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Ein einsamer Mann steht in der Ödnis, angetan mit einem einfachen Mantel. Er hält eine Laterne in der Hand, welche die einzige Lichtquelle ist. Hier zeigt sich der Eremit, der Zurückgezogene, der sich von allem Weltlichen abgewendet hat.
In tristen Farben zeigt sich die Karte IX beim Rider-Waite-Tarot. Der alte Mann mit dem weißen Bart sieht nicht auf, sein Licht zeigt ihm keinen Weg, den er gehen könnte oder wollte, es leuchtet nur für ihn und seine Betrachtungen. Und genau darum geht es hier – um das Innere. Der Eremit hat sich gewissermaßen "ausgeklinkt" aus dem Weltgeschehen, er sieht nach innen, um Antworten zu finden.
Wer nach dem "Warum" fragt, findet die meisten Antworten in sich selber, denn die eigene Seele macht sich zuweilen auf seltsame Art bemerkbar. So rät uns dieses Arkanum, einen Schritt zurückzutreten von der Betriebsamkeit des Alltags, von den Menschen die wir kennen, von den Problemen die uns umtreiben und uns nur auf uns selbst zu konzentrieren. Nicht in narzisstischer Weise, sondern als ruhige Betrachter.
Viele Menschen betäuben ihr Innerstes mit hektischer Betriebsamkeit, mit Dutzenden von Unternehmungen und mit ebenso vielen Menschen. Wer sich in diesem Karussell mitdreht, hört die Stimme der Seele nicht und übergeht die ur-eigensten Bedürfnisse. Aber gerade die unerfüllten oder auch nicht eingestandenen Wünsche treiben uns zu seltsamen Reaktionen, so wird zum Beispiel der Wunsch nach Ruhe mit Aktion beantwortet, aus der Angst heraus etwas zu versäumen.
Sich selber pflegen bedeutet hier nicht, sich in den teuersten Badezusätzen zu aalen oder sich ein Wellness-Wochenende der kostspieligeren Art zu gönnen – denn viele behandeln ihr Innerstes wie ein verwöhntes Kind. Sie schaffen Ersatz für Zuwendung und wundern sich, dass ihr Zufriedenheitspegel ständig sinkt. Aber das ersetzt nicht die Aufmerksamkeit, die dieser Teil von uns dringend braucht. Der Eremit fordert dringend auf, die Sicht nach innen zu lenken, um das sprichwörtliche "innere Licht" zu finden. Äußere Einflüsse können hilfreich sein, um uns in die Lage zur Meditation zu versetzen – aber die einzige Quelle der Kraft liegt in uns selbst.
Der Eremit steht auch für die Weisheit, die in der Abgeschiedenheit reift. Das bedeutet nun nicht, dass man sich irgendwo in der Wildnis eine Hütte bauen muss und sich von allem zurückziehen soll. Aber einen Fluchtpunkt, einen inneren Ort der Ruhe und der Kraft, sollte sich jeder schaffen. Manchmal brauchen die Dinge auch eine Zeit des Reifens – alles hat einen Zeitpunkt, der der richtige ist. Geduld und das Wissen um diese Dinge sind heute so wichtig wie noch nie. Ruhiges Abwarten ist einer der Ratschläge, die der Eremit geben kann.
Zeitweiliger Rückzug, um die Gegebenheiten intensiv zu prüfen, ist ein weiteres Thema. Wer mitten im Geschehen ist, sieht nicht unbedingt das Ganze – und gerade darauf kommt es an, auf das Erfassen des Ganzen. Wer sich nur mit den Teilaspekten eines Problems oder einer Aufgabe herumschlägt, wird auf der Strecke bleiben.
Jeder fragt sich irgendwann: "Wer bin ich, und was ist meine Aufgabe hier?" Diese Antworten findet man in sich selber, man muss nur den Weg zum Inneren finden.
Natürlich tritt auch der Einsiedler gegebenenfalls als Warner auf. Hier könnte er eine Situation anzeigen, die in eine Sackgasse geführt hat, weil ein Mensch nicht mehr in der Lage ist, den Blick nach außen zu richten – also sich in sich selber so verschlossen hat, dass er ein Gefangener ist. Interaktion mit anderen Menschen wird dann unmöglich, wenn die Flexibilität des Denkens, das "Hinein-versetzen", verloren geht. In diesem Falle lautet die Weisung des Eremiten: "Durchbreche deine Isolation, richte den Blick von dir weg, und sieh die Welt als deinen Lebensraum! Vielleicht kehrst du dich zu sehr von deinen Freunden, deiner Familie oder überhaupt von den Menschen ab – sieh zu, dass du nicht völlig vereinsamst, denn dann wäre wohl der Weg verfehlt!"
In der zeitweiligen Zurückgezogenheit liegen viele Chancen für das Selbst – Heilung, Kraftgewinn, Weisheit, neue Erkenntnisse und das Aktivieren von verborgenem Wissen. Aber es gibt eben auch Gefahren: ... den Zeitpunkt der Rückkehr verpassen, die Fähigkeit zur Toleranz verlieren, oder sich seinen Ängsten so sehr überlassen, dass sie übermächtig werden. Der Weise – und auch das ist der Eremit – wird das rechte Maß erkennen und großen Nutzen aus der Reise zu dem eigenen Ich ziehen.
So mancher begegnet sich dabei selbst auf überraschende und angenehme Weise. Es gibt viel zu entdecken, nehmen wir uns doch einfach die Zeit dafür.
* * * Tarot-Karte IX: Ende der Leseprobe aus "Tarot – Die Karte Neun: Der Eremit" (Tarot-Serie zu unserem Buch) * * *
Der Eremit – Lesen Sie mehr über die Karten des Rider-Waite-Tarot:
Hier als Buchausgabe erhältlich
Hier als E-Book (PDF-Format) erhältlich
© "Tarot – Die Karte Neun: Der Eremit": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), Eleonore Radtberger, 2010. Bildnachweis: Tarotkarten und Steine, CC0 (Public Domain Lizenz).
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