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Vom deutschen Horrormagazin "Zwielicht" wurden seit 2009 fünfzehn Bände veröffentlicht, zusätzlich gibt es die "Zwielicht Classic"-Reihe, von der ebenfalls 15 Bände sowie diverse Sonderbände erschienen sind. "Wolfsbrut" ist dabei die neueste Kreation und versammelt die unterschiedlichsten Geschichten zum Thema "Werwolf".
Die Herausgeber Michael Schmidt und Achim Hildebrand haben für "Wolfsbrut" eine Mischung aus mehreren Übersetzungen von klassischen Werwolf-Geschichten sowie Neuveröffentlichungen aus "Zwielicht" und anderen deutschsprachigen Anthologien verwendet.
Exklusiv sind in diesem Sonderband drei neue Geschichten enthalten, die für diesen Band geschrieben wurden. Die versammelten Stories decken einen Zeitraum von 1925 bis 2021 ab und zeigen die Vielfalt, mit der man sich dem Genre "Horror" widmen kann.
Unsere Empfehlung für Freunde des gepflegten Grauens: Die Horror-Anthologie "Wolfsbrut" wurde im September 2021 als 360 Seiten starkes Taschenbuch sowie auch als E-Book veröffentlicht.
Die Frau kocht. Er auch, aber vor Wut. Der Mann sitzt in seinem – Achtung jetzt kommen Anführungszeichen – Arbeitszimmer vor seinem Rechner. Sie reden nicht mehr viel miteinander. Ihre Meinungen gehen auseinander und bevor sie streiten, schweigen sie lieber. Er sieht zur geöffneten Tür, kann sie in der Küche sehen. Er steht auf und schließt die Tür, weil er wütend ist.
"Wie kann man so einen Scheiß wählen? Wie kann man bloß so dumm sein?", zischt er, gibt seiner Empörung eine leise Stimme. Weil seine Frau sonst sagt, er solle sich nicht immer so aufregen. Er schmeißt sich in seinen Bürostuhl, trinkt einen großen Schluck Bier und verfolgt weiter die Kommentare auf der Facebookseite der Tagesschau.
"Wie dumm ...", sagt er und kommentiert einen Kommentar bei dem jemand seine Sympathie für eine Wahlhochrechnung bekundet. Beide Zeigefinger prügeln Hass in die digitale Welt, die größere Return-Taste wird mit einem "So!" final mit Genugtuung bedient. Der Mann bläht die Backen auf, wischt sich den Schweiß von der Stirn, sein Herz pocht, er spürt den Schlag an seinen Schläfen. Noch ein Schluck Bier.
"Ist alles gut, Frank? Du schnaufst so. Ich hör dich bis in die Küche schnaufen!"
"Ja, ja, is' alles gut. Koch einfach weiter!", antwortet er, nimmt seinen Zorn aus der digitalen Welt mit in diesen Satz hinüber. Ein Fehler, den er sofort einsieht.
"Du musst noch den Müll rausbringen, du wolltest den Kühlschrankgriff reparieren und dich um deine Angelegenheiten beim Jobcenter kümmern. So findest du keine Arbeit, wenn du da in der Stube hockst und dich über ..."
"Aber ... das geht hier um Deutschland!", wirbt er um Verständnis für seine Tätigkeit, die ihm sehr wichtig erscheint. Er demonstriert schließlich auch und will Veränderungen. Tiefgreifende Veränderungen, aber die zu verstehen, wäre, wie er annimmt, für seine Frau zu hoch.
Wenig später sind ihm die Treppenstufen zurück in den dritten Stock auch zu hoch, nachdem er den Müll runtergebracht hat. Und der Geruch im Treppenhaus widert ihn an. Seine Nachbarn widern ihn an. Wenn er schon die Namen auf den Klingenschildern liest ...
Er wirft die Tür hinter sich zu und verschwindet wütend zurück in die digitale Welt, fest in der Überzeugung, diese oder zumindest sein Heimatland retten zu können. Er chattet mit einer Facebook-Bekanntschaft, Lastwagenfahrer aus Chemnitz, und gemeinsam empören sie sich und geben sich Halt gegen das feindliche und immer fremder werdende Außen. Frank öffnet ein weiteres Bier, trinkt und stößt auf, kommentiert, noch ein Bier, noch ein Chat und eine Stunde verfliegen wie wenige Sekunden. Er merkt, dass das Bier ihn benebelt, entsprechend wortkarg essen sie gemeinsam zu Mittag. Und auch so hält es ihn nicht lange am Tisch, der Sog der digitalen Revolution wirkt zu stark auf ihn.
Am frühen Nachmittag streitet er sich mit einem, wie er sie nennt, Gutmenschen und immer muss dieser Kerl das letzte Wort haben. Irgendwann reicht es Frank und er verhöhnt den anderen Nutzer, seine Kommentare werden mutiger, seine Auslegung der Rechtschreibung aber auch. Er nutzt viele Großbuchstaben und Ausrufezeichen, worauf der andere ihn ironisch hinweist und sofort mehrere Likes einfährt.
"Das kann ja wohl nicht sein!", knurrt Frank, sieht sich jetzt wie einen Idioten dastehen. Er schreibt einen Kommentar, in dem er körperliche Gewalt androht. Der Typ wohnt gar nicht so weit entfernt von ihm, sieht er anhand einiger Beiträge des anderen und sollte besser aufpassen. Mit seinem Motorrad wäre er in zwanzig Minuten da. Für einen kurzen Augenblick keimen Bedenken auf, moralische Einwände, aber sie gehen im Nebel des Alkohols unter. Er drückt final auf die Enter-Taste und veröffentlicht damit seinen Schlachtruf. In die Schlacht ziehen darf er hingegen nicht, da er für einige Tage gesperrt wird. ...
Die Horror-Anthologie "Wolfsbrut" enthält Kurzgeschichten von:
Vincent Voss – Lupus in Digitalis (2021)
Jakob Schmidt – Eine andere Wildnis (2009)
Achim Hildebrand – Lycantropulus (2004)
Hugh Walpole – Tarnhelm (1933)
Silke Brandt – Die schwarzen Segel von Wolin (2021)
Peter Nathschläger – Die Wölfe von Nebraska (2009)
Erik Hauser – Onkel Herberts große Stunde (2016)
Arthur Leo Zagat – Die Mitternachtsbestie / Midnight Fangs (1934)
Harald A. Weissen – Wolf...wer? (2020)
Tobias Lagemann – Und dann begann das Sterben (2019)
Michael Schmidt – Maria (2008)
Seabury Quinn – Dunkel der Zeiten; Out of the Long Ago (1925)
Karin Reddemann – Anders, aber auch gut (2021)
Weiterhin ist ein Textbeitrag von Silke Brandt enthalten: "Berserker, Freibeuter, Untote (Werwolfkonzepte zwischen Skandinavien und Osteuropa)". Das Titelbild von "Wolfsbrut" wurde von Björn Ian Craig entworfen.
Alle Bücher dieser Magazin-Reihe und noch viel mehr finden Sie im Autorenprofil von Michael Schmidt bei Amazon.
Lesen Sie hier mehr Horror und Phantastik: Zwielicht III: Das Tal der Tiere | Zwielicht X: Unsere Rezension zum Jubiläumsband | Auf unserem Literaturportal bieten wir weitere interessante Buchvorstellungen mit Textauszügen aus der "Zwielicht"-Reihe, die Sie über die integrierte Suchfunktion unter dem Begriff 'Zwielicht' finden können.
© Für die Texte zur Buchvorstellung "Die deutsche Horror-Anthologie Wolfsbrut" danken wir dem Herausgeber und den beteiligten Autoren sehr herzlich, 10/2021.
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