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Haben Sie die Textauswahl aus dem I. Buch verpasst? Lesen Sie zuvor hier "Das Ungetüm aus den dunklen Tiefen"!
Rejv von Lowen und seine Kompanie sehen sich einer Übermacht von feindlichen Soldaten gegenüber. Doch der Hauptmann findet einen Weg, die vernichtenden Waffen des Reformatoriums für sich selbst zu nutzen. In der Akademie von Uthathwen treibt eine unheimliche Macht ihr Unwesen. Was geht vor, ganz oben im Turm des Mentalogenführers Kelvin Kavarasi? Unverhofft erhält Taimen einen Brief von einer Person, die ihm sehr nahe steht.
Der zweite Retromorphia-Fantasy-Doppelband (drittes und viertes Buch) ist als E-Book und als Taschenbuch erhältlich (229 Seiten, ISBN 978-1795478656). Die nachfolgende Textauswahl aus "Retromorphia – Pforte zur gläsernen Nacht: 3 – Inkubation / Konduktor und 4 – Die Lehre vom Krieg" präsentiert euch der Autor Claus M. Schwarz.
Wären sie nicht unter den Augengläsern, Mützen und Schals versteckt gewesen, hätten die Gesichter aller Beteiligter belegt, wie kräftezehrend die Reise war. Die neun Phantome redeten während der Fahrt nur wenig, bei den Rast- und Ruhezeiten indes wurde versucht, etwas Schlaf abzubekommen. Angesichts der anstrengenden und überlebenswichtigen Nachtwache, die in drei Dreierschichten abgehalten wurde ("ein wahrer Crestone wäre auf die Knie gefallen", meinte Osman mit seinem typischen Sarkasmus, sich an Pater Zisensius wendend), konnten nur wenige ihren Geist für eine Weile von der gefahrvollen Umgebung lösen.
Bestienangriffe in der Nacht (Hyänen, Cangropen, Dornwarane), zwei Angriffe von Banditen tagsüber, bei denen Osman und einer der Uthathwener Kämpen leicht und ein anderer schwer verletzt wurden, verlangten der Gruppe viel ab. Und trotzdem war es ein "hervorragender Schnitt", wie Rios von Freyl bemerkte: "Kein Todesopfer, keine Havarie, keine Krankheiten bisher."
Das Schlimmste, da waren sich fast alle einig, war der fahle Himmel, der schon seit vielen Tagen aufs Gemüt schlug und auch über der Oase kein anderes Gesicht zeigte. Es war der Nachmittag des 16. Crestos und alle waren froh, endlich wieder Menschen um sich zu haben und das Gefühl von Sicherheit.
Wie nicht anders erwartet, tummelten sich hier Abenteurer, Händler und allerlei zwielichtige Gestalten. Jeder auf der Suche nach seinem ganz persönlichen Glück. Propan war eine Siedlung an der großen Straße, etwa fünfhundert Katavore südlich von Uthathwen mit sechshundert Einwohnern und noch einmal halb so vielen Durchreisenden.
Alles wirkte sehr aufgeräumt und zivilisiert, aber für einen ausgebrannten Reisenden wäre nach etlichen Tagen Ödnis auch eine überschwemmte Latrine zivilisiert gewesen.
Ein großer doppelter Zaun aus Holz und Draht, zwischen dem ein etwa zehn Metavore breiter Todesstreifen mit spitzen Stangen und Bärenfallen verlief, schützte die Siedlung vor Gefahren von außen.
Propans auffälligstes Merkmal aber waren natürliche Steinsäulen im Mittelpunkt der Oase, von denen Taimen die höchsten auf vierzig Metavore schätzte. Schon in der Ferne waren sie zu sehen gewesen, hatten dort jedoch wie eine in die Landschaft eingebettete Felsformation gewirkt. Nun waren auf der skurrilen Ansammlung von Sandsteinfelsen, die durch Hängebrücken miteinander verbunden waren, seltsame Stangen, Gitter, Gestelle und sogar eine kleine Hütte zu sehen. Der Zugang erfolgte über eine schmale, gewundene (und nicht sehr stabil aussehende) Treppe aus Holz- und Metallgestängen.
In geschützten Koppeln nahe des Zauns grasten Wisents. Die großen Felltiere waren das Kapital vieler Grenzländer. In Propan und westlich davon gab es vereinzelt Grasland. Dort war es hartnäckigen Bauern gelungen, die Ödnis zu kultivieren. Hier ästen die Tiere Kraut vom Boden. Ähnlich wie von den Garibos, deren Lebensraum hauptsächlich im Gargos-Hochland lag, wurde von Wisents alles verwertet: Fleisch, Fell, Knochen, Innereien.
Bestientöter hielten sich in und um die Siedlung auf, so genannte Kammerjäger fürs Grobe, die gegen Bezahlung Nutzland von wilden Tieren und Banditen säuberten. Muskulöse Männer und Frauen in nietenbeschlagenen Lederrüstungen, ausgestattet mit schweren Waffen wie Äxten, Hämmern und anderen monströsen Hiebwaffen.
"Wir müssen auf der Hut sein", sagte Kelvin. "Hier könnten wir auf reformatorische Flugeinheiten treffen. Jetzt, da sie uns durch das Buch aufspüren können, werden sie ihre Präsenz drastisch verstärken. Wir sollten nie zu lange an ein und demselben Ort bleiben."
Kelvins Vorahnung bestätigte sich, waren doch tatsächlich reformatorische Soldaten in Propan. Doch nicht nur sie waren dort. Eine Spezialeinheit der Weilichter Inquisition lagerte Zelt an Zelt mit dem Feind aus dem Osten inmitten des Handelspostens.
"Ich weiß nicht, wann und ich weiß nicht, wie", bemerkte Osman, "aber das bedeutet Krieg."
"Ganz ruhig", sagte Kelvin. "Schauen wir, dass wir rasch unsere Besorgungen gemacht bekommen. Gut möglich, dass wir es uns nicht erlauben können, hier zu bleiben bis Kunde von Daphne eintrifft."
Laut Rios' Angaben war Herve, der Wirt der Trinkhalle eine vertrauenswürdige Person. Bei ihm würde Daphne eine Nachricht für die anderen hinterlassen oder entgegennehmen, wenn sie später in Propan eintreffen würde, was sehr wahrscheinlich war.
Während Hernan, Lecta und die Uthathwener sich um die Vorräte und Besorgungen kümmerten, kehrten Taimen, Zisensius, Kelvin und Osman in Herves Trinkhalle ein. Der freundliche, spitzbärtige Hüne mit den dicken Augenbrauen hatte aber keinerlei Lebenszeichen von Daphne erhalten.
"Geduld", sagte Kelvin. "Wir haben sie trotz ihres zeitlichen Vorsprungs sicherlich mit dem Mobil überholt. Garantiert kommt sie bald hier an. Sie ist wildniserprobt und von zäher Natur." ...
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© "Auf der Hut vor Flugeinheiten und dem Bestientöter". Herzlichen Dank an Claus M. Schwarz für die Textauswahl aus "Retromorphia, Band II" und die Abbildung des Buchcovers, 03/2020.
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