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Es ist eine trügerische Ruhe, die über der beschaulichen, im thüringischen Ilmtal gelegenen Residenzstadt Weimar im Jahr 1775 liegt; denn im Verborgenen werden dunkle Intrigen gesponnen und unheilvolle Pläne geschmiedet, die nicht nur von höfischen Machtinteressen motiviert sind, sondern bis ins Reich der Leidenschaft hineinreichen.
Abseits dieser hässlichen Machenschaften blüht jedoch auch die Liebe in der Stadt; die Liebe dreier Pärchen, so unterschiedlich von Stand und Rang wie gleich in ihrem Los, diese nur im Geheimen leben zu dürfen. Gesellschaftliche Konventionen, aber auch die Machtgelüste der Intriganten beeinflussen ihre Schicksale auf eine Weise, die kaum auf einen glücklichen Ausgang hoffen lässt.
Nur ein Bewohner der Residenzstadt fühlt sich in der Lage, das stetig dichter werdende Netz aus Lügen, Intrigen, Verbrechen und dunklen Geheimnissen zu durchdringen. Doch ist die Zeit nicht auf der Seite desjenigen, der den Liebenden seine Hilfe gewährt ... denn er, der für sich selbst nicht auf Liebe hoffen darf, ist ... ein Todeskandidat!
Die sprachlich modernisierte Neufassung des Quality Books Verlages dieses so spannenden wie bewegenden Sensationsromans von August Schrader wird Sie durch die Schicksale der einzelnen Protagonisten und die Tragik der Ereignisse schnell in Ihren Bann ziehen.
Das Gesamtwerk umfasst sechs Bände, die in elektronischer Form im Online-Buchhandel wie folgt erhältlich sind: Band 1 und 2 (ca. 280 Seiten) – Band 3 und 4 (ca. 260 Seiten) – Band 5 und 6 (ca. 250 Seiten).
Der Kammerjunker trat zum Tisch und ergriff ein Feuerzeug, das er für alle Fälle bereitgelegt hatte. Nach einigen Augenblicken erhellte die Kerze den kleinen Saal wieder.
Gretchen stand mit hochroten Wangen und gesenkten Blicken neben dem Kamin. Ihr weißes Busentuch war durch das Ringen verschoben, sodass sich die schneeweiße runde Schulter zeigte. Der leicht eingeschnürte Busen hob sich in unruhiger Bewegung, während die kleinen Hände mit dem Band der Schürze spielten. Der Kammerjunker, höchst elegant gekleidet, betrachtete das in dieser Verfassung reizende Kind mit gierigen Blicken. Man sah es ihm an, dass Gretchen längst eine leidenschaftliche Begierde in ihm erregt hatte und dass er alles aufzubieten gesonnen war, um seiner Lüsternheit zu genügen. Mit schwankenden Schritten näherte er sich dem armen Mädchen, das mit Sehnsucht an Wolfgang dachte. Entrüstet stieß sie die dürre Hand des Junkers zurück, die sich zitternd nach der ihrigen ausstreckte. Dann sah sie rings durch das Zimmer, als ob sie einen rettenden Ausweg ausspähen wollte. Aber nichts zeigte sich als die geöffnete Glastür, durch welche der Junker eingetreten war.
"Ich sehe", sagte der lüsterne Hofmann mit zuckenden Lippen, "dass du es verschmähst, meine gut gemeinten Vorschläge, die ich dir zu machen gedenke, anzuhören. Wähne nicht, mein Kind, dass allein die verschlossene Tür dieses einsamen Landhauses dich in meine Gewalt gibt – ich besitze noch andere Mittel, dich an mich zu fesseln. Gretchen, zwinge mich nicht, dir Eröffnungen zu machen, die dich mit Schaudern erfüllen, aber dir und der Welt unbekannt bleiben würden, wenn du meine Zärtlichkeiten erwiderst."
"Das ist es!", flüsterte mit vor Entsetzen erstickter Stimme das junge Mädchen.
"Bedenke, mein liebes Kind, ich bin der Kammerjunker des Fürsten!"
"Und der Herr Kammerjunker entblödet sich nicht, ein armes Mädchen zu betrügen, das nichts besitzt als seine Ehre?", fragte Gretchen in schmerzlicher Bitterkeit. "Er verschmäht es nicht, den Namen eines andern Mannes zu missbrauchen, um eine Schändlichkeit auszuüben? Wenn ich lebend dieses Haus verlasse, soll der Fürst erfahren, welcher Mittel sich sein Kammerjunker bedient."
"Ereifere dich nicht, liebes Gretchen, du wirst weder dem Fürsten noch der Stadt erzählen, dass ich dir einen Liebesantrag gemacht habe."
"Um Gottes willen, ist denn nirgends Rettung?", rief Gretchen schaudernd, wobei sie die Hände rang.
"Törichtes Kind, vor wem suchst du Rettung? Es fällt mir nicht ein, dir eine Gefahr bereiten zu wollen. Ein Mädchen, das man liebt, sucht man zu beglücken. Und sieh, Gretchen, ich liebe dich schon lange! Wie gern hätte ich dir schon früher dieses Geständnis gemacht, aber der Zufall war mir nicht günstig, und ich musste zu einer List meine Zuflucht nehmen, um endlich dem Drang meines Herzens folgen zu können. Gretchen, ich bin reich und unabhängig – sei mein Liebchen!"
Sie stieß einen durchdringenden Schrei aus und legte beide Hände vor das Gesicht. "Das ist zu viel!", schluchzte sie nach einem Augenblick. "Mein Gott, warum ertrage ich es denn?", fuhr sie plötzlich auf.
Gretchen stürzte zur Tür – sie war fest verschlossen. Mit der Kraft, die ihr die Verzweiflung verlieh, rüttelte sie an dem Schloss – es war vergebens. Sie lief zu der Glastür – der Schein der Kerze zeigte ihr einen kleinen Alkoven mit einem weißen Bett; sonst hatte der kleine zierliche Raum weder Fenster noch Tür. Voller Verzweiflung warf sie sich auf einen Stuhl und begann bitterlich zu weinen.
Der Kammerjunker, der das junge Mädchen bisher mit einem höhnischen Lächeln beobachtet hatte, trat jetzt zu ihr und legte sich über die Lehne des Stuhls. "Sieh, Gretchen", flüsterte er, "jetzt hindert dich diese Tür, zu entweichen – höre mich an, und du wirst auch dennoch bleiben, wenn ich dir das Schloss öffne."
"Lassen Sie mich!", rief sie mit Würde. "Wagen Sie es, mich zu berühren, so nehme ich zum Äußersten meine Zuflucht!"
"Gretchen", stammelte der Junker, dessen Lüsternheit beim Anblick des üppigen jugendlichen Busens den höchsten Grad erreicht hatte. "Gretchen, gestatte mir, dass ich dich liebe! Jeder deiner Wünsche wird befriedigt werden, und du sollst nicht mehr um Geld arbeiten müssen. Du liebst den Legationsrat – kannst du je seine Frau werden? Man spricht schon davon – wenn du mich liebst, soll es keine Seele erfahren – noch mehr, Gretchen, du brauchst dein Verhältnis mit dem Legationsrat nicht zu zerstören; es ist unnütz, dass er erfährt ..."
"Der Todescandidat", so der Originaltitel von August Schrader aus dem Jahre 1855, erschien erstmals beim Verlag Christian Ernst Kollmann zu Leipzig. Die sprachlich modernisierte Neufassung wurde von Marcus Galle aufbereitet und 2018 von ihm herausgegeben, den Buchumschlag entwarf Maisa Galle.
Lesen Sie mehr von August Schrader in seinem Buch "Schicksalspirouetten", von dem wir eine Leseprobe präsentieren dürfen. Nähere Informationen zum Verlag "Quality Books" und über den Autor finden Sie ebenfalls auf der genannten Seite.
© Klassische Literatur des 19. Jahrhunderts: Für die Leseprobe aus "Der Todeskandidat" (Band 4) danken wir dem Verlag "Quality Books" sehr herzlich, 06/2019.
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