August 2023.
Zitternd schlich ich die Treppe hinab. Ich kannte die für die Nacht getroffenen Einrichtungen nicht und fürchtete, auf einen Wächter zu stoßen. Aber das Glück war mir hold, ich erreichte den Hausflur und die Tür, die in den Garten führte. Leider war diese Tür verschlossen; sie widerstand allen Versuchen, die ich machte, um sie zu öffnen. Da war mein Plan schon gescheitert. Wie sollte ich in den Garten kommen? Sämtliche Fenster waren mit Eisen vergittert und die zweite Tür, die sich zeigte, führte in den von Gebäuden eingeschlossenen Hof.
Sollte man mich in eine Schlinge gelockt haben? Oder sollte der Mann, der mich zu fliehen veranlasst hatte, nicht alle zu beseitigenden Hindernisse bedacht haben? Wenn man den Fluchtversuch als Vorwand benutzte, um mich in engem Gewahrsam zu halten ... dieser letzte Gedanke erfüllte mich mit Entsetzen. Ich wollte den Rückweg antreten ... da wurde von außen ein Schlüssel ins Schloss gebracht ... vorsichtig, leise ... und leise öffnete sich die Tür ... Der Schreck hatte meine Glieder gelähmt, ich musste mich an die Wand lehnen ...
"Madame Born!", flüsterte eine Stimme.
Als ich nicht antwortete, fuhr der Mann leise und vorsichtig fort: "Vertrauen Sie sich mir getrost an, ich habe für diese Nacht die Wache ... kommen Sie, es muss jeden Augenblick eins schlagen. In zehn Minuten werde ich abgelöst."
Ich erkannte denselben Mann, der mir den Brief gebracht hatte.
Schweigend folgte ich ihm. Er schloss kaum hörbar die Tür. Die Vorsicht, die der Mann anwandte, gab mir den Mut, mich ihm völlig anzuvertrauen.
"Sie sind doch Madame Born?", fragte er noch einmal.
"Ich bin dieselbe, der Sie das Briefchen überbracht haben."
"Vermuten Sie, dass jemand Sie bemerkt hat?"
"Nein."
"Gut, so werden wir unangefochten das Ziel erreichen."
Wir gingen weiter. Mein Führer wählte Wege, die von Bäumen bedeckt wurden. Je mehr ich mich vom Haus entfernte, desto leichter wurde mir das Herz. Ich hoffte, Born zu sehen, der ohne Zweifel nur eine Geisteskrankheit simuliert hatte, um mich zu befreien. Ach, ich konnte ja die Fäden der mich umspinnenden Intrige nicht durchschauen. Zitternd betrat ich die Laube; der Raum war kühl und völlig dunkel.
"Muss ich hier warten?", fragte ich den Führer.
"Wir werden sehen."
"Bringen Sie mich so rasch wie möglich ins Freie."
"Gedulden Sie sich einige Augenblicke."
Wir standen schweigend nebeneinander. Neue Angst bemächtigte sich meiner, als der Führer nicht von der Stelle wollte. Da zeigte die Uhr die erste Morgenstunde an.
"Jetzt können wir gehen!", murmelte der Mann. "Ich muss genau nach den getroffenen Verabredungen handeln, um ein Misslingen Ihrer Flucht zu verhüten. Der Doktor ist ein strenger und schlauer Mann."
"Was werden Sie tun, wenn man mich morgen vermisst?"
"Ich weiß es nicht."
"Sie erwerben sich hohe Ansprüche auf meine Dankbarkeit. Nennen Sie mir Ihren Namen, dass ich später Gelegenheit nehmen kann, Sie würdig zu belohnen. Für den Augenblick bin ich arm, aber ich hoffe, dass meine Lage sich bald ändern wird."
Der Führer drückte mir ein Papier in die Hand.
"Lesen Sie diese Zeilen", flüsterte er, "sobald Sie sich in Sicherheit befinden. Wollen Sie meiner gedenken, so verrichten Sie ein gutes Werk, denn ich habe den Wärterposten in diesem Irrenhaus angenommen, weil ich mich in großer Not befand."
Der Mann sprach in so gewählten Ausdrücken, dass ich annehmen musste, er besitze eine Bildung, die ihn zu einer besseren Stellung im Leben befähige. Ich versprach ihm Hilfe, sobald ich sie gewähren könne.
Wir hatten inzwischen den Teil des Gartens erreicht, der zum Gemüsebau benutzt wurde. Dann betraten wir ein dichtes Gebüsch und kamen an die hohe Bretterwand. Mein Führer suchte einige Augenblicke, dann erschloss er eine Tür und sagte:
"Gehen Sie hinaus, Madame Born! Sie sind nun frei ... reisen Sie glücklich!"
Kaum hatte ich den Fuß über die Schwelle gesetzt, als die Tür geschlossen wurde.
"Louise!", rief eine Stimme.
"Wer ist da?"
"Louise! Louise!"
"Bruno, bist du es?"
"Wer anders könnte es wohl sein!"
Ich lag an seiner Brust, fühlte seine Lippen auf den meinigen brennen und hörte sein Schluchzen. Die Freude des Wiedersehens raubte mir fast die Besinnung. Born musste mich halten, damit ich nicht zu Boden sank. ...
Mehr von August Schrader und über den Verlag "Quality Books" in Hameln lesen Sie hier auf unserem Portal: Klassische Literatur neu entdeckt.
Der Verlag "Quality Books" bietet auf der Plattform von "reinlesen.de" weitere "Klassiker in neuem Glanz" an. Alle Werke bieten ein außergewöhnliches Lesevergnügen der ganz besonderen Art!
© "Der Endkampf – Gut gegen Böse – möge beginnen!": Buchvorstellung mit Textauszug zum Intrigenroman "Adeline" des Autors August Schrader mit freundlicher Genehmigung des Quality Books Verlages, 09/2023.
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