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Dieser Kriminalroman wurde seit seiner Verfilmung 2022 stark nachgefragt und ist seit etwa 15 Jahren im deutschen Buchhandel nur noch antiquarisch erhältlich (ursprünglich im Piper-Verlag Anfang 2001 erschienen und 2002 mit dem renommierten Friedrich-Glauser-Preis für das beste Krimi-Debüt des Jahres ausgezeichnet).
Berlin im Jahr 2000, ein Sommerabend: Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann will es sich vor dem Fernseher gemütlich machen, da wird er zum Nachtdienst in die Klinik gerufen und die Sanitäter liefern gleich einen Notfall ein. Dr. Hoffmann kann nur noch den Totenschein ausstellen. Er kennt den Mann, hat ihn schon einmal behandelt. Außerdem gehörte Mischa zur Putzkolonne des Krankenhauses. Am nächsten Morgen sind Totenschein und Leiche verschwunden, die von Dr. Hoffmann angeordnete Obduktion nicht durchgeführt.
Krankenhausfinanzierung, Bettenabbau und fortschreitende Privatisierungen im Gesundheitswesen bilden den Hintergrund dieses spannenden Kriminalromans. Geschrieben vom Insider Christoph Spielberg, gibt diese Skandalchronik Einblick in ein deutsches "House of God" und es ist beklemmend, wie aktuell dieser Hintergrund weiterhin ist.
Unser Buchtipp: Der Taufkirchener HELLER Verlag hat Anfang November 2023 eine leicht aktualisierte Neuausgabe im Taschenbuchformat herausgegeben. Werbung: Der Kriminalroman von Christoph Spielberg umfasst 348 Seiten und trägt die ISBN 978-3929403749. "Die russische Spende" ist auch als E-Book und Hörbuch im Handel erhältlich.
Tatsächlich tauchte Celine nach wenigen Sekunden wieder auf.
"He, Du hast dir bestimmt nicht die Hände ..."
Mir erstarb der Scherz auf den Lippen. Celine stand in der offenen Tür zu Bredows Bad. Ihr Gesicht war aschfahl, das Dreieck zwischen Hals und Brustansatz dagegen hochrot mit weißen Flecken.
"Da ... ist ... jemand ... im ... Bad."
Celine stand immer noch stocksteif unter der Tür. Sie hatte nicht die Hände gehoben, und ich sah auch niemanden hinter ihr, zum Beispiel mit einer auf sie gerichteten Waffe. Aber, es sah auch nicht nach einem Scherz aus.
"Wer ist im Bad?"
Eine ziemlich blöde Frage. Selbst wenn es jemand aus dem Krankenhaus war, würde Celine ihn kaum kennen.
"Ich ... glaube, du ... kommst ... besser mal."
Die Wahrscheinlichkeit, in dieser Nacht hier auf Dr. Bredow zu treffen, war gering gewesen, aber nicht null. Er hätte in seinem Büro sein können und damit die Dramatik unserer Unternehmung ziemlich erhöht. Gesteigert noch, wenn er Celine im Klo ertappt hätte.
Doch Dr. Bredow konnte niemanden mehr ertappen. Er hing voll bekleidet am Fensterkreuz seines Fünfzigtausend-Euro-Badezimmers, selbst die Brille hatte er aufbehalten. Nur seine Hose war leicht unter die Taille gerutscht, für einen festen Sitz fehlte ihr der Gürtel. Dieser war als Schlaufe um seinen Hals gelegt und am Fensterkreuz verknotet. Etwas entfernt von seinen knapp über den Bodenfliesen baumelnden Füßen stand ein umgestürzter Hocker. Dr. Bredow wirkte fast lässig, wie er so an seinem Hosengürtel hing, mit beiden Händen in den Hosentaschen.
"Wer ist das?"
Ich hatte schon bei Luigi gewusst, dass heute etwas schief gehen würde.
"Scheiße." ...
Ich kenne Pathologie-Oberpfleger Karl gut. Das Wort Pfleger mag im Zusammenhang mit seiner Klientel nicht ganz passend erscheinen, aber tatsächlich erfahren die Toten von ihm oft mehr Pflege, als ihnen zu Lebzeiten auf der Station zu teil geworden war. Und im Gegensatz zu den Damen im Personenstandswesen ist Karl mit seinem nicht sehr subtilen, aber ehrlichen Beileid vielen Hinterbliebenen ein wirklicher Tröster. Unsere Beziehung reicht Jahre zurück, in die Zeit meines Staatsexamens. Für eine nicht übertriebene Gratifikation (eine Flasche Meisterbrand von Aldi) hatte er mir damals am Tag vorher die Leichen gezeigt, die in der Prüfung drankommen würden.
Karl mochte ein kleines Alkoholproblem haben, aber dass er einen Leichenschauschein nicht lesen konnte oder Leiche und zugehörigen Leichenschauschein verwechseln sollte, schien mir ausgeschlossen.
Als ich die Pathologie endlich erreicht hatte, sortierte er gerade Sektionsberichte und histologische Befunde ein.
"Du siehst toll aus, Doktor! Nachtdienst gehabt?" Wir duzten uns noch aus der Zeit der Prüfungsleichen.
"Habe ich, Karl. Aber als der gelbe Mischa kam, war ich noch durchaus imstande, den Leichenschauschein ordentlich auszufüllen. Also – warum keine Sektion? Ich habe 'Todesursache nicht aufgeklärt' angekreuzt."
"Du? Ich habe keinen Leichenschauschein von dir, Doktor."
"Du hast keinen Leichenschauschein von der gelben Leiche?"
"Natürlich habe ich. Wie, denkst du, kann ich die Leiche sonst herausgeben!"
"Kann ich den Leichenschauschein mal sehen, Karl?" Karl wurde jetzt zwar nicht unsicher, aber doch genau.
"Du kannst unsere Kopie sehen. Das Original haben die Leute vom Bestattungsinstitut. Wie sollen sie sonst die Leiche unter die Erde bringen!"
Karl holte den Ordner "Leichenschauscheine" aus seinem Regal und gab mir den obersten. Es war der richtige. "Tschenkow, Mischa. Geboren 20. April 1971. Verstorben gestern um 19 Uhr 10." Aber – es war nicht meine Schrift. Ich blätterte weiter. "Todesursache: Natürlicher Tod. Sektion: verweigert." Unterschrieben war er mit "Dr. Klaus Schreiber, Assistenzarzt".
Ich gab Karl den Leichenschauschein zurück.
"Stimmt was nicht, Doktor?"
"Wer hat die Sektion verweigert, Karl?"
"Was weiß ich. Die Angehörigen wahrscheinlich, wer denn sonst. Musste Schreiber fragen."
Genau das würde ich tun.
Von der Patho stürmte ich direkt in das Arztzimmer der IIIc. Marlies diktierte Arztbriefe und entschädigte sich für diese ungeliebte Arbeit mit einem Stück Streuselkuchen, den feinen Puderzucker ziemlich gleichmäßig über ihre Lippen, das Diktiergerät und die Krankenakten verteilt. Schreiber war am Zusammenpacken, als junger Vater versuchte er, pünktlich nach Hause zu kommen.
"Was ist passiert, Schreiber?"
"Was soll passiert sein? Ich habe einen beschissenen Nachtdienst gehabt auf unserem tollen Notarztwagen, habe heute sechs Patienten entlassen und sieben neue aufgenommen, und ich habe mich in der Röntgenbesprechung von Kindel anmachen lassen. Außerdem habe ich eine Frau und ein Kind und gehe jetzt nach Hause."
"Ich komme gerade aus der Patho. Den gelben Russen von gestern Abend haben sie schon abgeholt."
"Na und?"
"Er ist nicht von der Gerichtsmedizin abgeholt worden. Er ist noch nicht einmal obduziert worden. Es gibt plötzlich einen neuen Leichenschauschein, von dir ausgefüllt und unterschrieben. Todesursache 'Finales Herz-Kreislauf-Versagen. Sektion verweigert'."
Ich meinte, ein leichtes Zittern seiner Hände beim Umpacken seiner Sachen in seinen Pilotenkoffer zu sehen. Aber immerhin war der Mann seit zweiunddreißig Stunden auf den Beinen.
"Meinst du nicht, Felix, 'finales Herz- und Kreislaufversagen' trifft den Tod eines Menschen in der Regel recht genau?" mischte sich Marlies mit einem Bissen Streuselkuchen zwischen den Zähnen ein.
"Ich will wissen, Schreiber, warum du einen neuen Leichenschauschein ausgefüllt hast."
"Weil es so einfacher ist." ...
"Haben Sie einen Verdacht, wer das hier angestellt hat?"
"Nein, ich habe keine Idee."
"Wer wusste, dass Sie Nachtdienst hatten?"
"Jede Menge Leute. Die Schwestern in der Klinik, meine Kollegen, die Patienten auf der Aufnahmestation. Allerdings wusste niemand vorher, dass ich Nachtdienst haben würde."
"Wieso? Haben sie keinen Dienstplan?"
"Ein Kollege ist ausgefallen, ich musste einspringen."
"So, so, sie mussten also ganz plötzlich einspringen."
"So ist es."
Er mochte mich nicht. Es war unklar, ob sich seine Abneigung auf mich persönlich oder auf Ärzte im Allgemeinen bezog. Vielleicht auf mich, weil ich mit Celine rummachen konnte, während er Besoffene aus der Kneipe schleppen oder Kreidestriche um zermatschte Unfallopfer ziehen musste. Vielleicht auf den Doktor, der als Student bestimmt auf diesen Demos gewesen war, die ihm statt gemütlicher Wochenenden jede Menge Überstunden und Beschimpfungen als "Nazi" oder "Bullenschwein" eingebracht hatten. Warum sollte ich ihm erzählen, dass ich kaum auf Demos gewesen bin? Insbesondere nicht in Anwesenheit von Celine, die mich aus der historischen Perspektive ihrer neunundzwanzig Lebensjahre zu den Achtundsechzigern zählt, von deren Heldenmut sie schon als Kind in der elterlichen Wohngemeinschaft gehört hatte. Tatsächlich war ich damals gerade mal dreizehn Jahre alt, und sicher intensiver mit Masturbieren beschäftigt als mit der Weltrevolution.
"Haben Sie Drogen im Haus?"
"Warum sollte ich Drogen im Haus haben?"
Für den Polizisten eine eher rhetorische Frage, ich fand mich langsam ganz gut in seinem Denkschema zurecht. Natürlich haben Ärzte Drogen im Haus. Die kommen ohne Probleme an das Zeug ran. Sie nehmen es selbst, weiß man doch, Ärzte sind süchtig, und wahrscheinlich dealen sie auch damit.
"Na, hören Sie mal, Herr Doktor. Sie als Arzt ..."
"Arzt bin ich in der Klinik. Da war ich die letzten dreißig Stunden. Jetzt bin ich zu Hause. Privatmann. Und ziemlich müde. Ich will eigentlich nur ins Bett, aber man hat in meine Wohnung eingebrochen und alles auf den Kopf gestellt. Nein, keine Drogen im Haus."
"Also, Sie haben einen Nachtdienst extra gemacht, außerhalb des normalen Dienstplans. Brauchen Sie Geld?"
Ich versuchte, ihm zu erklären, dass seine logische Verknüpfung falsch war und deshalb auch seine Frage. Und dass ich ihm bereits gesagt hatte, dass ich für einen Kollegen einspringen musste. Aber der selbsternannte Kommissar ließ sich nicht so leicht von seiner Motivsuche abbringen.
"Haben Sie eine Hausratversicherung?"
"Ja, habe ich."
"Und wie hoch sind Sie versichert?"
"Da müssen Sie Frau Bergkamp fragen", ich deutete auf Celine. "Bei ihr ist die Wohnung versichert."
"Sie haben also erst Ihre Versicherungsagentin angerufen und dann die Polizei?"
Wieder ein Blick zu seinem Gehilfen.
"Ich habe Frau Bergkamp als Freundin angerufen. Sie wird mir beim Aufräumen helfen. Wenn Sie endlich Ihre Arbeit gemacht haben."
Polizist Schweinebacke schaute sich betont bedächtig im Wohnzimmer um.
"Was ist denn eigentlich gestohlen worden?"
"Ich weiß nicht, ob überhaupt etwas gestohlen ist. Bisher ist mir nichts aufgefallen. Aber ich habe mich auch noch nicht gründlich umgesehen."
"Es hat Sie nicht interessiert, ob was gestohlen wurde?"
"Hören Sie, was mich im Moment interessiert, ist zu erfahren, was Sie zu unternehmen gedenken, außer mir Drogengeschäfte, Versicherungsbetrug und was weiß ich zu unterstellen."
"Was meinen Sie mit unternehmen?"
Ich fühlte mich auf der Seite der Verlierer. Ich war müde vom Nachtdienst, kam mir irgendwie beschmutzt vor und empfand den Einbruch als Verletzung meiner Intimsphäre. Plötzlich konnte ich mir zumindest ein wenig vorstellen, wie sich eine vergewaltigte Frau fühlt.
Ich knurrte die beiden an.
"Ich meine, dass hier ein Verbrechen verübt worden ist. Und ich meine, dass zu einem Verbrechen Verbrecher gehören. Und ich meine, dass es die Aufgabe der Polizei ist, Verbrecher zu fangen oder wenigstens nach Ihnen zu suchen", ich holte zu meinem vernichtenden Schlag aus, um die wirklichen Machtverhältnisse klarzustellen, "schließlich bezahle ich Steuern, und von diesen Steuern bekommen Sie Ihr Gehalt."
Der Gesetzeshüter schaute mich traurig an.
"Herr Doktor, haben Sie eine Vorstellung, wie viel Wohnungseinbrüche täglich in Berlin verübt werden?"
Anhand meiner aktuellen Erfahrungen mit dem Ermittlungseifer der beiden hatte ich eine gewisse Vorstellung. Aber sicher würde ich es gleich hören.
"Es sind zweihundertvier Einbrüche am Tag. Das sind achteinhalb pro Stunde oder einer alle acht Minuten."
Ich war beeindruckt. Hatte er die Stunden- und Minutenwerte gerade im Kopf ausgerechnet?
"Sie meinen, es sind zu viele, um sich darum zu kümmern? Vielleicht sind es gerade deshalb so viele, weil Sie sich nicht genug darum kümmern. Wissen Sie, in der Medizin kümmern wir uns gerade um die häufigen Erkrankungen, weil sie viele Menschen betreffen."
"Darum haben sie Ärzte ja auch die Grippe so fest im Griff." ...
Bestellmöglichkeit (Werbung) für den Kriminalroman von Christoph Spielberg: "Die russische Spende" ist als Taschenbuch, E-Book sowie als Hörbuch im Handel erhältlich.
Weitere Buchvorstellungen des HELLER Verlages
Von Max Claro sind diese drei Romane erschienen: "Drei Monate im August", "Der Mann, der aus dem 3D-Drucker kam" sowie (Werbung) "Der Rausholer".
Desweiteren, von Klaus Heller und Gabriele Heller, die beiden Reiseführer Mittelamerika "Panama Highlights" und "Costa Rica Highlights", sowie den Ratgeber "Cyberkriege und andere Katastrophen besser überleben" (dieser von Klaus Heller).
© "Die russische Spende", ein Kriminalroman von Christoph Spielberg. Textauszüge und Abbildung des Buchcovers mit freundlicher Genehmigung von Klaus Heller, HELLER Verlag, Taufkirchen, 11/2023.
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