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Unter dem Titel "Einführung in die Beratung von Menschen mit außergewöhnlichen Erfahrungen" wurde Ende 2020 ein bemerkenswertes Sachbuch der Diplom-Pädagogin und Familienberaterin Sarah Pohl veröffentlicht. In ihrem Buch berichtet sie über eine Vielzahl von paranormalen Erfahrungen, dazu bietet sie einen Überblick über gängige Erklärungskonzepte und praktische Handlungsstrategien.
Laut repräsentativen Umfragen machen beinahe 75 Prozent aller Menschen irgendwann im Laufe ihres Lebens eine oder mehrere außergewöhnliche Erfahrungen. Solche Erfahrungen umfassen ein weites Spektrum und reichen von Wahrträumen, Vorahnungen, außerkörperlichen Erfahrungen, Telepathie bis hin zu Spuk und vielem mehr.
Manche Menschen schaffen es, ihre außergewöhnlichen Erfahrungen (AgE) gut einzuordnen und einen Bedeutungsbezug zu ihrer Lebenssituation, wichtigen Lebensthemen oder anderen Ereignissen herzustellen. Andere Menschen fühlen sich durch solche Erlebnisse in ihrem Weltbild erschüttert und zutiefst verunsichert, beunruhigt oder verängstigt. Gelingt es, diese Erfahrungen in die eigene Lebensgeschichte zu integrieren und ihnen eine Bedeutung zu verleihen, dann können außergewöhnliche Erfahrungen zum sinnstiftenden Teil der eigenen Biografie werden.
Sarah Pohl vermittelt in ihrem Grundlagenwerk umfassendes Hintergrundwissen und liefert praxisnahe Anregungen zum therapeutischen und beraterischen Umgang mit außergewöhnlichen Erfahrungen. Zahlreiche Fallbeispiele illustrieren das Vorgehen.
Die gebundene Ausgabe des Titels "Einführung in die Beratung von Menschen mit außergewöhnlichen Erfahrungen. Vom Grundlagenwissen bis zur praktischen Arbeit" umfasst 304 Seiten. Unter der ISBN 978-3525403976 wurde das Sachbuch von Sarah Pohl im November 2020 vom Verlag Vandenhoeck & Ruprecht herausgegeben. Der Buchhandel listet es z. B. unter den Genres Parawissenschaft, Spiritualität oder Therapien & Behandlungen.
Dem Buch liegt – in einer separaten Box – ein hochwertiges Kartenset mit 50 Bildkarten bei (was den angemessenen Verkaufspreis erklärt). Zu diesem Bildkartenset gibt es im Buch zahlreiche praktische Anwendungsbeispiele, die einen sensiblen Zugang zum emotionalen Erleben von betroffenen Menschen ermöglichen.
Reaktionen auf AgE schwanken meist zwischen Faszination und Ablehnung. Manch eine Geschichte jagt, spätabends in vertraulicher Runde erzählt, einen Schauer über den Rücken. Und hat einer damit begonnen, über paranormale Erfahrungen zu sprechen, dann ist die Runde meist eröffnet und beinahe jeder der Anwesenden weiß seine eigenen Geschichten und Erfahrungen beizusteuern, zumindest jedoch die Geschichte von jemandem, der jemanden kennt, dem mal Folgendes passiert ist ... Nicht selten stolpert man in solchen Runden auch über die ein oder andere "Urban Legend". Urban Legends sind moderne Märchen und Sagen (Brednich, 2007), die meist einige typische Elemente aufweisen und selten einen wahren Kern haben. Von untoten Trampern, mysteriösen weißen Frauen, sich verselbstständigenden Alexas und vielem mehr wissen solche Sammlungen moderner Märchen heutzutage zu berichten. Sowohl der Grusel- als auch der Wiedererkennungsfaktor sind garantiert.
Ganz anders jedoch sind die Berichte Betroffener, die sich Hilfe suchen. Während die Urban Legend meist eine Pointe und häufig sogar eine Moral hat, weisen die Berichte von Menschen, die AgE erleben, eher selten diese Elemente auf. Vielmehr sind oft eine gewisse Sprachlosigkeit, das Fehlen einer Pointe und auch Ratlosigkeit vorhanden. Das Sprechen über solche Erfahrungen erfordert zuallererst ein hohes Maß an Vertrauen zum Gegenüber, denn indem Betroffene sich öffnen und solche Erfahrungen thematisieren, machen sie sich angreifbar. Groß ist die Befürchtung, als verrückt stigmatisiert zu werden: "Meinem Psychologen kann ich davon nicht berichten, der hält mich dann ja für irre" – dies ist ein häufig geäußerter Satz.
Und dabei stecken Therapeuten und Therapeutinnen in einem Dilemma, denn einerseits sollte gerade bei ihnen eine solch vertrauensvolle Atmosphäre herrschen, dass für diese Erfahrungen Raum ist, andererseits lassen sich manche Erfahrungen rasch mit pathologischen Zuständen verwechseln. Es braucht nicht nur eine Öffnung der therapeutischen Szene für diese Erfahrungen, sondern genauso ist auch der Betreffende gefragt, das Wagnis einzugehen und solche Erfahrungen, falls sie sich als Belastung erweisen, in den therapeutischen Prozess mit einzubringen.
Reaktionen sind meist eingefärbt von der Weltanschauung der Zuhörenden, ihrer Vorerfahrung und persönlichen Haltung. Oft jedoch ist die Haltung, auch in der therapeutischen Szene, geprägt von Skepsis, Kritik und Zweifeln gegenüber außergewöhnlichen Erfahrungen der Klienten. Und diejenigen, die sich auf die AgE ihrer Klienten einlassen, geraten rasch in Verdacht, selbst einem esoterischen Weltbild anzuhängen (Belz, 2008 S. 1). Meist jedoch sind sich Ratsuchende sehr bewusst darüber, wie "verrückt", "außergewöhnlich" oder "schräg" ihre Erlebnisse für Dritte klingen. "Bitte halten Sie mich nicht für verrückt" ist daher ein häufiger Einleitungssatz, mit welchem Ratsuchende deutlich machen, dass sie sich der Perspektive Dritter auf ihre Erlebnisse durchaus bewusst sind (Wald, 2010).
Marie (21 Jahre): "Ich habe, seit ich damals mit 15 Gläserrücken gemacht habe, einen Geist in meiner Wohnung. Gut, die ersten Jahre habe ich das nicht so gemerkt, das ist mir erst rückblickend ins Bewusstsein gekommen. Der Geist ist sehr schlimm ... Er schlägt mich immer und zwingt mich zum Sex. Ich spüre ihn und kann mich nicht gegen ihn wehren. Er ist übermächtig und kontrolliert mich. Er tut mir überall weh ... Er ist immer irgendwo in der Wohnung und lauert mir auf. Zu Hause bin ich nicht sicher. Zu meinem Freund habe ich eine gute Beziehung; wenn er bei mir ist, ist der Geist weg [...]. Mir kam das Ganze selbst etwas eigenartig vor, deswegen bin ich zu einem Psychiater gegangen und habe ihn gebeten, meine geistige Gesundheit zu überprüfen. Ich habe verschiedene Tests gemacht, und er bescheinigte mir, dass ich total normal bin. Von dem Geist habe ich ihm natürlich nichts erzählt."
Die Geschichte dieser jungen Frau klingt zugegebenermaßen auf den ersten Blick durchaus etwas "verrückt" und lädt den Gesprächspartner möglicherweise dazu ein, innerlich die ICD-10 durchzugehen und die eine oder andere Diagnoseschublade zu öffnen. Marie war dies vollkommen bewusst, und dennoch war sie aufgrund der Fremdartigkeit ihrer Erlebnisse bereit, ihre geistige Gesundheit infrage zu stellen und überprüfen zu lassen. Sie wählte jedoch sorgsam aus, was sie ihrem Psychiater berichten wollte und was nicht, weil sie eine unvoreingenommene Beurteilung ihrer kognitiven Fähigkeiten wünschte und ihr klar war, dass diese durch die Schilderung ihrer Erfahrungen möglicherweise getrübt würde.
Es geht in diesem Kapitel darum, Impulse zu geben, wie es gelingen kann, eine unvoreingenommene Haltung trotz der Schilderung außergewöhnlicher Erfahrungen beizubehalten. Später wird das Beispiel aufgegriffen, und wir erfahren, wie es mit Marie weiterging.
Außergewöhnliche Erfahrungen können Zuhörende auf unterschiedliche Weise konfrontieren mit:
– eigenen Ängsten,
– Überforderung,
– Kontrollverlust,
– magischen Denkstrukturen und Weltbildern,
– Urängsten,
– Fremdartigem.
Zunächst ist es also für den Zuhörer erforderlich, eine Haltung im Umgang mit AgE der Klienten zu entwickeln, die für eine offene Gesprächsatmosphäre sorgt und dem Klienten oder der Klientin bei der erfolgreichen Integration der außergewöhnlichen Erlebnisse hilft. Deshalb wird im ersten Teil dieses Kapitels thematisiert, welche Aspekte für die beratende Person im Umgang mit AgE hilfreich sein können (Preuß u. Gmelch, 2014). ...
Dr. Sarah Pohl, Diplom-Pädagogin, systemische Paar- und Familienberaterin, Heilpraktikerin für Psychotherapie, leitet die Zentrale Beratungsstelle für Weltanschauungsfragen des Landes Baden-Württemberg. Sie arbeitete acht Jahre in der Parapsychologischen Beratungsstelle in Freiburg und ist seit langem als Referentin und Autorin in diesem Themenfeld tätig.
© Wir danken der Autorin Sarah Pohl sowie dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht für Texte und Abbildungen zu dieser Buchvorstellung, 12/2020.
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