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Zwei der Schwerter
Der Rider-Waite-Tarot zeigt ein sehr eindrucksvolles Bild: Eine Frau sitzt auf einer steinernen Bank ohne Lehne und hält mit gekreuzten Armen zwei Schwerter in die Höhe. Ihre Augen sind verbunden und hinter ihr sieht man einen See. Der Horizont wird von Land begrenzt.
Über ihr ist ein wolkenlos blauer Himmel und die Sichel des zunehmenden Mondes ist zu sehen. Die Haltung der Person sieht starr aus, sie wirkt wie eine Statue. Sie ist in einer sichtbaren Abwehrhaltung gefangen. Sie will nicht sehen, was vor sich geht – sie verschließt sich vor allen Sinneseindrücken. Die hochgehaltenen Schwerter wirken wie eine Mauer um den Kopf, so als ob die Frau sich vor jedwedem Erkennen schützen will – vor allem, was ihrer eigenen Wahrnehmung widerspricht.
Dem See, dem Symbol der Gefühle, dreht sie den Rücken zu. Sie hat ihn aus ihrer Wahrnehmung regelrecht verbannt. Das lässt den Gedanken zu, dass es hier um die Angst vor Gefühlen gehen könnte, um die Flucht in das Rationale, das durch die Schwerter dargestellt wird. Man könnte auch sagen, die Frau schneidet sich von ihrer Gefühlswelt ab, sie möchte nichts damit zu tun haben.
Gründe dafür können Ängste sein, die in uns selber verborgen liegen, oder die Furcht vor Verletzungen. Die Art Rückzug, die hier gezeigt wird, ist aber zur starren Haltung geworden, zur Stagnation und somit zum Ausschluss des Lebens, das ja Veränderung und Bewegung ist. Das graue Gewand der Person auf der Karte weist darauf hin, dass sie neutral sein will und sich auf keinen Fall zu etwas bekennen oder sich in irgendeine Richtung bewegen möchte. Sie will sich schützen.
Die Zwei der Schwerter weist immer auf eine Situation des "Festgefahren-Seins" hin, auf das Gefühl "nicht vor und zurück" zu können. Erscheint diese Karte, weist sie oft auf einen Menschen hin, der sehr stark verletzt worden ist und sich in sich selber zurückziehen will, um weitere emotionale Schmerzen zu vermeiden. Das ist verständlich und kann durchaus zur Heilung beitragen – es tut mitunter gut, sich einfach "auszuklinken", also gewissermaßen ein Pflaster zu benutzen, damit die Wunde heilen kann.
Die Gefahr dabei ist, dass der Zeitpunkt überschritten werden kann und man nicht mehr herausfindet aus der seelischen Klausur und in die gleiche permanente Abwehrhaltung verfällt wie die Frau auf der Karte. Denn auf diese Weise werden zwar Schmerzen weitgehend vermieden – aber auch das Gegenteil. Man erlebt weder Schlechtes noch Gutes, man hat alle Türen verrammelt.
Andere Deutungen beziehen sich auf Blockaden, die uns hindern, etwas zu genießen oder zuzulassen, oder Dinge zu tun, die eigentlich getan werden müssten. Es gilt dann herauszufinden, woher diese Blockierung kommt, denn viele Menschen haben große Probleme mit scheinbar kleinen alltäglichen Dingen, die sie an vielem hindern.
Außenstehenden scheinen diese Probleme eher "hausgemacht" im Sinne von völliger Überbewertung. Wer sich schon einmal mit solchen Ängsten herumgeschlagen hat, weiß wie sie die Lebensqualität herabsetzen können. Die Antwort auf das "Wieso" liegt im geleugneten "See" des Unterbewussten bzw. in der Gefühlswelt, die verdrängt wird.
Die Zwei der Schwerter taucht auch auf, wenn ein Mensch unfähig ist, eine geforderte Entscheidung zu treffen. Dabei spielt es keine Rolle, ob man sie sich selbst abverlangt oder ob das die Umstände fordern, denn auch für dieses Unvermögen gibt es Gründe – und die gilt es zu finden.
Bildlich gesprochen muss die Frau die Binde von den Augen nehmen, um zu sehen, was sie vielleicht schon längst weiß, und sie muss sich ihren Gefühlen stellen, damit sie sich nicht vom Fluss des Lebens dauerhaft abschneidet.
Zwei der Stäbe
Hier zeigt sich ein harmonisches Bild, auf dem ein in Rot- und Brauntönen gekleideter Mann von einer Mauerzinne aus über eine Landschaft blickt. Einen Stab hält er in der linken Hand, einer steht rechts neben ihm. Die Rechte trägt auf der Handfläche eine Erdkugel, das Sinnbild der Welt.
Auch hier geht es um Ruhe, aber eher im Sinn von Abwarten. Der Mann auf dem Bild hat scheinbar alles erreicht – das zeigt der kleine Globus in seiner Hand. Einen Stab der Tatkraft hält die Linke – er hat vielleicht alles "mit Links" gemacht – der Erfolg ist ihm zugeflogen. Von seinem grünenden und blühenden Besitz aus sieht er auf den fernen Horizont, so als erwarte oder suche er etwas. Es kann sein, dass ihm die Herausforderung fehlt, dass er das, was er erreicht hat, nicht wirklich genießen kann. Oder aber er schätzt das Seine nicht, weil er es eben schon hat.
Die scheinbare Ruhe auf dem Bild ist eine Täuschung, hier geht es eben um das Gegenteil – um Unruhe. Die Stäbe symbolisieren das Feuer, das immer Brennstoff braucht, bzw. neue Nahrung, um am Leben zu bleiben, damit es nicht erlischt. Man könnte auch fragen, ob das, was der Mann erreicht hat, tatsächlich das ist, was er im Grunde seines Herzens auch wollte, denn es macht ihn nicht glücklich. Die Welt, die er in der Hand hält, reicht ihm nicht – vielleicht weil es nicht die ist, die er wollte?
Oder warum kann er nicht genießen, was er sich erkämpft hat ... es kann natürlich sein, dass er nicht in der Lage ist, die Gegenwart zu leben. So wie in der Geschichte von dem Mann, der an jedem Ziel, an dem er ankommt, nur an das Nächste denkt. Er wollte die Pyramiden besuchen, und als er endlich da ist, macht er Pläne für den Eiffelturm – ist er bei diesem angekommen, dreht er ihm den Rücken zu und liest den Stadtplan von Moskau, weil er den Kreml sehen will, und so weiter und so fort.
Dieser Mensch kann die Gegenwart, das Hier und Jetzt, nicht wirklich wahrnehmen – für ihn hat nur die Zukunft wirkliche Präsenz. Und diese wird sofort unwichtig, wenn sie Gegenwart geworden ist. Dieses Leben beruht auf einer langen Kette von Illusionen, die nie wirklich werden können.
Nun ist es so, dass viele Menschen ständig in Angst um ihren Job, ihr Geld, ihre Familie oder um ihr Haus leben und die Planung einer sicheren Zukunft zur Besessenheit wird. Die Zukunft KANN aber nicht geplant werden, denn wie John Lennon einmal gesagt haben soll: "Leben ist das, was gerade passiert, während du es planst." Besser kann es nicht gesagt werden. Denn wann genießen wir eigentlich das, was wir erreicht haben, wenn wir immer nur daran denken, was wir noch weiter bekommen könnten?
Was für einen Wert hat ein Haus mit Garten, wenn niemand je die Zeit hat, in der Sonne zu liegen? Wenn nichts, was wir tun, wirklich glücklich macht, dann tun wir das Falsche. Viele Menschen jagen dem Erfolg hinterher, um dann festzustellen, dass er sie nicht glücklich macht. Aber anstatt die Jagd aufzugeben, verstärken sie ihre Anstrengungen und wachen eigentlich erst dann auf, wenn der erste Herzinfarkt sie stoppt, oder ihre Familien oder Freundschaften zerbrechen.
Manche Menschen sind nie mit irgendetwas zufrieden – das kommt daher, weil sie sich selber fremd geworden sind. So mancher entdeckt Schätze, die er nie wahrgenommen hat, sobald er seine Augen auf die Gegenwart richtet. Zwar ist das Morgen ein wichtiger Faktor im Leben – aber das Hier und Jetzt IST das Leben.
Je nach Situation kann die Zwei der Stäbe allerdings auch davor warnen, das Feuer zu sehr herunterbrennen zu lassen. In diesem Falle wird einem Menschen zugerufen: "Ruh dich nicht auf deinen Lorbeeren aus! Mach weiter, denn du hast noch viel vor dir! Sieh, wie weit der Horizont ist, entschließe dich, das warme Nest zu verlassen und geh ein Wagnis ein!"
* * * Tarot-Karte II Schwerter und Stäbe: Ende der Leseprobe aus unserem Buch * * *
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© "Die Karte Zwei: Schwerter und Stäbe": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), Eleonore Radtberger, 2010.
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