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Sperrmüll ist immer gefährlich für Menschen, die mit wirklich offenen Augen durch die Straßen gehen. Auch für solche, die gerade nichts brauchen können von dem, das da herumsteht oder liegt. Und manchmal kommt es sogar zu einer Rettungsaktion. So war das mit einem Bekannten, der unterwegs zwei außergewöhnliche Anhalter mitgenommen hatte und um Asyl für sie bat.
Es handelte sich um zwei heimatlose Teddybären, ein größerer und ein kleinerer. Vielleicht sind es Bärenbrüder, vermutlich jedoch Mutter und Kind, oder auch Vater und Kind. Jedenfalls ein erwachsener Bär und ein Babybär. Die waren ihm aufgefallen, wie sie da verlassen zwischen alten Möbeln, Sperrholzteilen und anderen Dingen lagen. Und da nahm er sie spontan mit.
Das besondere an den beiden Glücksbären ist erst einmal ihr Alter. Das sehr helle Fell aus Mohair ist sehr spärlich geworden, so dass man das Gewebe darunter gut sehen kann. Der größere Bär hat ein offenes Schnäuzchen und macht einen sehr freundlichen Eindruck. Sogar eine dieser Brummstimmen rappelt im Bäuchlein herum, so eine wie sie jeder anständige Teddybär früher hatte. Und manchmal funktioniert sie sogar noch ein kleines bisschen.
Babybärchen guckt ein wenig ernster in die Welt, aber sein Quietschestimmchen meldet sich immer noch brav bei jedem Drücker. Voll beweglich sind sie auch, die beiden Bärenbrüder. Alle Viere kann man bewegen und sogar die Köpfe sind zum Drehen. So einen ähnlichen Bären hatte ich vor langer Zeit auch, damals waren sie alle so. Nur war meiner dunkelbraun gewesen. Aber an seine Freundlichkeit erinnere ich mich auch heute noch.
Plüschbären sind sehr oft die allerersten richtigen Kumpel, die man hat. Und die vergisst man nicht. Was richtig rührend ist: irgendjemand hat sich die Mühe gemacht, die Bären anzuziehen. Mit dünner Wolle und einem hübschen Muster wurden beide mit einem jeweils zweifarbigen Overall versehen, der vorne geschnürt wird. Vielleicht hat man das getan, um die in die Jahre gekommenen Felle zu schützen, oder die Reste davon. Oder vielleicht hat ein Kind eine Großmutter oder Mutter um standesgemäße Kleidung für die alten Teddybären angebettelt.
Die beiden Glücksbären haben eine Geschichte, da bin ich ganz sicher. Sie wurden geliebt und von irgendeinem Kind sehr geschätzt. Wahrscheinlich weit über das Kindesalter aufbewahrt, denn es sind keine modernen Teddybären. Wieso sie dann auf dem Sperrmüll gelandet sind, ist ein Geheimnis. Vielleicht ist die Person, die sie liebevoll aufbewahrt hat, gestorben und niemand sonst hatte einen Bezug dazu. Dass man sie einfach nicht mehr gewollt hat, kann ich mir nicht vorstellen. Obwohl das natürlich auch sein kann.
Irgendwer wollte möglicherweise mit etwas abschließen, sich vielleicht Relikte aus seiner Vergangenheit vom Hals schaffen. Mit Erinnerungsstücken ist es immer so eine Sache bei uns Menschen. Sie können uns glücklich machen, aber auch traurig. Meist behält man die Stücke, die das tun, trotzdem. Vorausgesetzt, man ist so ein Sammler. Einer der Angst hat, zu vergessen, wenn nicht so ein kleiner Gedächtnisanker in einer Schublade liegt, auf einem Regal den Staub anzieht oder herumsitzt, wie im Fall der zwei geheimnisvollen Glücksbären.
Mein Bekannter hatte Mitleid mit den zwei Heimatlosen, wollte sie aber nicht behalten. Und bei mir waren die zwei Bärenbrüder hochwillkommen. Sie sind jetzt schon fast zwanzig Jahre bei mir und erstaunlich gut in Form. Es ist fast, als würde ich freundliche Erinnerungen eines anderen Menschen hüten.
Wie alt die kleine Familie tatsächlich ist, weiß ich nicht. Bestimmt haben sie fünfzig Jahre auf dem haarigen Buckel. Ein bestimmtes Label habe ich nicht feststellen können, sie gehören wahrscheinlich nicht der Bären-Oberschicht der vergangenen Zeit an. Vielleicht wurde ja auch ein wenig restauriert im Laufe der Jahre. Mit schwarzem Garn Nase oder Kralle nachgestickt, wenn etwas fehlte. Die Augen sind allerdings noch klar und völlig unbeschädigt.
Ihre Geschichte werden die beiden Glücksbären nie erzählen, aber sie haben sie ja bei sich. Und so wohnen sie hier auf einem Sessel, mitsamt ihrer Legende von den geliebten, ausgesetzten und geretteten Mohair-Bären.
Ilona E. Schwartz ist die Autorin von "Mein Wundertütenhund", "Jan und die Märchenbühne der Wunder" sowie "Feen und Gnome, Damen und Helden". Informationen zu Ilonas Büchern lest ihr auf unserer Seite Taschenbücher und E-Books.
Kennt ihr von Ilona E. Schwartz auch die Serie "Puppenmodels im Maßstab 1:6"? Mehr als zwanzig Textbeiträge und jede Menge Bilder über Barbies und andere Puppenmodelle.
© Glücksbären: Die Rettung von zwei Heimatlosen. Eine wahre Geschichte über zwei Bärenbrüder. Textbeitrag und Abbildungen von Ilona E. Schwartz (Pressenet), 05/2021.
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