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Valentina Nightingale, die Bestsellerautorin von Liebesromanen, hält ihre letzte Autorenlesung. Am Morgen danach treibt ihre Leiche im Ententeich des Stadtparks. Was sie während der Lesung als humorvollen Kommentar über ihren nächsten Roman zum Besten gab, hat sich offenbar bewahrheitet: gewisse autobiografische Abschnitte enthalten eine tödliche Enthüllung. Aber welche?
Der Privatdetektiv und Bücherwurm Gotthilf Leberecht hat in der Schriftstellerin seine heimliche Jugendliebe wiedererkannt, doch wird ihm bei seinen Ermittlungen ihr Manuskript vorenthalten. Da geschieht ein zweiter Mord im literarischen Umfeld Valentinas.
Nicht nur für Krimifreunde ist "Roman mit Todesfolge: Leberechts erster Mord" ein heißer Lesetipp. Die Taschenbuch-Ausgabe von Michael Kothe, der Spezialist für Kurzweil, Spannung und Fantasie, umfasst runde 260 Seiten und wurde, wie auch das E-Book, im Mai 2022 vom Telegonos-Verlag herausgegeben. Zumindest eine schlaflose Nacht wird euch garantiert.
Rauch. Rauch, der seine Lungen verätzte, und Qualm, der in seinen Augen brannte. Dazu diffuser Lärm, Schreie nicht in seiner Muttersprache. Aber an das nächtliche Geschrei und an das Jammern hatte er sich gewöhnt. Folter war zwar nicht an der Tagesordnung, aber ebenso wenig ausgeschlossen. Nur der Rauch, der passte nicht zu seinem Traum, er war zu körperlich, zu real. Also wachte er auf.
Weder verzog sich der Rauch, noch verstummten die Rufe. Langsam kehrten seine übrigen Sinne zurück. Er schmeckte verbranntes Gummi und öligen Dampf, aus dem Geplärre hörte er hektische Tritte heraus, das Quietschen ungefetteter Scharniere, das Nachfedern eiserner Gitter beim Zuschlagen und vereinzelte Schüsse. Dumpf drängte sich seinem Gehör das Prasseln von Flammen auf, und endlich, endlich klärte sich sein Blick. Er erkannte seine Zelle, graue, stinkende Schwaden zogen durch das Gitter vom Korridor quer durch den kleinen Raum und verwehten draußen vor dem winzigen, hoch oben in die Wand gehauenen Fensterloch. Er war allein, die drei Betten über und gegenüber von seinem waren leer, die Zellentür stand offen.
Noch schlaftrunken drehte er sich zur Bettkante, suchte mit den Zehen seine Schnürschuhe ohne Schuhbänder, denn die hatte man ihm vor Ewigkeiten bei seiner Inhaftierung abgenommen, und schlüpfte hinein. Schritte und Schreie wurden leiser, sie entfernten sich in Richtung des Gebäudeflügels, aus dem das Prasseln von Feuer, die Schüsse und unverständliche Rufe herüberdrangen. Ihm schien es, als würde der Rauch sich verdichten. Er musste hier weg!
Ein kurzer Rundumblick genügte ihm, um anzuzeigen, dass er nichts mitzunehmen brauchte, ja, nichts hatte, das er hätte mitnehmen können. Einzig das Taschenbuch kam ihm in den Sinn, daran lag ihm viel.
Ausgerechnet hier in einem lateinamerikanischen Land hatte er es in der Gefängnisbibliothek gefunden. Zwei Tatsachen hatten ihn zuerst überrascht und dann fasziniert, bevor er eine dritte erkannte. Erstens bestand die gesamte Gefängnisbücherei aus einem einzigen Aktenbock auf Rollen, und zweitens stand darauf zwischen die Bücher in spanischer Sprache gequetscht genau dieses eine auf Deutsch. Mehr aus einer Laune heraus hatte er es gegriffen, die Absicht, es zu lesen, drängte sich ihm erst auf, als er den Einband aufgeklappt hatte. Spontan weckte das Schwarzweißporträt der Schriftstellerin Erinnerungen. Mit dem Zeigefinger fuhr er darüber, zog Kreise um das Gesicht. Es waren Erinnerungen an seine Schulzeit. Erst vage, dann immer dichter. Ein Pseudonym konnte lügen, sollte es sogar, denn das war sein Zweck. Ein Foto aber, genauer gesagt dieses Foto, war untrüglich: Frieda ... Frieda Deutsch, seine ehemalige Klassenkameradin und seine erste Liebe. Seine Gefühle hatte er ihr nie offenbart.
Er vergewisserte sich, dass die losen Blätter, beschrieben in seiner Handschrift - erste Seiten eines Manuskripts, seines eigenen - nicht aus dem Einband herausfallen konnten, und ließ das Buch in die Tasche seiner Cargohose gleiten. Hastig verließ er die Zelle, die er die letzten Jahre über als sein Heim zu bezeichnen gezwungen war.
Vom Treppenhaus her, in dem die Stimmen und das Getrappel nach unten hin verstummten, quoll ihm dichter werdender Rauch entgegen. Er hustete, wurde sich klar darüber, dass er dort weder atmen noch bei der Sichtweite einer Unterarmlänge die Orientierung behalten könnte. Zum entgegengesetzten Flurende hin machte er keine Hindernisse aus, zumindest nicht bis zur Feuerschutztür. Er betete, dass sie nicht von außen durch abgestellte Möbel oder aufgetürmte Akten versperrt sei, und hastete der erwarteten Rettung entgegen. Den Schmerz in seiner Schulter ignorierte er. Wichtiger war, dass sein Körpergewicht immer noch ausreichte, erfolgreich gegen das stählerne Türblatt und den Türschließer anzukämpfen und die Tür öffnen zu können.
Ein Stockwerk tiefer bot sich ihm das gleiche Bild wie auf seiner Etage. Ein Stöhnen ließ ihn verharren, und als er die Stimme erkannte, siegte sein Verantwortungsgefühl über den Fluchtinstinkt.
Echte Freundschaft war in diesen Mauern kaum zu Hause, aber Kameradschaft, wenn auch meist zweckgebunden, ließ einen das Leben leichter ertragen. Er ballte die Fäuste, als er sah, dass die Gefangenen auf ihrer Flucht nicht nur ihn, sondern auch den zweiten Deutschen seinem Verhängnis überlassen hatten, seinen einzigen Freund in dieser Hölle. Der lag in seiner Zelle und starrte reglos das Bettgestell über sich an. Als er eine Bewegung bemerkte, drehte er den Kopf und lächelte den Ankömmling an, der sich zu ihm herabbeugte und ihm die Arme entgegenstreckte.
"Häng dich auf meine Schultern, ich schleppe dich hier raus."
"Vergiss es, mein Freund!" Sein Lachen ging in einem Husten unter, ein Faden blutigen Speichels löste sich langsam aus seinem Mundwinkel und sackte aufs Kissen. "Es ist zu spät. Lass mich, es ist mir eine Genugtuung, diese Hölle brennen zu sehen. Mit diesem Bild vor Augen verlasse ich die Welt gern." Ein schleimiger Husten bäumte ihn zwei-, dreimal auf, in seinen Speichel mischte sich mehr und mehr Blut. "Du sieh zu, dass du Land gewinnst! Vorher, vorher aber muss ich dir etwas geben." Mit der Rechten öffnete er seinen Hosenbund und nestelte an seinem Unterleib. Als er die Hand hervorzog, streckte er sie seinem Besucher hin. Seine Stimme war stockend, wohl gleichermaßen dem Bluthusten wie auch einem Lachanfall geschuldet. "Da haben sie ... da haben sie nie gesucht. Zim... Zimmer 115. Pension Esplanade. Unter ... dem Bett ist eine Kassette ... eingelassen. Es ist nur ein kleiner Dank dafür, wie du mir in deinen zwei Jahren hier geholfen hast. Wem sonst sollte ich es auch geben? Und nun geh!"
Länger als nötig drückte der Besucher dem Sterbenden die Hand. Dass er gegen die Lungenkrankheit, der sich nun die Rauchvergiftung hinzugesellen würde, nichts tun konnte, wusste er schon seit einiger Zeit. So zog er den Abschied lediglich ein wenig hinaus, bis die erschlaffte Hand einen winzigen Schlüssel freigab, der an zwei handlangen geflochtenen Kordeln hing. Deren Farbe glich der Haarfarbe des Toten, über diese Entdeckung wollte er sich aber keine Gedanken machen. So senkte er kurz den Blick in Erinnerung an einige gemeinsame Erlebnisse und drückte dann dem Toten die Augen zu.
Der Weg aus dem Gefängnis führte ihn in den Flügel, in dem die Gefängnisverwaltung residierte. Offensichtlich war er nicht der Erste, der sich hier Zugang verschafft hatte. Blutspuren führten zur gegenüberliegenden Tür hinaus, Einschusslöcher in den Wänden und umgestürzte Möbel zeugten davon, dass Wärter und Personal der Revolte nicht gewachsen gewesen waren. In Zustimmung für die Absicht seiner Mitgefangenen, diese Hölle in Flammen zu setzen, lachte er grimmig. Auf den am Boden aufgehäuften Polstern zerstörter Schreibtischstühle tänzelten Flammen, als suchten sie in bewusster Absicht einen Weg zu dem hölzernen Mobiliar daneben. Eilig stieg er über angekohlte Ordner und einzelne Blätter, getrieben von der plötzlichen Eingebung, in einem der Schränke vielleicht seine Akte zu finden. ...
Unser Lesetipp: In "Roman mit Todesfolge" ermittelt der Privatdetektiv Gotthilf Leberecht, ein Mensch mit zwielichtiger Vergangenheit, zusammen mit seiner Vermieterin und seiner Putzfrau im Mord an seiner heimlichen Jugendliebe, der Bestsellerautorin Valentina Nightingale. Besser lernt ihr den aufmerksamen Detektiv auf seiner eigenen Website kennen.
Beachtet auch unsere Empfehlungen zu diesen Büchern von Michael Kothe: sein Fantasyroman "Siebenreich" sowie der Kriminalroman "Schmunzelmord".
© Für die Textauswahl zur Buchvorstellung "Roman mit Todesfolge: Leberechts erster Mord" sowie die Abbildung des Buchcovers danken wir dem Autor Michael Kothe sehr herzlich, 06/2022.
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