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Der neueste Roman "Die Wellen brechen" von Jutta Swietlinski ist ein Mix aus Coming-of-Age-Geschichte, lesbischer Lovestory und Thriller.
Bereits 2021 hatten wir ihren Roman "Die Nacht hinter mir" vorgestellt, die Lebens-, Liebes- und Selbstfindungsgeschichte einer lesbischen jungen Frau. Interessierte Leser wagen einen Blick in unsere Präsentation.
Die siebzehnjährige Außenseiterin Melanie verarbeitet in eigenen Geschichten, was sie bewegt.
Eines Tages bekommt sie eine neue Mitschülerin: die verschlossene Juna, die gerade mit ihrer Familie hergezogen ist und mit so viel Leidenschaft malt, wie Melanie schreibt.
Allmählich freunden sich die beiden jungen Frauen an und langsam verwandelt sich ihre Freundschaft in Liebe. Doch dann entdeckt Melanie Junas finsteres Geheimnis.
Unser Lesetipp: Die Taschenbuch-Ausgabe von "Die Wellen brechen" umfasst 357 Seiten und wurde, wie auch die E-Book-Variante, im Mai 2022 veröffentlicht.
Ich hasse den Regen.
Nein, eigentlich liebe ich den Regen. Ich liebe es, im Regen am Strand zu sein. Ich liebe es, so lange durch den von der Nässe knirschenden Sand zu laufen, bis die zahllosen Tropfen meine Kleidung völlig durchnässt haben. Dann schließe ich die Augen und bilde mir ein, es wäre das Meer, das bei mir anklopft, sich an mich anpirscht, langsam und unmerklich, bis es mich vollkommen umgibt und sanft in sich aufnimmt, bis ich mich nach und nach ganz auflöse und selbst zu einem Teil der Wellen werde.
Ich liebe den Regen. Nur nicht gerade heute. Heute wünsche ich ihn dahin, wo der Pfeffer wächst, oder am liebsten noch viel weiter weg, auf den Mond oder den Mars. Denn heute zerstört er das, was mich nach unglaublich langer Zeit endlich wieder glücklich gemacht hat: die Umarmung mit Juna.
Ich weiß, es ist egoistisch und unmoralisch, die Verzweiflung und den Kummer eines anderen Menschen zu genießen, denn Verzweiflung und Kummer ist ohne Zweifel das, was Juna empfindet, während sie in meinen Armen weint.
Aber andererseits ist dies ja auch nicht das, was ich daran genieße. Es ist nur so, dass ich schon lange (viel zu lange, schrecklich lange) niemandem mehr so nahe war wie jetzt ihr. Die Arme einer anderen Person um mich zu spüren, die Körperwärme eines echten, lebendigen Menschen, der sich vertrauensvoll an mich schmiegt ... Mir war überhaupt nicht klar, wie unendlich ich das vermisst hatte.
Es kommt mir vor, als ob es eine halbe Ewigkeit her wäre, dass Mama oder Papa mich in den Arm genommen haben. Oder dass mich überhaupt irgendjemand so intensiv berührt hat, mal abgesehen von unabsichtlichen Rempeleien beim Schulsport oder dem Gedränge im Einkaufszentrum an Samstagen. Und das ist ohne Frage eher unangenehm.
Das hier fühlt sich dagegen ungeheuer gut an, innig, vertraut, tröstlich. Und es ist ein überwältigendes Gefühl, dass es gerade Juna ist, die mich auf diese Art berührt. Juna, von der ich mir mehr als alles andere wünsche, dass sie meine Freundin ist. Die Person, von der ich mir sicher bin, dass sie mich besser versteht als irgendein anderer Mensch zuvor.
Ihr Kopf liegt auf meiner Schulter und ihre Tränen, die unaufhörlich fließen, beginnen meine Jacke zu durchweichen. Und ich schwelge in diesem Gefühl, obwohl ich allmählich ernsthaft zu frieren beginne.
Nur dass es eben nicht bloß Tränen sind, von denen ich nass werde. Langsam und unwillkommen dringt trotz aller Leugnungsversuche doch irgendwann in mein Bewusstsein, dass die Tropfen, die anfangs schwach, dann aber immer nachdrücklicher auf meine Schultern, meinen Kopf, meinen Rücken und den Rest meines Körpers fallen, nicht nur von Juna stammen, sondern von oben kommen.
Es regnet.
Nein, es prasselt. Ich habe den Regen so lange, wie ich nur konnte, ignoriert, aber als Juna irgendwann den Kopf hebt und mich mit tränennassen Augen irritiert ansieht, ist das leider, leider nicht mehr länger möglich.
Sie blickt zum Himmel auf, der sich an ihr ein Beispiel genommen zu haben scheint und inzwischen alles, was er aufzubieten hat, über uns ergießt. Mit einem Mal löst sie sich von mir, wischt sich mit der Hand über Augen und Nase, wirft mir einen verlegenen Blick zu und springt auf.
Der wunderschöne Moment ist endgültig vorbei. Ein tiefes Bedauern steigt in mir auf und spätestens jetzt ist auch mir zum Heulen zumute.
Aber ich versuche mir nichts anmerken zu lassen, als Juna "Ich muss nach Hause" murmelt und mit schnellen Schritten zu ihrem Fahrrad läuft. Ohne sich noch einmal nach mir umzusehen, schwingt sie sich auf den Sattel und fährt davon.
Erst als sie außer Sichtweite ist, fange auch ich an zu weinen. ...
Es ist später Abend. Ich sitze an meinem Schreibtisch, wie üblich mit meiner Schreibtischlampe als einziger Lichtquelle in der Dunkelheit, und versuche mich vergeblich auf meine Deutschhausaufgaben zu konzentrieren: "Erläutern Sie die Merkmale der literarischen Gattung Ballade am Beispiel des Gedichtes 'Es waren zwei Königskinder'." Zu aufgewühlt bin ich noch von dem Erlebnis am Strand und meine Gedanken und Emotionen tanzen Tango.
Überschäumendes Hochgefühl wechselt sich ab mit Zweifel und düsteren Grübeleien, wenn ich immer wieder darüber nachdenke, ob Juna wohl bedauert, was da zwischen uns passiert ist.
Ob sie es wohl bereut, sich mir auf diese Art geöffnet und dermaßen verletzlich gezeigt zu haben.
Und wie es wohl mit unserer Freundschaft weitergeht.
Ob es mit unserer Freundschaft weitergeht.
Plötzlich gibt mein Handy einen Ton von sich, der mich im Bruchteil einer Sekunde von Kopf bis Fuß elektrisiert. Ich halte die Luft an, als ich die eingegangene Nachricht abrufe.
Ich lese: Danke für vorhin. Juna.
Als ich schließlich im Bett liege, ist die Nacht viel weniger dunkel als sonst. Der Mond wirft sein mildes Licht durchs Fenster und scheint mir zuzulächeln.
Und als ich einschlafe, denke ich an Juna. ...
Was noch alles in "Die Wellen brechen" geschieht, erfahrt ihr nur im Roman von Jutta Swietlinski. Eine Geschichte mit feinen Zwischentönen und dem gewissen Extra!
© Wenn Hochgefühl sich mit Zweifel abwechselt: Vielen Dank an die Autorin Jutta Swietlinski für den Textauszug aus ihrem Roman "Die Wellen brechen", 05/2022.
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