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Sieben der Kelche
Eine schwarze Gestalt dreht dem Betrachter den Rücken zu und starrt scheinbar überwältigt auf eine erstaunliche Erscheinung. Sieben Kelche, jeweils mit einem Symbol versehen, schweben in einer Rauchwolke – so, als wäre es ein Schaufenster.
Ruhm, Reichtum, Wissen – und alles was sich Menschen wünschen könnten – ist in der Auslage vertreten, zum Zugreifen nahe. Aber es ist durchaus klar, dass es sich um Illusionen handelt, um Spiegelungen oder Träume, die zerstieben werden, berührt man sie. Wünsche hat jeder, und meist sind es handfeste Dinge, die man gerne hätte. Wer wäre nicht gerne reich, schön und vielleicht noch berühmt dazu – wem würde es nicht gefallen, einen Goldesel zu haben?
Aber diese Dinge sind nur bedingt im Realen angesiedelt – es gibt zwar Menschen, die einen Großteil von dem haben, was da aufgezeigt wird – aber erstens sind das nicht allzu viele, und zweitens bedeutet das durchaus nicht, dass sie wirklich glücklicher sind. Den meisten Normalverbrauchern erscheint das wie reiner Hohn, denn sich einmal nicht darum sorgen zu müssen, dass das Geld auch bis zum Monatsende reicht, wäre eine riesige Erleichterung für die Mehrheit der Menschen.
Dass man die "VIP Lounge" praktisch eingebaut hat, wohin man auch kommt, wäre vielleicht nicht zu verachten ... aber eigentlich wissen wir, dass es Menschen ohne Sorgen und Probleme nicht gibt. Wenn es keine im finanziellen Bereich gibt, dann sind es eben andere Beeinträchtigungen, die von den Betroffenen als sehr schwer empfunden werden. Auch ein Milliardär kann ein unheilbar krankes Kind haben oder in einer unglücklichen Partnerschaft leben. Das Stress-Syndrom kann jeden beuteln – Arbeitslose wie Industriemagnaten. Hüten wir uns davor, Sorgen klassifizieren zu wollen. Das wäre so, als gerieten Leute in Streit darüber, was mehr wehtut: Zahn- oder Magenschmerzen.
Natürlich geht es manchen Menschen vordergründig besser als anderen, vielleicht erscheint dies aber auch nur so. Bei dieser Karte des Rider-Waite-Tarot geht es auf jeden Fall auch um Illusionen, was Glück betrifft. Der begeisterte Mensch, der zu sehen ist, weiß noch nicht, dass diese vermeintlich herrlichen Dinge ihn nicht glücklich machen werden, und dass er in Gefahr gerät, sich zu verlieren auf der Jagd nach ihnen. Wie oft macht man sich etwas vor, indem man denkt: "Hätte ich mehr hiervon oder davon, wäre alles besser ...?" Das stimmt oberflächlich gesehen schon, manche Dinge machen das Leben angenehmer – aber nicht mehr.
Annehmlichkeiten dürfen nicht mit Glück verwechselt werden. So ist das Arkanum auch eine Aufforderung, sich genau darüber klar zu werden, was man wirklich will. Weiß man das, kann man darangehen, es sich zu beschaffen. Diffuse Träume von Glück und Reichtum lähmen eher, als dass sie etwas bewirken.
Aber der weitaus wichtigere Aspekt der Karte ist der des Warnens. Die Sieben der Kelche hat mit Gaukeleien zu tun, mit Täuschung und verzerrtem Spiegelbild. Taucht sie auf, sind leere Versprechungen, unerfüllte Wünsche und Betrug im Spiel. Man soll getäuscht und geblendet werden – und das mit voller Absicht. Oder aber man ist selber derjenige, der sich etwas vormacht – diese Möglichkeit sollte unbedingt in Betracht gezogen werden dabei.
Unsere subjektive Wahrnehmung ist ein schützender Filter, der uns das Erleben in "mundgerechte Einzelstücke" zerteilt. Das hat seinen Sinn und gehört nun einmal zu uns. Es gibt aber auch eine Unfähigkeit zur Wahrnehmung, was die Realität betrifft, die ungesund ist und sehr gefährlich werden kann.
So manches schöne Bild hat sich bei näherer Betrachtung als bloße Fata Morgana erwiesen, so mancher scheinbar wunderbare Mensch als Blender und Schmeichler. Aber sicher ist: Was wir wünschen, hat eine eigene Dynamik und richtet sich meist nicht nach realen Gesetzmäßigkeiten.
Sieben der Münzen
Ein beschauliches Bild von ruhiger Kraft präsentiert sich auf der Karte – ein Mann stützt sich auf seinen Stab und betrachtet das Ergebnis seiner Arbeit. Er ist einer, der mit der Erde arbeitet – er hat den Boden bearbeitet, den Samen gesetzt und kann nun in Ruhe darauf warten, dass sich die Früchte seiner Arbeit zeigen.
Zwar wirkt der Arbeiter nicht völlig überzeugt, aber er hat alles getan, was er tun konnte – und ihm bleibt jetzt vor allem das Abwarten. Was er auch braucht, ist Vertrauen ... – in seine Arbeit, und auch in das Leben. Alles ist gut vorbereitet, jetzt muss die Zeit das Ihrige tun und es zum Reifen bringen.
Jeder Gedanke, jede Idee kann erst einmal als Samen betrachtet werden. Folgen die ersten Aktivitäten, um eine Idee in die Tat umzusetzen, wird ein Setzling, ein neuer Trieb daraus. Ist der Boden gut vorbereitet, wird nach aller Wahrscheinlichkeit dem Wachstum bis zur Reife nichts im Wege stehen.
So mahnt die Karte auch zur Geduld. Kein Bauer käme auf die Idee, die Früchte seiner Arbeit sofort und auf der Stelle haben zu wollen – er weiß, dass alles seine Zeit braucht und dass es vor allem an ihm liegt bzw. an den Voraussetzungen, die er geschaffen hat, ob es "Früchte trägt". Diese Sicht der Dinge ist auf fast alles anwendbar.
Aber natürlich geht der Blick – bleiben wir beim Bild des Bauern oder Gärtners – sorgenvoll zum Himmel, es könnte ja ein Unwetter oder eine Dürre geben, oder sonst ein Ereignis könnte eintreten, das die Ernte in Gefahr bringt. Aber hier liegt die Betonung auf "könnte". Genauso gut nämlich kann alles gut gehen – es ist eine Frage der Einstellung.
Haben wir getan, was wir konnten, dann können wir eben nicht mehr tun – was nun folgt, liegt nicht in unserer Hand. Es ist wie mit dem Schüler, der gerade seine Klassenarbeit abgegeben hat – er tat sein Bestes, und nun kann er nichts mehr korrigieren. Der Lehrer wird es prüfen und nach einiger Zeit kommt das Resultat. Je nach Naturell liegt der eine dann nächtelang wach und macht sich Sorgen, weil er an sich zweifelt, der andere schließt mit dem Gedanken, an das was kommt, erst einmal ab, da er weiß, er hätte es nicht besser machen können, als er es getan hat. Beeinflussen können beide nichts mehr.
Die Karte weist auf das Gedeihen von Projekten oder Plänen hin, auf die nötige Geduld, die es braucht, um den Erfolg zuzulassen. Es ist eine positive Botschaft, sie deutet auf ein gutes Gelingen hin. Wer versucht, etwas zu beschleunigen, das unbedingt eine gewisse Zeit zum Reifen braucht, könnte den Prozess umkehren. Es kommt auf das "Nicht eingreifen" an in diesem Fall.
Die Botschaften sind: "Habe Vertrauen, habe Geduld, es wird gut werden, braucht aber noch Zeit." Fragt jemand nach dem Scheitern eines Projektes, dann weist diese Karte darauf hin, dass man zu ungeduldig war oder nicht genügend Vorarbeit geleistet hat. Und sie verkündet nebenbei eine berühmte Binsenweisheit: "Wer ernten will, muss säen." Hier wird kein Wunsch durch eine Fee erfüllt, Arbeit ist angesagt und Einsatz – aber das wird belohnt werden.
* * * Tarotkarten VII Kelche und Münzen: Ende der Leseprobe aus unserem Buch * * *
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© "Die Tarot-Karte Sieben: Kelche und Münzen": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), Eleonore Radtberger, 2010.
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