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Bautzen, die schöne Stadt an der Spree, wurde oftmals belagert in ihrer langen Geschichte, und allein zweimal waren es die Hussiten, welche die Tore einzunehmen gedachten. Nun waren aber die Bautzener Bürger nicht gewillt, ihre Stadt zu übergeben und setzten sich mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zur Wehr. Man schaffte Verteidigungsmittel wie Schwefel und Pech herbei, welches man auf die Angreifer schüttete – wohl auch heißes Wasser, was gar nicht übel zur Gegenwehr taugt, wenn es auf Männer in Rüstung gegossen wird.
Der Mut und der starke Wille der Bürger ließ die Belagerer an ihrem Erfolg zweifeln, weshalb man Wege und Mittel fand, einen Bautzener für den Verrat an seiner Stadt zu gewinnen. Der Stadtschreiber Peter Prischwitz, so wird erzählt, sah in dem Angebot des Feindes seine Stunde gekommen. Er verlangte eine zu der Zeit große Summe Geld, um dafür zu sorgen, dass die Stadt nicht länger standhielt.
Der Schreiberling sah wohl für sich ein Leben in Wohlstand und Macht voraus – was ihm als Stadtschreiber wohl niemals widerfahren konnte. Vielleicht war auch der eine oder andere Groll einer der Gründe, weswegen der Herr Schreiber kaltblütig die Stadt und die Menschen darin dem Feind überantworten wollte. Doch darüber schweigt die Geschichte und niemand wird es erfahren. Ob der Verräter sein Gewissen besänftigen musste oder ob er von vornherein ohne die Bürde eines solchen auskam, ist ebenfalls nicht überliefert – wohl wird ihn auch nicht Sympathie für die Hussiten geleitet haben, denn ein Verrat aus Leidenschaft oder Überzeugung verlangt keine Belohnung.
Der Plan war einfach – es ging darum, die Pulvervorräte der Stadt unbrauchbar zu machen, indem man sie der Feuchtigkeit aussetzte – nichts also, was sehr schwierig gewesen wäre. Zudem sollte ein klug angelegtes Feuer Verwirrung stiften, so dass der Schreiber unbemerkt ein Stadttor für die Hussiten öffnen konnte. Auch das eine Sache, die einem gewitzten Mann nicht allzu schwerfallen sollte. Prischwitz nun ging zwar nicht unüberlegt vor, sondern mit dem Bedacht desjenigen, für den eine glänzende Zukunft auf dem Spiel steht. Und Umsicht war geraten, denn der Stadthauptmann Thiemo von Colditz war unermüdlich auf den Wällen, in den Straßen und bei seinen Männern, um die Verteidigung der Stadt so gut wie möglich zu organisieren und zu beaufsichtigen.
Diesen Stadthauptmann trieb sein Pflichtgefühl und wohl auch die Liebe zu seiner Stadt an, so dass er unermüdlich und mit wachen Augen überall zugleich für alles Sorge tragen konnte. Und da der Hauptmann einer war, der Kleinigkeiten nicht unbedingt für unwichtig erachtete, wird er hier und da ein kleines Zeichen richtig gedeutet haben. Da fragt einer nach – einmal zu oft vielleicht. Da streicht einer an Plätzen umher, an denen er nichts zu suchen hat – vielleicht ein schneller Blick und ein gezwungenes Lächeln, wer weiß. So aber wird es gekommen sein, dass das Misstrauen dessen von Colditz geweckt wurde, der Verräter zwar das Pulver unbrauchbar machen und dazu auch den geplanten Brand legen konnte, wobei ein ganzer Stadtteil niederbrannte – doch an das Tor kam er nicht mehr heran. Der Hauptmann konnte das Ärgste verhindern, und dieser Prischwitz wurde festgenommen und des Verrates überführt.
Nach seinem Geständnis, dem ein hochnotpeinliches Verhör vorausging, wie anzunehmen ist, schleifte man den Unglücklichen durch die Stadt zum Richtplatz, wo der Schreiber seinem Schicksal entgegentrat. Zwar endete er nicht als reicher Mann, aber doch als einer, der in die Geschichte einging. Wenn auch anzunehmen ist, dass Peter Prischwitz in diesem Moment gerne ein unbeachteter Niemand, dafür aber unbescholten, gewesen wäre. Die Prozedur, der man ihn unterzog, spiegelte die Wut und den Zorn der Bautzener wider, die unter der Belagerung nicht wenig litten. Man riss ihn geradezu auseinander und verteilte die Teile des Körpers an den Haupttoren, wo man sie für jeden sichtbar aufhing. Den Kopf des Verräters hat man viermal in Stein gehauen und die Skulpturen jeweils über den belagerten Toren eingemauert.
Eines der Tore, Nicolaipforte geheißen, trägt noch heute das Bild des Verräters und wird den staunenden Besuchern gezeigt. Das Wunder nun, dass die Stadt in letzter Minute dem Untergang durch Verrat entging, wurde immer weiter verklärt – so dass es sogar hieß, dass der heilige Michael selber mit den Verteidigern gegen die Belagerer gekämpft hatte. Aber vielleicht war es ein wenig so gewesen, denn so mancher wächst in der Stunde der Not über sich hinaus, und der Stadthauptmann war in Stellvertretung für den himmlischen Beistand auf den Zinnen und im rechten Augenblick zur Stelle.
© Textbeitrag "Die Belagerung von Bautzen" sowie Foto der Michaeliskirche zu Bautzen: Winfried Brumma (Pressenet), 2010.
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