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Der dritte und letzte Band der Northumbria-Trilogie ist nun unter dem Titel "Der Gesang des Gauklers" erschienen. Der historische Roman von Autorin Birgit Constant spielt im Nordengland in der Zeit der normannischen Eroberung gegen Ende des XI. Jahrhundert. Wer sich zunächst über die ersten beiden Bände informieren möchte, liest unsere Buchvorstellung zu "Der Krieger des Königs" (Band I) oder auch unsere Rezension zu "Der zweite Sohn des Normannen" (Band II).
England im Jahre 1093: Der verwaiste Gaukler Lucan träumt von einem besseren Leben für sich und seine Stieffamilie. Ein geheimer Auftrag, bei dem er gegen Bezahlung eine junge Frau finden soll, scheint genau das zu sein, was er zur Erfüllung seines Wunsches braucht. Wie kann er auch ahnen, dass seine Reise quer durch Nordengland ihn viel mehr kosten wird als nur einige Wochen seines Lebens?
Wie auch die ersten Bände wurde der Mittelalterroman für junge Erwachsene "Der Gesang des Gauklers" via Books on Demand veröffentlicht. Das Taschenbuch umfasst exakt 550 Seiten und kam im Mai 2022 auf den Markt. Auch vom dritten Band wurde eine gebundene Ausgabe (466 Seiten) sowie ein E-Book herausgegeben.
Der Hofnarr Grimkel betrachtete Lucan nachdenklich. "Ihr seht nicht zufrieden aus. Über was grübelt Ihr?"
Lucan zuckte mit den Schultern. "Verschiedenes. Warum wollt Ihr das wissen?"
"Ich möchte Euch helfen."
"Ihr?"
"Vielleicht braucht Ihr keine Hilfe."
"Woher wisst Ihr, dass ich ein Pferd bekommen habe?"
Der Narr grinste breit, und erleichtert stellte Lucan fest, dass dessen Lächeln im Vergleich zum Zähnefletschen des furchterregenden Wikingers eher dem eines freundlichen Kindes ähnelte. "Es gibt auf dieser Burg noch andere Räume als den Hühnerstall."
Lucan seufzte.
Falls Robert de Monbrai jemals dieses Narren überdrüssig werden und ihn vom Hof jagen sollte, wird er problemlos als Spion und Kundschafter arbeiten können.
"Wisst Ihr auch, warum ich das Pferd bekommen habe?"
Das Grinsen in Grimkels Gesicht verbreiterte sich. Der Zwerg lachte kehlig wie ein Kind, das verzweifelt versucht, ernst zu bleiben, während man es kitzelt. "Viellaaaaicht."
Garulf knurrte, und Lucan verschränkte die Arme vor der Brust. "Für einen Narren wisst Ihr ziemlich gut über alles Bescheid, was am Hof vor sich geht."
Grimkel trat ein paar Schritte näher und blickte auf das grollende Hündchen hinunter, das sich erwartungsvoll hinsetzte und hochschaute.
Der Narr tätschelte Garulf den Kopf. "Das muss ich tun. Schließlich berate ich Sire Robert in allen wichtigen Fragen."
"Ihr?"
Der kleine Mann richtete sich auf. "Woher nehmt Ihr die Überheblichkeit, die Ihr mir gegenüber an den Tag legt, Lucan?"
"Ich ..."
"Ihr seid ein Jugleur, ein Spielmann, ein Gaukler, jemand, der die Leute unterhält, genau wie ich. Nur mit dem Unterschied, dass ich meine Dienste einzig und allein für einen Herrn ableiste. Ich bin nicht jedermanns Narr, so wie Ihr, nicht der Bittsteller, der auf den Märkten und Festen in den kleinen Ortschaften die gaffenden Bauern und Tagelöhner um Geld für seine Künste bittet. Nun sagt mir: Wer von uns steht in der gottgegebenen Ordnung höher? Ihr oder ich?"
"Das ist schwer zu beantworten. Ich –"
"Genau, Ihr seid es, der weiter unten auf der Leiter steht. Aber auch meine Geschicke können sich ändern, sollte Sire Robert meine Dienste eines Tages nicht mehr brauchen. Ich weiß, was ich kann und dass ich mich schon irgendwie durchschlagen werde, aber wenn mir jemand seine Hilfe anböte, würde ich nicht Nein sagen. Euch dagegen scheint es so gut zu gehen, dass Ihr keine Hilfe nötig habt."
Lucan schaute beschämt nach unten. Ausgerechnet von einem Hofnarren musste er sich sagen lassen, wie ungehörig er sich verhalten hatte!
Grimkel trat so nah, dass er unmittelbar vor Lucan stand, und schaute ihm verschwörerisch in die Augen.
"Ich weiß, was Ihr tun sollt", raunte er. "Ihr sollt eine Frau namens Isabel finden. Sie lebt in Wilburgfos, einem kleinen Ort östlich von Everwic. Es ist ein langer Weg bis dorthin, eine gute Woche, würde ich sagen. Wenn Ihr das Reiten nicht gewohnt seid, dann macht Euch auf einige schmerzhafte Tage gefasst!"
Wieder dieses Grinsen.
In Gedanken rieb sich Lucan schon jetzt den Hintern. Zur Not konnte er immer noch zu Fuß gehen und das Pferd an der Hand führen. Wenigstens würde er sein Gepäck nicht tragen müssen.
"Folgt mir!" Grimkel winkte Lucan hinter sich her. "Ich habe da ein paar Dinge, die Euch unterwegs nützlich sein könnten."
Gehorsam stapfte Lucan ihm nach, durch eine Tür, einen Gang entlang, eine Treppe hinauf, wieder einen Gang entlang, noch eine Treppe hinauf, bis sie an einer kleinen Kammer ankamen.
"Nur herein!", forderte der Zwerg ihn auf und trat in die Kammer ein.
In dem heillosen Durcheinander von Pergamentrollen, Papier, Büchern, Kostümen und verschiedensten Geräten, deren Zweck Lucan nur erahnen konnte, vermochte sich wohl nur jemand ungehindert zu bewegen, der so klein war wie Grimkel. Immerhin reichte der Platz für ein normal großes Bett, einen Schreibtisch und einen Schemel.
Der Narr öffnete die Truhe neben dem Bett und holte nacheinander eine Tunika, etwas, das aussah wie eine Decke, einen kleinen Wollbeutel und einen Dolch mit Futteral heraus.
"Vielleicht könnt Ihr dies hier gebrauchen, wenn Ihr in größere Orte gehen müsst, um Antworten auf Eure Fragen zu finden." Grimkel hob die Tunika, aus einfachem blauem Wollstoff gefertigt, und das gefaltete Kleidungsstück hoch, das sich beim Aufheben auseinanderfaltete und als Umhang entpuppte. "Nicht überall ist fahrendes Volk gern gesehen, und man ist schneller eines Diebstahls oder Verbrechens beschuldigt, als Ihr Bälle in die Luft werfen könnt."
Er legte die Kleidung auf dem Stuhl ab und hielt Lucan den Dolch hin. "Wisst Ihr, wie man damit umgeht?"
Lucan zuckte mit den Schultern. "Nicht anders als mit einem Messer, nehme ich an."
Grimkel verdrehte die Augen und seufzte. "Es wird schon gehen. Da, nehmt! Und jetzt seht hier!" Er griff nach dem Sack und öffnete ihn. "Mmm. Wie das duftet!"
Der Geruch von Geräuchertem stieg Lucan in die Nase. "Proviant? Für mich?"
Garulf lief hin und her und leckte sich die Lefzen.
Grimkel zog nacheinander eine Wurst, ein Stück Speck, einen Laib Brot, ein Stück Käse und eine Möhre heraus.
"Was soll ich mit einer Möhre?" Lucan betrachte das Gemüse mit krauser Nase.
Der Narr lächelte. "Ihr habt nicht nur Euren Hund, sondern auch ein Pferd zu versorgen. Ein paar Möhren für den Notfall können nicht schaden."
"An was Ihr alles denkt!" Lucan betrachtete staunend die Geschenke, die da vor ihm lagen. "Das ist wirklich alles für mich? Wo habt Ihr die Sachen her? Ihr werdet doch hoffentlich nicht in Schwierigkeiten kommen deswegen!"
Grimkel winkte ab. "Macht Euch keine Sorgen. Das Zeug braucht sowieso niemand hier. Euch dagegen wird es gute Dienste leisten."
"Das ist wirklich sehr großzügig von Euch, Grimkel. Ich weiß gar nicht, wie ich Euch danken soll."
"Darüber sprechen wir, wenn Ihr wohlbehalten zurückgekehrt seid. Jetzt nehmt die Sachen und bereitet Euch auf Eure Reise vor."
"Das werde ich Euch nie vergessen, Grimkel. Habt vielen Dank!"
Lucan packte sich Kleidung, Dolch und den Wollbeutel auf die Arme und ging damit zur Tür.
"Viel Glück, Lucan! Ihr werdet es brauchen." ...
© "Der geheime Auftrag des Gauklers Lucan": Der Autorin Birgit Constant danken wir herzlich für die Textauswahl aus "Der Gesang des Gauklers" und für die Abbildung des Buchcovers, 05/2022.
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