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Der Autor Dr. Martin Kreuels hat sich aufgrund der Berichterstattung in den Medien Gedanken über den Krieg gemacht. Während zu Beginn des Ukraine-Kriegs einzelne explodierende Panzer zu sehen waren, hat sich das Bild im Laufe der Zeit immer wieder verändert: Es wird zunehmend roher. Die Annäherung des Krieges an die NATO-Staaten bereitet dem Autor ebenfalls große Sorgen. Lesen Sie jetzt Kreuels' Essay und erfahren Sie mehr über seine Bücher!
Ein sonniger Tag, vielleicht ein bisschen schwül. Die Sonne brennt vom Himmel, der Wind hat sich schlafen gelegt. Hier und da ruft ein Vogel, die Brutsaison ist vorbei, sie haben keinen Stress mehr. Der Nachwuchs ist schon ausgeflogen. Die Temperatur ist, wie zu dieser Jahreszeit zu erwarten ist, hoch. Ich stehe auf einer Wiese, die Bäume sind weit weg. Schatten und Schutz vor der Sonne bieten sie hier nicht. Um mich herum, Wiesen, mal gemäht, mal nicht, dazwischen Gräben, dicht bewachsen mit Schilf. (Read this in English)
Ständiger Begleiter ist ein Surren. Mücken, denke ich. Wenn hier Mücken sind, muss auch irgendwo Wasser sein. Irgendwoher müssen sie ja kommen. Zu sehen sind sie nicht. Vielleicht über mir, vielleicht ein paar Meter weiter, insgesamt wahrscheinlich zu klein, als dass ich sie in dem gleißenden Mittagslicht sehen könnte. Die Sonne blendet. Blöd ist nur, dass ich von dort immer die meisten Mücken höre. Aber natürlich kann ich so viel blinzeln, wie ich will. Sehen werde ich sie so nicht. Eine Sonnenbrille wäre nicht schlecht. Die liegt zu Hause.
Ein Schatten huscht vorbei. Zu schnell, als dass ich ihn erkennen könnte. Und das Surren ist deutlich lauter als üblich. Eine Mücke, die vielleicht nahe an meinen Augen vorbeiflog. So nahe, dass ich sie nicht mehr fokussieren konnte. Und wenn sie nahe an meinem Kopf vorbeihuschte, war sie natürlich auch lauter. Blödes Vieh.
Da schon wieder.
Mein Gott, wie kann man nur so lästig sein. Was für ein Aufwand für ein Tropfen meines Blutes. Soll sie doch auf meiner Hand landen.
Hol dir schnell den Tropfen und lass mich in Ruhe.
Mein Rucksack ist zu schwer. Ich würde gerne nach ihr schlagen, aber ich bin zu träge. Eine schnelle Bewegung und ich verliere das Gleichgewicht.
Ein Kranich zieht über mir hinweg. Er trompetet eine militärische Fanfare über die Wiese. Weit ist sie zu hören. Kann der nicht mal die Mücken einfangen?
Wieder huscht was an meinen Augen vorbei. Und wieder nicht richtig gesehen. Zu schnell, die Augen waren geblendet. Vielleicht bin ich auch zu müde. In der letzten Nacht habe ich kaum Schlaf gehabt.
Es muss doch mal möglich sein, die scheiß Mücke fokussieren zu können. Dann habe ich die Möglichkeit nach ihr zu schlagen. Vielleicht wäre dann mal Ruhe.
Ich bleibe ruhig stehen. Verhalte mich so wie eine Salzsäule. Vielleicht kann ich Vertrauen aufbauen, so dass die Mücke langsamer fliegt. Ich will ihr eine Falle stellen.
Das Surren wird lauter. Hinter mir. Ich höre sie deutlich. Jetzt über mir. Ein leichter Windzug berührt mich. Sie muss nahe sein, sehr nahe sogar. Sie wird sich sicherlich bald hinsetzen.
Dann bist du reif, ich schwöre es dir.
Der Windzug wird deutlicher.
Ein bisschen viel Wind für eine Mücke und auch etwas zu laut denke ich. Gibt es unterschiedlich große Mücken? Keine Ahnung, ich bin kein Wissenschaftler. Ich bin nur ein Automechaniker. Ich repariere die kaputten Autos, die von der Front heimkehren. Wenn sie denn noch fahren können.
Ganz langsam drehe ich mich um.
Vor mir schwebt eine Drohne. Ihre Kamera ist auf mich gerichtet. Unter ihr befindet sich eine Granate. Vor ihrem Kopf sind Kontaktdrähte. Berühren sie mich, explodiert sie. Zwei, drei Meter ist sie entfernt, hängt in der Luft und bewegt sich nicht. Ich mich auch nicht, dabei weiß ich, dass sie mich sieht. Vielmehr beobachtet mich jemand weit weg.
Da sitzt bestimmt irgendwo ein blasser Gamer bei RedBull und Schokolade und beobachtet mich hier auf der Wiese.
Langsam, ganz langsam hebe ich mein Gewehr. Vielleicht kann ich sie abschießen. Die Drohne steigt auf. Schwebt jetzt zwanzig Meter über mir. Ich lege an und gebe Salven ab, die sie verfehlen. Sie rast auf mich zu, an mir vorbei. Ich schieße, bis das Magazin leer ist. Zum Nachladen fehlt mir die Zeit. Ich drehe das Gewehr um und versuche nach ihr zu schlagen. Sie weicht aus. Ist mal hier, ist mal dort. Panik steigt auf, ich versuche zu rennen. Die Bäume sind zu weit weg. Ich höre, wie ihr Surren wieder lauter wird. Sie fliegt an mir vorbei, steht mal vor mir, mal neben mir, mal über mir. Wie soll ich entkommen? Schweiß läuft mir in die Augen. Ich schmeiße den Rucksack weg, damit ich mobiler werde. Schlage, renne, schreie um Hilfe.
Die Drohne jagt mich, alles ist hektisch.
Der Gamer beißt in seine Schokolade, nimmt einen Schluck und beschließt den Akt zu beenden.
Die Drohne steigt auf, nimmt Anlauf. Ich renne immer noch, aber ich bin zu langsam. Viel zu langsam. Dann spüre ich die Drähte in meinem Rücken und im nächsten Moment die Explosion, die mich wegschleudert. Ich fliege, wie die Drohne es getan hat und schlage auf. An mir vorbei fliegt ein Bein von mir, der Arm ist zerrissen. Mein Kampfanzug brennt. Ich liege im Gras, unbeweglich, halb bewusstlos. Ich kann mich nicht bewegen, einen Schmerz spüre ich nicht, meine Augen schließen sich. Eine zweite Drohne steht in der Luft. Filmt mich, wie mein Körper verbrennt. Ich bin schon weg. Schaue mir meinen brennenden Körper an. Ich bin aus ihm ausgezogen.
Zurück bleiben wenige Minuten später eine verkohlte Stelle auf der Wiese. In ihrem Mittelpunkt verbranntes Fleisch. Zwei Krähen landen im Gras, die Kraniche sind schon am Horizont. Sie hatten kein Interesse an mir.
Beachten Sie auch diese Beiträge: Das Essay "Drohnenperspektive" von Dr. Martin Kreuels sowie unsere Rezension zu seinem Buch "Ukrainekind: Kriegsmonate, die mein Leben prägen werden".
© "Mückenplage": Ein Essay von Dr. Martin Kreuels, 07/2025. Bildnachweis: Abbildung der fliegenden Drohne via pexels.com (Stuffedbox NG), CC0 (Public Domain Lizenz).
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