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Seine alten Hände strichen zittrig über den abgeschabten Geigenkasten, ihn fror und er hatte kaum Gefühl in den Fingerspitzen. Sein Nischenplatz zwischen zwei Häusern am Markt war seit Tagen besetzt, ein jüngerer und kräftigerer als er hatte sich dort breitgemacht. "Troll dich, Alter", hatte der Kerl verächtlich gesagt. Und da war er gegangen und hatte einen anderen Platz gesucht.
Aber nun war er nicht vor dem Zug geschützt und dem Wind ausgesetzt. Er spielte mehr schlecht als recht, denn die steifen Finger konnten kaum das Instrument halten. Was aus seiner alten Freundin klang, das erschien ihm selber so fürchterlich zu klingen, dass er sich dafür schämte, denn er war einst einer gewesen, den man zu hohen Festen rief, damit er aufspielte.
Kaum einer hatte den Bogen so leicht über die Saiten fliegen lassen können wie er damals, seine Hände zauberten herrliche Weisen hervor und berührten die Menschen. Hell erleuchtete Säle, in denen tausende von Kerzen goldenes Licht spendeten, waren seine Bühnen gewesen. Vor Edlen und Fürsten hatte er gespielt und ihre Herzen berührt. Wie viele der Damen hatten diamantene Tränen in ihren schönen Augen stehen gehabt, wenn er seine wahre Geliebte zum Singen gebracht hatte – denn das war sie, seine über alles geliebte Violine.
Seine beste Zeit war nun lange vorbei, Leichtsinn und dumme Flausen hatten ihn kaum etwas beiseite legen lassen für schwere Zeiten, die nur allzu schnell gekommen waren. Er war krank geworden und brauchte lange bis zur Genesung, und als er wieder spielen konnte, war er vergessen in den Salons und in den Galerien der Vornehmen. Die Reichen vergaßen schnell, ihr Beifall und ihre Tränen galten längst anderen Lieblingen, die sich kurze Zeit in der huldvollen Aufmerksamkeit der Großen sonnen konnten.
Er hatte noch ein recht gutes Auskommen gehabt bei den Festen und den Märkten der Stadt, und in den Dörfern ringsum fiedelte er zum Tanz und bei Taufen und Hochzeiten. Bei den Wirten war er ein gern gesehener Gast gewesen in den Schenken und Weinkellern, denn sein Spiel verhieß guten Umsatz. Doch auch das ging zu Ende, denn ein schmucker Kerl war er lange nicht mehr. Er sah einem Bettler eher gleich als einem Musikanten, mit zerschlissenen Kleidern und dem schütteren grauen Haar. Die Augen waren rot und tränten vom Leben auf den Straßen der Stadt, denn die wenigen Heller, die man in seine abgewetzte Kappe warf, waren nicht einmal genug für einen Strohsack in einer niedrigen Herberge.
Sein Rücken schmerzte von den Tritten, mit denen ihn die Stallknechte aus den verstohlenen Strohlagern jagten, die er sich gemacht hatte, um der Kälte zu entfliehen. Aber so schlecht wie heute war es ihm noch nie gegangen, denn ihn schmerzte jeder Schritt ...
* * * Ende der Leseprobe aus unserem Buch * * *
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© Textbeitrag zur Sage vom armen Spielmann und der Madonna: Winfried Brumma (Pressenet), 2009. Bildnachweis: Violine und Noten, CC0 (Public Domain Lizenz).
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