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Fünf kurzweilige Horrorgeschichten, die eine düstere Atmosphäre versprühen, beinhaltet "Restmensch", die 204-seitige Buchausgabe der Autoren Daniel Spieker und Devon Wolters.
Während Daniel Spieker drei Geschichten beigesteuert hat ("traumhaft", "Der Asteroid" sowie "Goldene Zeiten"), stammen zwei Erzählungen aus der Feder von Devon Wolters ("Endstation" und "Sie"). Fünf Horrorgeschichten von zwei Stimmen aus der jungen Horrorliteratur, in denen surreale Stimmungen verbreitet werden, deren Themen über die klassischen Motive hinausgehen.
Ich klopfte noch drei Mal, doch als keine Antwort kam, drehte ich einfach den Türknauf. Und zu meiner Überraschung ließ sich die Tür öffnen. Ich rief nochmal. "Hallo? Ist hier jemand?"
Nichts. Ich öffnete die Tür ganz und betrat das Hotelzimmer. Es sah exakt so aus wie meins. Ein anonymer Raum, warm und freundlich, aber irgendwie verlassen, als hätte nie jemand auch nur eine Nacht hier verbracht.
Mein Blick ging zur Badezimmertür. Vielleicht ...
Ich ging hin, drückte die Klinke herunter und betrat den Raum. Im Türrahmen blieb ich stehen.
In der Badewanne lag jemand. Sie war voller Eis. Ich atmete tief ein und schritt ein wenig weiter in den Raum hinein. Es war ein junger Mann, vielleicht Mitte zwanzig, nur in Boxershorts. Neben der Wanne befand sich der Infusionsständer, der die blaue Flüssigkeit in seinen Hals pumpte. Auch hier endete der Schlauch nicht in einer Nadel, sondern in einem Stück Fleisch, aus welchem ein Dorn herauswuchs, der im Fleisch des Mannes steckte. Hinter seinen verschlossenen Lidern bewegten sich die Augen wild umher, seine Mundwinkel zuckten.
Die Anderen, dachte ich. Ich war nicht der Einzige, den sie hergebracht hatte. Dieses Zimmer war wie ein Déjà-vu, alles war exakt so, wie es bei mir gewesen war. Die Einstichwunde an meinem Hals schmerzte und mir wurde übel, kurz wurden meine Beine schwach. Was war das alles hier?
Ich wankte aus dem Raum, verließ das Hotelzimmer, rannte direkt zum nächsten und stürmte ins Badezimmer. Ein Mann lag in der Wanne, daneben ein Infusionsständer mit der blauen Flüssigkeit.
Ein Muss für Horror-Fans: "Restmensch" liegt zum einen als Taschenbuch vor, das via Books on Demand Ende 2017 veröffentlicht wurde. Die Horrorgeschichten sind auch als E-Book sowie als Hörbuch im Handel erhältlich.
Ich rannte hinaus, stürmte ins nächste Zimmer und sah dort dasselbe. Mein Herz klopfte immer schneller. Ich rannte noch drei Mal von Zimmer zu Zimmer, um mich von meiner Vorahnung zu überzeugen – jeder Raum war die exakte Kopie der anderen und in jedem Badezimmer lag ein anderer Mann, manche älter, manche jünger, alle waren an die Infusionsständer mit der blauen Flüssigkeit angeschlossen.
Als ich aus dem sechsten Zimmer stürzte, gaben meine Beine nach, mein Herz raste und ich übergab mich auf den Boden. Blaue Flüssigkeit ergoss sich über den Teppich. Ich wollte in keines der Zimmer mehr, ich würde in jedem dasselbe sehen. Ich war nicht der Einzige hier – es gab unzählige weitere.
Ich steckte mir den Finger in den Hals und versuchte, mich weiter zu übergeben. Ich wollte dieses Zeug nicht in meinem Körper haben, es war in meinem Magen, es war in meinem Blut, ich war voll davon, alles musste raus. Ich würgte und noch ein Schwall der blauen Schmiere ergoss sich über den Teppich. Ich atmete schwer, schob mich mit den Armen zur Wand und lehnte mich an, zitterte am ganzen Körper. Was war das für ein Ort? Wo war ich hier gelandet?
Ich hielt das Handy noch immer fest in der Hand. Scheiß drauf. Ich drückte auf die Sperrtaste, wählte die 110, hielt es mir ans Ohr und wartete. Jemand musste davon erfahren, was hier geschah.
Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich realisierte, dass das Freizeichen nicht ertönte. Ich wählte die Nummer noch einmal. Wieder tutete es nicht. Ich versuchte es mit der Nummer der Feuerwehr.
Auch nichts. Das Handy weigerte sich, die beiden Nummern anzurufen. "Was zur –", fluchte ich und wählte Rebeccas Nummer.
Das Freizeichen ertönte. Ich musste ihr gar nicht sagen, was ich getan hatte, sie musste bloß die Polizei alarmieren.
Nach ein paar Sekunden ging sie ran. "Hey, Schatz, was ist los?"
"Rebecca, du musst mir unbedingt ganz genau zuhören, okay?"
"Wieso schläfst du noch nicht?"
"Hör mir einfach nur zu, klar? Du musst etwas für mich tun, stell keine Fragen. Ruf die Polizei und schick sie zum Hotel. Ich stecke mehr als nur in der Klemme. Sie müssen nach mir fahnden, ich glaube, ich wurde entführt oder sowas, jedenfalls bin ich nicht mehr dort, klar?"
Sie lachte. "Na ja, ich sitze hier mit dem Laptop auf 'ner Bank und versuche mich irgendwie zu beschäftigen, aber eigentlich will ich nur schlafen."
"Was?", fragte ich. "Wovon redest du?"
"Ja, stimmt", sagte sie. "Macht eigentlich keinen Sinn, sich weiter wachzuhalten."
Hörte sie mir nicht zu? "Rebecca, es ist ernst, mehr als ernst. Ich bin in einer Badewanne voller Eis aufgewacht und da war was an mich angeschlossen. In jedem Zimmer hier liegt jemand in der Badewanne und schläft, als wären sie unter Drogen gesetzt, irgendetwas Schlimmes passiert hier. Du musst die Polizei rufen!"
Rebecca lachte nur. "Ja gut, du hast ja recht, ich mach kurz die Augen zu. Aber nur, wenn du auch nicht mehr so lange wach bist, okay?"
"Nein, hörst du mir nicht zu?! Du musst mir helfen, ich erreiche die Polizei nicht, niemand kann mir helfen! Du musst das tun!"
"Okay, gut Linus", sagte sie. "Bis dann." ...
Hinweis: Von Devon Wolters stammt auch der New-Weird-Thriller "Die Kirche des heiligen Prozesses". Lest unsere Rezension zu dieser phantastischen Geschichte!
© Düstere Horrorgeschichten im 5er-Pack: Weitere Hinweise zu den Autoren Daniel Spieker und Devon Wolters sowie ihren Büchern findet ihr auf deren Webseiten. Bei beiden bedanken wir uns herzlich für die Infos zu "Restmensch" und den Textauszug aus der Horrorerzählung "Sie", 08/2020.
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