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Erst im Januar 2020 stellte der Autor Patrick Wunsch seinen anspruchsvollen Debütroman "Zeichen von Herbst" vor. Wer noch einmal zurückblicken oder sich über dieses 410-seitige Werk informieren möchte, öffnet mit einem Klick eine Leseprobe: "Zeichen von Herbst": viel Denkstoff für das lesende Publikum.
Zwei Mädchen, junge Frauen vielleicht – eine aus gutem Hause, doch mit zu großer Freiheitsliebe, die andere aus gewöhnlichen Verhältnissen, doch idealistisch – sowie ein Mann, der gern Künstler wäre, begeben sich im Frühlingsmonat März auf eine sorgfältig geplante Reise. Zwischen Aufbruch und Rückkehr liegen persönliche Entwicklungen, die über Kreuz verlaufen. So viel sich einerseits den Idealen abgewinnen lässt, so viel richtet andererseits falscher Mut zur falschen Zeit an.
Beachtenswerte Literatur: "Gegenlicht: Romi & Nova" ist eine außergewöhnliche Geschichte, die zeigt, warum die essenziellen Lebenskonzepte keine Geschmackssache sind. Das zweite Buch von Patrick Wunsch umfasst rund 430 Seiten und wurde via tredition im April 2020 als Taschenbuch, gebundene Ausgabe sowie als E-Book veröffentlicht.
Da sprangen die Mädchen vom Podest der Tanzfläche, drängten sich rasch weiter nach hinten, durch blaue Vorhänge, die Nova nur mit einiger Kraft zur Seite stieß, in eines der Séparées und wieder hinaus, da es besetzt war, in gebückter Haltung an der Wand entlang und um die Ecke, hinein in ein regelrechtes Wäldchen großer Zimmerpalmen in Keramikkübeln, zwischen denen sich die Mädchen für einen Moment unbeobachtet fühlen, dann einige Stufen hinab auf den Platz, in dessen Zentrum sich, umgeben von Ringen aus Fliesen unterschiedlicher Grauschattierung, ein Brunnen befand, groß genug, dass mehrere Grüppchen bequem Platz darum fanden.
Ein plumper Frosch mit Krone saß im oberen Becken der Kaskade, umgeben von Fontänen, und spie das Wasser flach aus dem breiten Maul heraus. Die Mädchen duckten sich hinter Wasserspeier und Beckenrand, kauerten dort ungeachtet der irritierten Gesichter der Umstehenden. Den Sprühnebel der Fontänen auf den Wangen, das drängende Flüstern der Kaskaden im Ohr, lugten sie nervös hervor. Was nun? Wohin weiter?
Novas Blick huschte über die Menge, versuchte, die Sicherheitskräfte auszumachen. Doch die Tanzenden, in allen Formen und Farben waren sie gekleidet, beherrschten das Bild, lenkten ab. In Dunkelheit und buntem Flirren erschrak Nova wieder und wieder, vom Pullover eines jungen Mannes, der neben ihr auftauchte, dem Rock eines dicken Mädchens, einem Jäckchen, einem Schal, einem Schatten an der Wand. Schneller! Hier links! Hier rechts!
Beinahe prallte sie gegen jemandes Schulter, stieß jemandem versehentlich die Flasche aus der Hand, sah lachende, grinsende, überraschte, verärgerte Gesichter in der Masse, bis die Mädchen in den Flur kamen, zu den Toiletten, und nachdem Nova sich noch einmal vergewissert hatte, dass niemand gefolgt war, wollte sie einen Satz hinein machen, hielt sich im letzten Moment am Türrahmen fest, als sie erkannte, dass es sich nicht um die Toilette der Damen handelte. Was soll's, bloß verschwinden! Sie nahmen eine Kabine; Nova schloss ab.
Sicherheit. Der Puls in der Stille. Zeit zum Verschnaufen.
"Meine Güte", stöhnte Romi. Warmer Patschuliduft mischte sich in die üblichen Gerüche eines solchen Örtchens. "Das ist zu viel!" Sie stützte sich auf Novas Schulter, rang nach Luft.
"Ich weiß!", keuchte auch Nova. "Tut mir leid! Wir hätten uns einfach trennen sollen; du hast damit ja nichts zu tun."
Romi lächelte schwach. "Unsinn", sagte sie.
"Mitgehangen, mitgefangen?"
"Loyalität", sagte Romi. Sie schlug einen ernsten Ton an. "Ich könnte das Gleiche von dir erwarten, nicht?"
Nova atmete durch. "Darauf kannst du Gift nehmen", sagte sie grinsend, stupste Romi sanft gegen die Schulter. "Auch wenn ich keine Ahnung habe", räumte sie ein, "was das eigentlich bedeutet."
"Nun, es bezieht sich auf mittelalterliche Gottesurteile, bei denen ..."
"Hey", sagte Nova, "ich habe nicht gesagt, dass es mich interessiert."
Romi räusperte sich. "... unter anderem Gift getrunken wurde", fuhr sie fort, "und blieb man unversehrt, das heißt: durch die Intervention Gottes vor der Wirkung bewahrt, so war natürlich die Unschuld bewiesen."
Nova blinzelte Romi an. "Schön. Danke."
"Keine Ursache. Und nun erklär mir doch erst einmal, weshalb genau wir eigentlich auf der Flucht sind."
"Vater", sagte Nova gewichtig. "Er wird mich längst suchen, aber ich habe nicht die geringste Lust auf zu Hause."
"Du bist fortgelaufen?"
"Nicht gelaufen. Geschlichen."
Da geriet Romi in ungläubiges Entsetzen. "Das darf nicht wahr sein!", rief sie aus. "Und ich helfe dir noch!"
"Weil du eine echte Freundin bist", sprach Nova pathetisch und legte sich dabei die Hand aufs Herz.
Jemand kam hinein, hüstelnd, röchelnd, und nahm die Nachbarkabine.
"Was machen wir nun?", fragte Romi im Flüsterton. "Wir können nicht ewig hier bleiben."
"Das ist eine Toilettenkabine", flüsterte Nova zurück. "Ziemlich viele bleiben ewig hier."
Romi schnaubte.
"Nein, natürlich müssen wir hier raus", gab Nova zu. "Aber ich glaube, wir haben im Eifer des Gefechts einen Fehler gemacht."
"Was meinst du?"
"Na, hätten wir nicht versuchen sollen, rauszukommen, statt uns zu verkriechen?"
"Stimmt. Aber lass mich korrigieren: Du hast den Fehler gemacht."
Nebenan ließ man sich, wie allzu deutlich vernehmbar, nicht irritieren von den Mädchenstimmen. Romi verzog das Gesicht, als noch andere Geräusche ertönten.
"Du hättest mich aufhalten müssen", zischte Nova.
"Du hast einen starken Zug."
"Du bist stärker, schätze ich."
"Außerdem", sagte Romi zögerlich, "war ich ein wenig neugierig, was du tun würdest. Ja, ich gebe es zu."
"Das ist keine Vergnügung, Romi!", entfuhr es Nova, die jedoch abermals grinsen musste.
Romi seufzte. "Aber sag mal, was würde denn schon geschehen, falls man dich erwischt? Du kannst dich einfach wieder aus dem Haus schleichen, nicht?"
Die Konsequenzen zu erwägen, interessierte Nova nicht. "Ich muss mal", sagte sie, mit Absicht unvermittelt. "Dringend."
Romi stutzte, nickte steif. "G-gut, ich ... äh, auf der anderen Seite", sagte sie fahrig, "ist vielleicht noch frei."
"Sei nicht albern", erwiderte Nova, die Jeans bereits geöffnet, Knopf und Reißverschluss. Ehe Romi dem Einhalt gebieten konnte, war sie hinuntergestreift, die Shorts gleich mit. Romi wandte sich rasch ab. Drängte sich in die Ecke der Kabine, als könnte jeder Zentimeter ausschlaggebend sein.
Nova begriff nicht das Problem im Hinblick auf ein natürliches Bedürfnis, schüttelte den Kopf über Romi. Dann atmete sie durch. Ließ es laufen. Und vergaß beinahe die Aufregung, aus der heraus man in die Situation gelangt war.
"Ich kenne mich abseits der Hallen nicht aus", sagte sie knapp. Es plätscherte. "Wir müssen wohl irgendwie durch den Haupteingang rauskommen. Wenn wir uns in den Gängen verlaufen, haben wir keine Chance mehr."
"Ist das möglich, ohne gesehen zu werden?"
"Schwierig", gab Nova zu. "Das ist eine exzellente Security, die hier angestellt wird. Die werden auf der Hut sein."
"Und wenn wir doch noch eine Weile hier bleiben?"
"Bis sie uns vergessen haben?" Nova lachte leise. "Ausgeschlossen. Und früher oder später werden sie hier suchen, garantiert." Es tröpfelte nur mehr.
"Wir werden jemandes Hilfe benötigen."
"Ja", sagte Nova. "Ich fürchte schon." Sie erledigte das Übrige in aller Gründlichkeit, betätigte die Spülung mit dem Ellbogen, zog sich wieder an. "Ah!", seufzte sie. Auf öffentlichen Toiletten stellte sich die Erleichterung erst hinterher vollends ein.
Romi warf einen Blick über die Schulter, ehe sie sich umwandte. Eines Kommentars enthielt sie sich.
"Also", sagte Nova, "gehen wir's an." ...
"Gegenlicht: Romi & Nova" ist ein Zeitgeist-Roman, in dem es vor allem über Kunst, Politik und Philosophie geht, aber auch über Evolution und Moral, sowie Freundschaft und Liebe. Abwechselnd erfahren die Leser die Geschichte aus Sicht von Romi und Novalie, mal in poetischer Beschreibung, mal in provokanter Bemerkung.
© Für die Leseprobe aus "Gegenlicht: Romi & Nova" sowie die Abbildung des Buchcovers danken wir Patrick Wunsch recht herzlich, 04/2020. Informationen zum Autor und zu seiner Literatur finden Sie auf seiner Webpräsenz.
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