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Der Thriller "Abgrund" von Ruben Schwarz gibt uns einen tiefen und beunruhigenden Einblick in die Abgründe der menschlichen Seele, ist aber auch eine Geschichte über Liebe, Freundschaft und Hoffnung.
Etwas Schreckliches ist passiert. Die Familien von Lisa Krafczyk und Pascal Weiss wären sich vermutlich nie begegnet, obwohl sie in derselben Stadt leben. Doch das Geschehene kettet sie unheilvoll aneinander. Es löst nicht nur eine Lawine aus Schuldgefühlen und Rachegedanken aus, sondern reißt die Beteiligten dieser Tragödie, die Täter und Opfer zugleich sind, in einen Strudel aus Verzweiflung und Hass.
Das namenlose Böse, das in uns allen steckt, dringt an die Oberfläche und treibt sowohl Lisa und ihre Tochter Nele als auch Pascal und seine Tochter Sarah in einen Abgrund des Horrors, aus dem sie nicht herausfinden. Eine einzige Unachtsamkeit, ein Moment, der nicht viel länger ist als ein Wimpernschlag, startet ein Karussell des Schreckens, dass sich immer schneller dreht.
Unser Lesetipp: (Werbung) Der spannungsgeladene Thriller "Abgrund" umfasst als Taschenbuch 292 Seiten und wurde Mitte 2022 veröffentlicht. Der düster beklemmende und zugleich berührende Roman von Ruben Schwarz ist auch als E-Book im Online-Buchhandel erhältlich.
"Neues Rasierwasser?", fragte Lisa, und in ihrer ruhigen, vordergründig freundlichen Stimme lag eine undefinierbare Färbung, die beunruhigend war. "Ein bisschen süßlich, findest du nicht?"
Den Kopf an den mit Stoff bezogenen Rahmen des Bettes gelehnt nahm sie so eine annähernd sitzende Position ein. Ihre langen blonden Haare lagen wie ein Fächer auf Schultern und Dekolleté ausgebreitet.
"Sorry, hab ich dich geweckt?", entgegnete Leo mit einer Gegenfrage. Er hatte sich ins Schlafzimmer geschlichen und seine Sachen im Halbdunkel so leise wie möglich ausgezogen.
"Nein, ich war schon wach", sagte Lisa und drehte sich auf die Seite. Sie sah ihn mit einem Blick an, der ihn verunsicherte.
"Hast du wieder geträumt?", fragte er, und er ertappte sich dabei, dass ihn die Antwort auf seine Frage weitaus weniger interessierte als die Aussicht auf einen geglückten Themenwechsel.
Lisa lächelte. Das tat gut und das Lächeln war echt, das konnte man sogar im schummrigen Licht erkennen, das von der Laterne vor dem Haus ins Schlafzimmer fiel.
"Ja, ich hatte wieder den Traum", sagte sie. Lisa hatte sich auf einen Ellenbogen gestützt und sah zu, wie Leo sich, nur mit einer Unterhose bekleidet, auf den Rücken legte und sich die Bettdecke bis zur Brust zog.
"Und hattet ihr viel Arbeit im Büro?", fragte sie. Da war immer noch eine Schwingung in ihrer Stimme, die ihm nicht behagte.
"Ach, es geht so", gab er zur Antwort und versuchte ein gewinnendes Verkäuferlächeln. Gleichzeitig wusste er, dass Lisa in der Lage war, hinter ein solches Lächeln zu blicken und in seinen Augen die wirkliche Stimmung abzulesen. Er hatte dieses Versteckspiel so satt. Tatsächlich hatte es eine Zeit gegeben, da hatte er sich eine Trennung vorstellen können. Da hatte er sich vorstellen können, mit Estelle einen Neuanfang zu probieren, Lisa reinen Wein einzuschenken. Aber vermutlich war er die ganze Zeit tief im Unterbewusstsein sicher gewesen, dass Lisa und er zusammengehörten. Dass es bei ihm und Estelle der Sex war und dass nicht viel übrigbleiben würde, wenn der Reiz des Neuen vorüber war.
Klar, Estelle war ein cleveres Mädchen, hatte Charme und Witz und einen traumhaften Körper. Und sie war elf Jahre jünger als Lisa. Aber war er so ein Typ? Er war doch nie einer von diesen Kerlen gewesen, denen die Frauen nicht jung genug sein konnten. In den beiden Beziehungen vor Lisa, zumindest den beiden, die länger als ein halbes Jahr gehalten hatten, waren die Frauen zwei und vier Jahre älter gewesen als er. Und verdammt, Lisa war seine Traumfrau. Sie sah klasse aus, war groß, schlank, hatte lange Haare und einen ... nein, sie hatte keinen jugendlichen Körper wie Estelle. Aber den einer erwachsenen Frau. Und das war es doch, was ihm gefiel.
"Und liebst du mich?"
Obwohl Lisa mit der ihr eigenen, weichen und freundlichen Stimmlage sprach, traf Leo die Frage wie der Schlag mit einem nassen Handtuch.
"Ja klar liebe ich dich, das weißt du doch." Er sah sie mit überraschten Augen an. Er rutschte zu ihr hinüber und nahm sie umständlich in den Arm. Lisa wehrte sich nicht, sie schmiegte sich an ihn. Wie immer.
"Und meinst du nicht, ich hätte ein bisschen Ehrlichkeit verdient? Ich kann es doch an dir riechen. Und ich sehe es dir an", sagte sie.
Leo verharrte ein paar Sekunden reglos mit der Frau in seinem Arm. Dann ließ er sie los, rollte zurück auf seine Seite des Bettes und blickte zur Decke.
"Ja, verdammt", presste er heraus, als hätte er zuvor für eine Weile die Luft angehalten, "ich wollte es beenden. Und dann wäre es gewesen, als wäre es nie passiert."
"Kenne ich sie?", fragte Lisa noch immer ganz ruhig. Aber als er sie ansah, bemerkte er, dass ihre Augen feucht schimmerten. Und das zog ihm den Boden unter dem Hintern weg.
Was für ein Klischee, dachte er wütend und verzweifelt. Was für ein Scheiß Klischee. Der absolute Klassiker. Er hat eine jüngere Geliebte, und sie kam ihm drauf. Und danach kam das ganze elende Hätte, Wollte, Würde. Was für ein Arsch war er denn? Leo konnte Lisa nicht länger ansehen, sonst hätte er auch losheulen müssen. Vor Traurigkeit, aber hauptsächlich vor Wut. Am liebsten hätte er die Nachttischlampe mit einer wuchtigen Handbewegung von der Kommode neben seinem Bett gefegt, weil nichts anderes in erreichbarer Nähe war. Aber das hätte Lisa unnötig erschreckt. Und sie konnte ganz sicher nichts dafür. Er hatte Schuld daran, dass es so schwierig zwischen ihnen geworden war. Er hatte darauf gedrängt, den Jungen in das Wartehäuschen der Bushaltestelle zu setzen, statt mit ihm ins Krankenhaus zu fahren. Er hätte fahren sollen, statt sich von Arthur mit seinem verfickten Wein abfüllen zu lassen.
"Ich brauch dich, Lisa", sagte er leise, wobei die Stimme beim Namen seiner Frau ihren Dienst verweigerte.
"Wer ist es", fragte sie erneut. Sie ließ nicht locker. Er musste Farbe bekennen. Obwohl das nicht gut war.
"Estelle", sagte er nur und schaute wieder zur Decke, "aber es hat nichts mit ..."
"... mit uns zu tun?" Lisa lachte bitter. "Wie lange?"
"Drei Monate vielleicht. Allerhöchstens."
"Drei Monate", wiederholte Lisa und atmete hörbar aus. Dann stand sie langsam auf, raffte Bettdecke und Kopfkissen zusammen und ging zur Tür.
"Lisa, bitte, jetzt ... jetzt warte doch."
Sie drehte sich in der Tür kurz um. Im Dämmerlicht konnte Leo nicht sehen, ob sie weinte, aber er konnte sehen, dass ihr Mund lächelte, tatsächlich immer noch lächelte. Nicht boshaft, sondern freundlich. So war sie. Lisa war durchaus eine emanzipierte Frau. Sie vertrat ihren Standpunkt und setzte sich bei Themen durch, bei denen sie sicher war, recht zu haben. Aber sie hatte eine Art, Kontrahenten den Wind durch Liebenswürdigkeit aus den Segeln zu nehmen, die beispiellos war.
"Schlaf gut, Leo", sagte sie, "ich muss nachdenken, okay?" Ohne seine Reaktion abzuwarten, ging sie hinaus. Er sah noch ihre langen, schlanken Beine und den Po, der sich unter ihrem langen Shirt abzeichnete, dann schloss sich die Schlafzimmertür leise.
Die Sache nimmt ihren Lauf, dachte Leo verzagt, jetzt nimmt eine Entwicklung unweigerlich ihren Lauf. Es würde damit beginnen, dass Nele morgen früh bemerken würde, dass ihre Mutter die Nacht nicht im ehelichen Schlafzimmer verbracht hatte. Sie würde Fragen stellen, Vorwürfe machen. Oder es würde beim Frühstück eisiges Schweigen herrschen. Man würde aneinander vorbei gehen, Blickkontakte vermeiden. Jemand würde ausziehen, wahrscheinlich er. Es würden Anwälte eingeschaltet. Seine Mutter würde am Boden zerstört sein. Lisas Eltern würden aus allen Wolken fallen. Arthur würde schon immer gewusst haben, dass dieser Kerl seine Tochter unglücklich machen würde. ...
Hinweis: (Werbung) Der Autor Ruben Schwarz hat bereits mehr als ein Dutzend Romane geschrieben (Thriller, Mystery und Science-Fiction). Großen Wert bei seinen Büchern legt er auf glaubhafte Charaktere, die einen Hintergrund und eine Vergangenheit haben. Wie andernorts in einer Rezension zu lesen ist, lässt Schwarz "vor den Augen des Lesers eine beinahe atemlose Szenerie entstehen, erzeugt dadurch eine emotionale Klarheit, die fast schmerzt".
© "Täter und Opfer in einem Strudel aus Verzweiflung und Hass": Für den Textauszug zur Buchvorstellung und die Abbildung des Buchcovers danken wir dem Telegonos-Verlag sowie dem Autor Ruben Schwarz, 08/2024.
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