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Der Autor Robert Hammer erzählt in "Nachtbrüter" über das Leben eines Gutsbesitzers aus gutem Hause, dessen Schicksal und Familie von einer Plage heimgesucht wird.
Wenn der Abend dämmert und allmählich Ruhe auf der Welt einkehrt, genießen die Menschen den damit einhergehenden Frieden. Gerade nach einem arbeitsreichen Tag im sengenden Schein der Sommersonne sind viele für die kühle Abendluft und das gleichmäßige wie beruhigende Zirpen und Surren dankbar, welches die Myriaden von Gliedertieren erzeugen, die sie umgeben.
Doch wehe dem, welcher um die Geheimnisse aus alter Zeit weiß, nicht arglos an die Folianten vergangener Gelehrter und Hexenmeister zu denken vermag, Kenntnis davon hat, dass die Geschichten über ihre Kunde mehr als nur bloße Mähren sind.
Unsere Lese-Empfehlung: Robert Hammer hat seine Erzählung im Oktober 2023 in einigen Online-Bookstores veröffentlicht (als ePub via Xinxii, als Kindle via Amazon). Das E-Book hat eine Lesezeit von ca. 40 Minuten (ca. 15 Buchseiten). Die Illustration des Buchumschlags stammt von Patrick Simon. Herausgeber ist der Other Norms Verlag.
Mit Grauen reagierten meine Frau und ich auf den Schrei des Kindermädchens, als dieses sich im Zimmer meiner Nachkommenschaft aufhielt. Die Schaben waren in die Wiege gekrochen und hatten meiner Tochter Augenlider und Finger zerfressen. Ich fluchte und schimpfte und gab ungerechtfertigter Weise meinem treuen Freund die Schuld an der Misere, welcher meine Vorwürfe hinnahm und sich tatsächlich für alles verantwortlich fühlte. Er schwor, sich abermals um das Problem zu kümmern und diesmal rigoroser vorzugehen. Nach seinen Bemühungen hörte ich, wie ich zugeben mußte, in der Tat nicht mehr länger das widerliche Tschirpen in der Nacht. Wie genau es meinem Freund gelang, das Geziefer zu vertreiben, erfuhr ich jedoch nicht, jedenfalls schien er diesmal keine chemischen Lösungen verwendet zu haben.
Jahre vergingen, bis sich der Verlust ob wegen der eingestürzten Minen ausgleichen ließ. Mein Sohn war inzwischen zu einem kecken jungen Burschen herangewachsen, dem es zwar an Spielgefährten, wie mein treuer Freund mir in meiner Kindheit einer war, mangelte, sich stattdessen aber hingebungsvoll um seine jüngere Schwester kümmerte, die ein schweres Los mit ihrer entstellten Erscheinung zu erdulden hatte. Ich konnte verstehen, weshalb sowohl Dienerschaft als auch mein Weib ihre Nähe unbewußt mieden. Der Blick der immerzu geröteten Augen des Mädchens sowie ihre ungeschickte Art, nach etwas zu greifen, indem sie mit den Fingerstummeln danach angelte, konnten recht abstoßend wirken. Ich liebte meine Tochter aber weiterhin und sah über diese Äußerlichkeiten hinweg wie mein Sohn, ihr geliebter Bruder. Gleichsam mein treuer Freund, der sich um meinen Nachwuchs sorgte wie ein gütiger Oheim, welcher ihnen gelegentlich sogar eine kleine Weise vortrug. Mit seltsamer Melodie und stets unverständlichen Strophen.
Ein wenig fremd wurde mir der Junge von einst nun doch. Seit jener Zeit, in welcher meine Tochter so gezeichnet worden war, verhielt er sich anders als zuvor. Nur noch selten fanden wir beide die Zeit, um uns untereinander auszutauschen und die friedvolle Zweisamkeit eines offenen Gesprächs unter Freunden zu genießen. Seinen Pflichten kam er zwar weiterhin nach und ließ nichts an seiner bisherigen Treue missen, die ich ihm stets mit entsprechender Dankbarkeit vergütete und längst bereute, ihn für das vergangene Unglück meiner Tochter verantwortlich gemacht zu haben, doch etwas hatte sich nun einmal verändert. Ich verstand nur nicht, worum es sich dabei handelte.
Bald vergaß ich diese Gedanken, denn erneut kam es zu einem jener heißen und schwülen Sommer, welche mir familiär und bei meinen Geschäften nur Kummer bescheren sollten. Die Grillen zirpten so laut wie nie und entfachten eine Kakophonie, die auf schreckliche Weise den Lauten der Schaben entsprach. Und wie viele ihrer hüpfenden Anverwandten es in diesem Jahr doch gab. Heuschrecken, soweit das Auge reichte. Sie fraßen alles. Verzehrten die gesamte Ernte.
Wieder wandte ich mich an meinen alten Freund, welcher selbst ohne Vorwurf sich die Schuld zuschrieb. Er hätte dies kommen sehen müssen, so behauptete er. Ein weiteres Mal wollte er mit Hilfe seines Wissens gegen die Scharen vorgehen und zur Eindämmung der gierigen Heere mahlender Mäuler Maßnahmen ergreifen. Ich hinterfragte seine Methoden nicht, zuletzt hatten sie unbestreitbar Wirkung gezeigt, und die Plage wurde immer schlimmer. Schon wieder fanden sich die Schaben auf dem Gut, nun zwischen den abgenagten Stängeln, welche von den zuvor noch prächtigen Feldern geblieben waren. Jede Nacht konnte man von der Veranda aus ihr Huschen und Rascheln hören. Ebenso ihr Tschirpen und Fauchen, das sogar die Grillen übertönte und sich mit ihren Klängen vermischte.
Eines morgens waren sie alle verschwunden. Sie kamen in der Nacht auch nicht wieder. Die Felder blieben frei von ihnen wie auch den Heuschrecken, und mein Freund versicherte mir, daß dies so bleiben würde. Er hätte sie ein für allemal unter Kontrolle. Ich wollte darauf hoffen.
Etwas befremdlich schien es mir doch, als das Geräusch der Grillen des nachts gleichfalls ausblieb. Auf dem gesamten Gut herrschte absolute Stille, denn ohne das Geziefer kamen nicht einmal mehr die Vögel hierher.
Mit der Stille kehrte auch der Schwermut im Haus meiner Familie ein. Meine Frau blieb den Tag über in unseren Gemächern, und am Abend schweigend auf der Veranda, wo sie angestrengt zu lauschen schien, ob nicht doch eine Grille sich melden würde. Ich selbst gewöhnte mich recht schnell an die Ruhe und war offengestanden froh, nicht mehr länger die Laute des allmählich voll und ganz verhaßten Geziefers zu vernehmen.
Als der Winter langsam in das Land einkehrte und man sich erneut vor dem Kaminfeuer traf, änderte sich dies schnell wieder. Ich meinte, jenseits des Knisterns der Flammen jenes mir Unbehagen bereitende Huschen und Rascheln von trippelnden Schaben zu hören. Dann ihr Fauchen. Tschirp. Tschirp. Tschirp. ...
Wie die Geschichte in "Nachtbrüter" weitergeht, erfahrt ihr in Robert Hammers Horror-Erzählung.
Von Robert Hammer hatten wir bereits zuvor vorgestellt: Stille Träume: Der Letzte Schnee (Jugendroman, 2019) | Adam Ethan: Leben auf großem Fuß (Jugendbuch, 2018) | Starfall: A New Beginning (Science-Fiction, 2018). Mit Klicks auf die Links gelangt ihr zur passenden Buchvorstellung.
© Dem Autor danken wir herzlich für den Textauszug aus seinem E-Book, und dem Other Norms Verlag für die Abbildung des Buchcovers, 10/2023.
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