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Teil VIII: Beobachtungen in der Anselmstraße
Das Klappern der Heckenschere war verstummt, und Mal bemerkte die eingetretene Stille auf einmal. Natürlich gab es Geräusche, so wie Bienen und hier und da eine Vogelstimme. Nicht, dass er sich damit ausgekannt hätte – aber sonst war es ruhig.
Und da wusste er auf einmal, was es war, das ihn störte. In Berlin gab es auch Laubenkolonien und Gärten. Seine Kumpels und er kamen an einigen vorbei, wenn sie zur Skaterbahn gingen. Da war es ganz bestimmt nicht still. Vor allem nicht an so einem schönen und warmen Tag.
Erwachsene lachten oder schimpften, Kinder lachten und kreischten, man hörte Wasser spritzen, weil überall Planschbecken aufgestellt waren. Rasenmäher knatterten und Bälle ploppten gegen Bretterwände oder auf betonierte Pfade. Und in jedem zweiten Garten bellte ein Hund.
Es war fast ein wenig unheimlich, sagte sich Mal. Nicht weit hinter ihm gab es Läden und Straßen, auf denen Autos fuhren. Wenn auch wenige. Und nur wenige Meter weiter war es still, bis auf die Geräusche, die Insekten oder Vögel machten.
"Arbeiten wahrscheinlich alle, ist ja schließlich Montag", murmelte Mal. In einem so kleinen Ort wie Kreutzbrücken gab es eben nicht so viele Leute, die den Tag in ihren Gärten verbringen konnten. Obwohl es ja immer alte Menschen gab, die natürlich viel mehr Zeit hatten. Und wieso gab es keinen Hund? Oder vielleicht gab es welche hinter den Gartentoren und man hörte sie ganz einfach nicht?
Den Gedanken verwarf Malcolm sehr schnell wieder. Jeder Hund bellte, wenn jemand außen vorbeiging. Das gehörte ja sogar zu seinen Aufgaben. Jedenfalls wenn er ein Grundstück bewachen sollte. Und wenn einer anfingt, machten alle anderen in der Nähe mit.
Während er noch darüber nachdachte, war er an den letzten beiden Gärten vorbeigekommen. Vor ihm verlief eine Art Feldweg geradeaus, der von Hecken gesäumt war. Mal folgte dem Weg und kam an eine Kreuzung. Dort, wo der Weg gerade weiterlief, konnte Mal Straßengeräusche hören. Wahrscheinlich führte diese Richtung direkt zur Umgehungsstraße. Links zeigte ein sehr altes und schlecht leserliches Schild an, dass es hier zum "Kreutzerbruch" ging. Und darunter war noch ein Schild angebracht, auf dem in knallroter Farbe das zu lesen war: "GESPERRT!".
Malcolm konnte sich unter dem "Kreutzerbruch" nichts vorstellen, vielleicht eine Art Steinbruch oder so etwas in der Art. Unschlüssig stand er da und schaute dann nach rechts. Und entschied sich für diese Richtung. In etwa hundert Metern Entfernung führte der Pfad direkt in einen Wald. Jedenfalls sah es so aus, denn da standen Bäume dicht an dicht und es war dunkler dort. Der Feldweg, oder was immer das darstellen mochte, wurde noch schmäler dort vor den Bäumen und führte als enger Pfad schnurstracks in den Wald.
Ein wenig ratlos sah Mal sich um. Es zog ihn weder in die eine noch in die andere Richtung, aber schließlich war er ja auf Erkundung und musste sich entscheiden. Der Wald zog ihn nicht sonderlich an, es war ihm zu schattig in dieser Richtung. Der linke Weg lag in der Sonne und schien ihm weitaus interessanter. Und so wandte sich Mal nach links, um herauszufinden, was es mit dem "Kreutzerbruch" auf sich hatte, als er Stimmen hörte.
Das wäre an und für sich ja nichts weiter Aufregendes gewesen – aber diese Stimmen kannte er. Vor allem die lauteste, die gerade zu hören war. Sie gehörte nämlich niemand anderem als Justus. Mal hatte sie schließlich oft genug gehört. Also trieben sich Justus und seine Trabanten hier herum. Obwohl sie in der Schule sein sollten. Ein Blick auf seine Uhr sagte Malcolm, dass es schon kurz nach elf Uhr war. Möglicherweise war ja ein Lehrer krank geworden.
Die ganze Bande hätte doch niemals gewagt, geschlossen zu schwänzen. Dass das sofort aufgefallen wäre, musste doch sogar diesen Armleuchtern klar sein. Der Weg zum Kreutzerbruch machte in einiger Entfernung eine Biegung. Und von da kamen die Stimmen. Mal überlegte nicht mehr lange, sondern rannte geradewegs zu dem kleinen Pfad, der unter die Bäume führte und in den Wald hinein.
© "Malcolm – Der Pfad zum Kreutzerbruch": Erzählung und Foto von Winfried Brumma (Pressenet), 2016.
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