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Neulich traf ich Francesco, den ich aus meiner Studienzeit in Zürich kenne. Es war schon eine Weile her, dass wir uns gesehen hatten, also wollte ich wissen, wie es ihm geht. Ich erwartete vielleicht etwas wie: "Mir geht's gut!" oder "Ich habe viel zu tun." Stattdessen aber sagte er: "Ganz ganz schrecklich, liebe Izabel." (Read this in English)
Das ließ mich aufhorchen. "Was ist denn los?", fragte ich neugierig. "Ich habe pränatale Belastungsstörungen", antwortete er mit bedrückter Miene. Ich war erstaunt und mein erster Gedanke war, ob ich diesen Begriff schon einmal gehört hatte. Doch ich konnte mir nicht recht vorstellen, was er damit meinte. "Pränatal" bezieht sich ja auf die Zeit vor der Geburt, also dachte ich mir, das kann doch irgendwie nicht stimmen.
"Hast du da nicht etwas durcheinander gebracht?", fragte ich ihn vorsichtig, während sich meine Stirn in Falten legte. Er nickte und erklärte weiter: "Weißt du, die Weltlage zurzeit macht mir so zu schaffen. Der Klimawandel, die Kriege, die ganze Ungewissheit. Das alles fühlt sich an, als würden wir schon in der Endzeit leben."
Ich schaute ihn an und versuchte, seine Gedanken nachzuvollziehen. "Und was hat das mit pränatalen Belastungsstörungen zu tun?", hakte ich nach.
"Das ist der Punkt", sagte er. "Diese ständige Angst vor der Zukunft. Es geht nicht nur um mich. Man sagt, dass Kinder, die noch im Mutterleib sind, auch viel von den Emotionen und dem Stress der Mutter mitbekommen. Wenn Mütter unter extremem Stress leiden, kann sich das negativ auf die Entwicklung des Kindes auswirken." In diesem Moment wurde mir klar, dass Francesco seine Aussage im übertragenen Sinne meinte. Er fühlte sich als Teil dieser belasteten Generation, die mit der Unsicherheit der Welt konfrontiert ist.
"Du fühlst dich also wie ein Kind, das in dieser angespannten Welt aufwächst?", fragte ich, um sicherzugehen, dass ich ihn richtig verstanden hatte. Er nickte. "Ja, genau. Es ist, als würde ich die Last der Welt in mir tragen, als wäre ich verantwortlich für das, was hier passiert. Das macht mir große Sorgen."
Francesco sprach weiter über seine Gefühle, die er als "posttraumatische Endzeitphase" bezeichnete. "Es ist, als hätte ich all die schrecklichen Nachrichten schon einmal gehört, auch wenn ich sie nicht direkt erlebt habe. Die Erzählungen meiner Eltern über den Zweiten Weltkrieg, die Angst und Verzweiflung, die sie durchlebten, kommen mir wieder in den Sinn. Auch die aktuellen Nachrichten lösen in mir ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit aus."
Ich erkannte, dass Francesco diese Begriffe als Metaphern für sein inneres Erleben verwendete. "Posttraumatisch" bezieht sich oft auf die psychischen Folgen traumatischer Erfahrungen. In seinem Fall bedeutete es, dass die globalen Probleme wie Krieg, Armut und Klimakrise in ihm ein schweres Gefühl hinterlassen, als ob diese "Weltuntergangsstimmung" bereits emotionalen Schaden angerichtet hätte.
"Was denkst du, können wir tun, um diese Themen mehr ins Gespräch zu bringen?", fragte ich. Francesco überlegte kurz und antwortete: "Der erste Schritt ist, darüber zu reden. Viele um mich herum fühlen ähnlich, aber niemand spricht wirklich darüber. Wir müssen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass wir nicht allein sind."
Er schlug vor, ein Treffen mit Freunden zu organisieren, um offen über unsere Ängste zu sprechen, oder sich in einer Gruppe zu engagieren, die sich für positive Veränderungen einsetzt. "Das hilft, das Gefühl der Ohnmacht abzubauen", fügte er hinzu.
Als wir uns verabschiedeten, ging ich nachdenklich nach Hause. Ich verstand nun, was Francesco meinte. Die Begriffe "pränatale Belastungsstörung" und "posttraumatische Endzeitphase" waren ungewöhnlich, aber sie enthielten eine wichtige Erkenntnis: In diesen unsicheren Zeiten ist es wichtiger denn je, miteinander zu reden und sich gegenseitig zu unterstützen.
© "Pränatale Ängste: Generationen im Schatten der Krise. Starke Metaphern: 'pränatale Belastungsstörungen' & 'posttraumatische Endzeitphase'". Ein Dialog zwischen Izabel Comati und Francesco R., 12/2024. Bildnachweis: Trauriger einsamer Mann, CC0 (Public Domain Lizenz).
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