|
Sechs der Schwerter
Ein Aufbruch, aber kein freudiger, sondern eher einer, der sich der Situation beugt. Das jedenfalls vermittelt das Bild des Rider-Waite-Tarot, denn es ist vorwiegend in graublauen Tönen gehalten, was die Umgebung betrifft. Ein Kahn, in dem eine Frau und ein Kind sitzen, wird über einen Fluss oder See bewegt, ein Mann führt die Stake. Das jenseitige Ufer ist ebenso unwirklich nebelhaft wie der Himmel, im Boot stehen sechs Schwerter.
Interessant ist die Farbgebung, was die Menschen auf dem Bild betrifft, denn diese tragen Kleidung in warmen Tönen – in der Farbe, die auch der Kahn hat. Die Erd- oder Feuertöne weisen darauf hin, dass hier lebendige Kraft mitgeht, dass die Menschen etwas mitnehmen, das ihnen helfen wird, wenn sie ihr ungewisses Ziel erreichen.
Und um ein solches Ziel handelt es sich, es ist eine Fahrt im Trüben – ein Aufbruch aus Verzweiflung hat stattgefunden, oder einer aus Not. Es gibt Darstellungen in anderen Decks, die einen Mann zeigen, der ein Gewässer überquert, indem er von Stein zu Stein balancieren muss, ohne dass er sein Ziel sehen kann – es ist eine schwierige Übergangsphase, die durch die Sechs der Schwerter aufgezeigt wird.
Der sprichwörtliche Sprung in das kalte Wasser ist ein passender Satz zu dem Arkanum. Wo immer die Menschen, die sich auf die schwere Fahrt begeben, landen werden ... sie nehmen ihre Vergangenheit und ihre Gedanken, ihren Schmerz mit sich. Es gilt, sich weiterzuentwickeln, und zwar unter dem Zeichen des Kummers oder der Angst vor der Zukunft.
Angst hindert viele von uns daran, den einen oder anderen notwendigen Schritt zu tun – vor allem, wenn nicht abzusehen ist, wie die Auswirkungen sind. Aber es gibt niemals eine Garantie, auch dann nicht, wenn alles positiv aussieht. Ein Wechsel jeder Art ist etwas, das überlegt werden sollte, doch gegen Unvorhergesehenes ist nun einmal niemand gefeit. Falsch im Sinne von Stagnation ist es wohl immer, wenn man niemals den Schritt wagt, der getan werden sollte. Für die Zauderer unter uns sieht eine Situation, die einen Aufbruch bedeutet, immer so trist und "nebelhaft" aus wie auf der Karte.
Für die Menschen auf dem Bild ist aber das Ziel bzw. die Zukunft nicht das Wichtigste – das nämlich sind sie selber. Alle Kraft und alles, was sie brauchen werden, liegt in ihnen selber. Die Schwerter als Symbol für den Geist, die Gedanken, und damit auch die Angst und die Sorge, bleiben ihnen ... auch wenn es geradezu wie eine Plattheit klingt: Es ist das Leben.
Neu anfangen möchten wir zuweilen alle einmal, so als könnte man alles löschen und das Drehbuch neu schreiben. Damit wäre allerdings weder Schmerz, Enttäuschung, und alles, was uns an Traurigem widerfahren kann, eliminiert – es würde auf jeden Fall keine paradiesischen hundert Prozent geben. Das Leben ist nun einmal keine Tafel, die immer wieder neu beschrieben werden kann. Wohin es uns auch führt, wir nehmen unser ureigenstes Ich mit uns.
Erscheint die Karte, ist ein Aufbruch oder auch Wechsel unvermeidlich, aber präzises Wissen um die Zukunft muss hier durch Glaube und Zuversicht ersetzt sein.
Sechs der Stäbe
Ganz anders als die Sechs der Schwerter präsentiert sich die Sechs der Stäbe. Strahlend blauer Himmel, Stäbe, die frisches Grün tragen, und auf einem schön geschmückten weißen Pferd sitzt in stolzer Haltung ein bekränzter junger Mann, der einen ebenso geschmückten Stab hält.
Ein Bild des Sieges, das ist der erste Eindruck. Und darum geht es auch, um einen selbstbewussten Menschen, der verdient seinen Sieg feiert, der die verdiente Anerkennung genießt und sich seiner Fähigkeiten bewusst ist. Er hat für sich – oder auch für die begleitenden anderen – einen entscheidenden Sieg errungen und genießt den Ruhm. So gesehen steht die Karte für alles, was in jeder beliebigen Situation positiv ist. Anerkennung, Gewinn, Sieg, gute Nachricht in jeder Hinsicht, auch Führerschaft oder entsprechende Stellung.
Aber es handelt sich nicht um den ultimativen Sieg, der vielleicht der letzten Schlacht folgt, sondern es geht eigentlich eher um einen Etappensieg. Hierher ist der Held gekommen, das hat er erreicht, und er hat es hervorragend gemacht. Er darf ohne Einschränkung die Früchte seines Erfolges genießen, aber noch ist es nicht Zeit, vom Pferd zu steigen oder die Waffen einzumotten. Zwar befindet man sich auf einem guten Weg, doch es wird noch mehr Kämpfe geben.
Diese Karte könnte vielleicht mit einer bestandenen Prüfung verglichen werden – man hat viel erreicht und kann stolz auf sich sein, aber es werden weitere folgen. Es gibt viele Bilder, die zu diesem Arkanum passen könnten: Ein Läufer, der als erster durch das Ziel kommt und auf den Schultern umhergetragen wird; ein Ritter, der triumphierend sein Schwert in der Sonne blitzen lässt – die inneren Bilder, die einen persönlichen Sieg begleiten, sind ebenso vielfältig wie die Menschen selbst. Kein Sieg kann für immer währen, denn um uns – und sogar in uns – ist alles in Bewegung ... aber wer einen Gipfel erklommen hat, darf die Aussicht genießen und sich seines Erfolges freuen.
Dieses durch und durch positive Bild kann aber auch warnen, denn alles hat zwei Seiten – das ist ein kosmisches Gesetz. So kann, je nach begleitender Aussage der anderen Karten, das Augenmerk auf einen "falschen Sieg" hinweisen, und zwar in dem Sinne, dass es eigentlich gar keiner war. Der strahlende Sieger kann durchaus auf längere Sicht der Verlierer sein, es bleibt ihm nur der momentane Triumph, der nicht lange dauert.
Wenn zum Beispiel jemand alles daran setzt, einen Rivalen bei einer Beförderung aus dem Rennen zu drängen, könnte man mit Genugtuung sehen, dass der andere die Kündigung bekommt – die ersehnte Position aber durch einen dritten Mitbewerber besetzt wird.
Möglicherweise warnt die Karte auch ganz profan davor, den Hasen zu verkaufen, bevor man ihn gefangen hat – sprich: Mit einem Sieg prahlen, der noch gar nicht stattfand. Ein weiterer Aspekt wäre, dass im Leben des Betreffenden das positive Denken fehlt, oder dass es an Zuversicht und Selbstvertrauen mangelt. Das kommt, wie gesagt auf die Fragestellung an bzw. auf die Problematik, bei der um Rat gefragt wird.
Meist allerdings gilt: Das ist der richtige Weg gewesen, du hast gewonnen, du hast etwas erreicht – mach weiter in diesem Sinne und bleibe dir treu, dann werden weitere Siege folgen.
Wer das Arkanum intensiv betrachtet, fühlt sich meist von der Hochstimmung regelrecht angesteckt. Es ist ähnlich wie mit dem Lächeln – wer es bewusst tut, gleicht seine Stimmung an. Wer an Gutes denkt, wird Gutes anziehen, das ist zwar eine Binsenwahrheit, denn jeder kennt sie – aber sie ist auf jeden Fall zutreffend.
* * * Tarot-Karte VI Schwerter und Stäbe: Ende der Leseprobe aus unserem Buch * * *
Sechs der Stäbe – Lesen Sie unser Buch zu den 78 Tarot Karten:
Hier als Buchausgabe erhältlich
Hier als E-Book (PDF-Format) erhältlich
© "Die Karte Sechs: Schwerter und Stäbe": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), Eleonore Radtberger, 2010.
Archive:
Jahrgänge:
2022 |
2021 |
2020 |
2019 |
2018 |
2017 |
2016 |
2015 |
2014 |
2013 |
2012 |
2011 |
2010 |
2009
Themen:
Rezensionen |
Krimi Thriller |
Ratgeber |
was kann man zum pendeln nehmen |
Sagen Legenden |
Fantasy Mythologie
Noch mehr Bücher lesen (Werbung):
Fantasy & Science Fiction
| Krimis & Thriller
| Ratgeber
| Reise & Abenteuer
Sie schreiben anspruchsvolle Romane und Erzählungen? Wir suchen neue Autorinnen und Autoren. Melden Sie sich!
Wenn Sie die Informationen auf diesen Seiten interessant fanden, freuen wir uns über einen Förderbeitrag. Empfehlen Sie uns auch gerne in Ihren Netzwerken. Herzlichen Dank!
Sitemap Impressum Datenschutz RSS Feed