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Die Freude auf die neue Wohnung oder das neue Haus ist meist groß – aber worauf sich die allermeisten nicht so freuen, ist der Umzug. Vorgenommen hat man sich ja viel – dass man dieses Mal wirklich ALLE Kartons beschriftet, zum Beispiel. Und wenn möglich, in verschiedenen Farben. Und dass man auch tatsächlich darauf achten wird, dass man schon mindestens drei Wochen vorher die Sachen, die man nicht mehr braucht, einkartoniert oder gegebenenfalls entsorgt. Schließlich braucht kein Mensch fünf Schuhlöffel.
Da es gerade Frühling ist, könnte man die Wintersachen ja auch schon mal zusammenräumen und für den Umzug bereitmachen. Keine Frage: diesmal klappt alles besser. Diesmal wird man auch ganz bestimmt rechtzeitig einen Hundesitter besorgen – nicht wie beim letzten Mal, als der Dackel dann die Umzugsmannschaft fröhlich zum Straucheln und die Nerven zum Vibrieren gebracht hat.
Den Kindern wird es auch Spaß machen, beim Packen zu helfen, schließlich wollen sie ja alle ihre Schätze sicher eingeräumt wissen. Für die kleinsten Familienmitglieder muss noch die gute Tante Bine angeheuert werden, und wenn dann noch alle zugesagt haben, die versprochen haben zu helfen, dann wird dieser Umzug ein Kinderspiel werden.
Und als der große Tag dann anbricht, sind irgendwie immer noch leere Kartons übrig, und wo zum Donner sind nur die bunten Textmarker geblieben, die man zum Beschriften braucht? Man war sich sicher, alles richtig sortiert zu haben, aber trotzdem bleibt da eine Menge Kram über, der in keine Sparte passt. Also dann doch die Restbestände ungetrennt in große Schachteln stopfen – geht nicht anders. Bald kommen ja die Helfer.
Entgegen der Prognose des Wetterberichts regnet es Bindfäden, und die Kinder brauchen ihre Regenjacken. Aber wo sind die nochmal – jedenfalls muss ein Kleidersack durchwühlt werden – ach was, alle Kleidersäcke. Die sind eben schwer zu beschriften. Eigentlich sollten die Helfer schon alle da sein, aber die kommen nur tröpfelweise. Das Handy vibriert ... einer entschuldigt sich – sein Auto streikt. Der Nächste ist krank geworden. Die Magen-Darm-Grippe grassiert wieder. Als die restlichen Helfer endlich eingetrudelt sind, haben die Kinder schon wieder Hunger. Das improvisierte Frühstück war vielleicht doch zu knapp – oder sie legen es einfach darauf an, dass sie beachtet werden. Also wo sind die Tüten mit dem Brot und den Aufstrichen? Der Kleine will aber Müsli. Das geht jetzt überhaupt nicht und ein Brüllkonzert ist die Folge. Doof, dass gerade Schulferien sind.
Das Gezeter des Sprösslings mischt sich mittlerweile allerliebst mit dem Gekläffe des Familienhundes, der im leeren Schlafzimmer eingesperrt wurde, der Unfallverhütung wegen. Bello sollte ja gerade bei Freunden sein, aber die waren sonderbarerweise nicht zu Hause, obwohl sie sich natürlich bereiterklärt haben, den Hund für einige Stunden aufzunehmen. "Aber klar doch, bringt ihn einfach vorbei." Na ja, die Nachbarn, die sich darüber aufregen, dass er heult wie ein ganzes Wolfsrudel, werden ja bald keine mehr sein. Zu den überstrapazierten Ohren klingt erstaunlicherweise dieses gedämpfte Klirren durch, welches für gewöhnlich anzeigt, dass ein Karton mit Glas oder Porzellan auf den Boden gefallen ist. Damit hat man gerechnet. Bei jedem Umzug geht irgendetwas kaputt. Per Naturgesetz immer nur solche Sachen, an denen man wirklich hängt. Den Schuhspannern passiert nie was.
Viele Stunden später (weitaus mehr, als man gedacht hatte), ist man glücklich im neuen Zuhause, wo man die Nacht zwischen Stapeln von Kartons und übrig gebliebenen Brettern irgendwelcher Schränke verbringen wird. Zum Auspacken ist es viel zu dunkel, weil alles länger gedauert hatte. Eigentlich ist der Strom ja schon umgemeldet – aber nichts tut sich. Darum wird sich morgen gekümmert – erst einmal die quengelnden Kinder beruhigen. Die Mittlere brüllt, weil sie ihren Stoffhasen nicht finden kann, und ohne den geht nichts. Und wo sind bloß die Schlafanzüge hingekommen? Im Schein der Taschenlampe wird noch einmal Sack für Sack durchgesehen.
Das Hundefutter bleibt trotz emsiger Suche verschollen, und die Kühlbox mit den Lebensmitteln ist auch unauffindbar. Macht ja nix, die Mikrowelle funktioniert ohne Strom ja auch nicht. Am Schluss liegen alle auf den rasch noch aufgebauten Betten und sinken in einen tiefen Erschöpfungsschlaf. Nur der Kleinste nicht. Er hat Bauchschmerzen und außerdem will er "nach Hause".
Der Hund fühlt sich sauwohl. Und seine Menschen überlegen, ob sie beim nächsten Mal nicht doch richtige Umzugsprofis anheuern sollten. Wobei jeder hofft, dass es kein nächstes Mal geben wird. Jedenfalls für lange Zeit nicht.
© "Umziehen macht Spaß | Mit den Nerven am Ende": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2013. Illustration oben: Thomas Alwin Müller, littleART; sowie unten: Freunde helfen beim Umzug.
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