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Das Mädchen hatte an diesem Tag zu gar nichts Lust. Es war drinnen zu langweilig, weil sich niemand so richtig um sie kümmerte. Papa war nicht da, er war im Büro und würde erst am Abend zurückkommen und seine kleine Prinzessin "ein wenig hofieren", wie er das nannte. Mama nannte das "verwöhnen", aber das Mädchen fand es einfach toll.
Mama hatte Freundinnen zu Besuch und hatte eigentlich gewollt, dass das Kind dabeisaß und sich nett unterhielt, aber allein bei dem Gedanken verdrehte das Kind die Augen. Es verzog sich in sein hübsches Zimmer und spielte ein wenig mit den Puppen, aber die waren genauso langweilig wie die Frauen da unten am Kaffeetisch. Es war irgendwie alles fad an diesem Ferientag, das Mädchen fühlte sich allein gelassen und wusste nichts mit sich anzufangen. Anna las sehr gern, aber ihre Bücher kannte sie schon fast auswendig.
"Ruf doch deine kleinen Freundinnen an", hatte Mama gesagt, aber das wollte das Mädchen auf gar keinen Fall. Die waren irgendwie auch langweilig, sie sagten immer dieselben Sachen und lachten darüber – manchmal machte das Spaß, aber meist ging es dem Kind auf die Nerven.
"Warum gehst du nicht in den Garten, Schatz? An so einem schönen Tag ...", hatte Mutter noch schnell gesagt, als ihr Besuch schon an der Tür geklingelt hatte. Das Kind verzog den Mund, aber als es den Blick durch ihr Zimmer schweifen ließ, blieb er an einem gelben Ball hängen. Der lag fast ganz unter dem Schrank versteckt und war schon lange nicht mehr angefasst worden, doch jetzt griff das Kind danach und hüpfte die Treppe hinunter bis zur Hintertür, die in den Garten führte.
"Lauf anständig die Treppen hinunter, Anna", kam auch prompt Mamas Stimme aus dem Wohnzimmer, aber das Kind war schon durch die Türe und draußen auf dem kleinen Rasenstück. Unschlüssig stand es eine Zeit in der Sonne, aber dann begann das Mädchen den Ball gegen die Hauswand zu werfen. Zehnmal wieder auffangen, dann zehnmal nach dem Werfen in die Hände klatschen und dann fangen. Dieses Geschicklichkeitsspiel war eigentlich etwas für sehr kleine Kinder, dachte das Mädchen, aber ihm fiel nichts anderes ein, was sie mit dem gelben Ball tun konnte.
Während sie zählte und warf, dachte sie, dass der Ball im Sonnenlicht wie eine Goldkugel aussah, nur, dass er viel, viel weicher war. Und längst nicht so schwer. Und dann bemerkte das Kind ihn, den Jungen, der weiter unten in der Straße wohnte. Der, den alle nur "den Frosch" nannten, weil er irgendwie so aussah, mit seinen großen, etwas vorstehenden Augen, die hinter den Brillengläsern, die er trug, immer etwas überrascht dreinsahen. Der arme Kerl tat dem Mädchen etwas leid, weil niemand sich mit ihm abgeben wollte und alle über ihn lachten. Er konnte sicher nichts dafür, dass er so aussah, aber wer wollte schon etwas mit einem Frosch in Kleidern zu tun haben ...
* * * Ende der Leseprobe aus unserem Buch * * *
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© Textbeitrag zur Erzählung "Sei kein Frosch: Ein langweiliger Ferientag": Winfried Brumma (Pressenet), 2009. Bildnachweis: Frosch mit Krone, CC0 (Public Domain Lizenz).
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