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Wenn es sich um die Wünsche der Kinder handelt, stehen Puppen an alleroberster Stelle, zumindest was die Mädchen betrifft. Puppen sind die Spitzenreiter in Sachen Spielzeug, und das seit Menschengedenken.
Man nimmt an, dass in der Frühzeit die kleinen Nachbildungen von Menschen eher kultischen Zwecken dienten, als Idol oder auch Fetisch. Das Abbild eines Menschen war wohl grundsätzlich magisch belegt und mit einigen Tabus behaftet. Wann genau die ersten zu Spielzwecken hergestellten Figuren aufkamen, ist nicht genau bekannt. Doch antike Funde belegen, dass überall auf der Welt und bei allen Völkern Puppen bekannt waren.
Aus Holz, Ton oder Leder, ob bei den Inuit oder den Römern – kleine Mädchen schleppten ihre Puppen mit sich herum. Jungen werden wohl mit ähnlichen Figuren gespielt haben, wenngleich es sich da eher um Soldaten gehandelt hat. Die Spielzeuge waren recht einfach gestaltet, Drechselarbeiten aus Holz, die bemalt waren, und keine Glieder aufwiesen. Ein gutes Beispiel ist die russische Matrjoschka, die aus ineinanderpassenden bemalten und hohlen Figuren besteht. Diese Art hat eine sehr lange Tradition.
Mit der Zeit wurden die Figuren aufwendiger, sie erhielten Glieder, die man bewegen konnte, und sie sahen Menschen immer ähnlicher. Im Mittelalter war das "Dockenmachen" ein oft ausgeübter Beruf und bezeichnete das Herstellen von Spielzeugen. Docken war ein Sammelbegriff für Kinderspielzeug, bezeichnete aber später speziell die Puppen. Das Wort ist in mancher Mundart heute noch gebräuchlich.
Interessanterweise handelte es sich bei den ersten bekannten Puppen keineswegs um Babys, sondern durchweg um Figuren, die Erwachsene darstellten. Oft hatten diese eine besondere Funktion und waren nicht durchweg als Spielzeug gedacht. So sind Modepuppen keineswegs eine Erfindung der Neuzeit, es gab Damen "en miniature", die von Schneidern und Putzmachern mitgeführt wurden und nach der neuesten Mode gekleidet waren, um den Damen auf Burgen und Schlössern den neuesten Stil vorzuführen. Diese Vorläufer der Schaufensterpuppen wurden Mannequin (Männchen) genannt. Der Name und der Zweck haben sich bis heute gehalten.
Marionetten, also Gelenkpuppen, die an Fäden geführt werden, oder Stabpuppen, wurden seit der Antike für das Schauspiel benutzt. Die Vorführungen dienten oft kultischen Zwecken und waren streng ritualisiert. Daraus entwickelte sich das rein zur Unterhaltung aufgeführte Puppenspiel.
In China waren Arztpuppen gebräuchlich, Darstellungen von Frauen, an denen die Patientin dem Arzt zeigen konnte, wo ihre Beschwerden lagen, denn eine Frau durfte ihren Körper keinem Mann zeigen, auch nicht wenn es sich um eine ärztliche Untersuchung handelte. Die Ägypter gaben ihren Toten kleine Ton- oder Holzpüppchen mit ins Grab, um den Verstorbenen im Jenseits mit der notwendigen Dienerschaft zu versehen. Puppen, die stellvertretend einen bestimmten Menschen darstellen, kennt man unter anderem als Voodoo-Puppen.
Exemplare zum Spielen, die eher wie ein Kind aussahen, tauchen auf mittelalterlichen Darstellungen auf und zeigen, dass es schon einiges an Zubehör gab. Der Kopf war oft aus Holz geschnitzt oder aus Ton, der Körper zuweilen aus Leder und weich gestopft. Vollständige Holzpuppen mit Gelenken waren ebenfalls eine Variante. Mit der Erfindung des Porzellans gab es ein neues Material, das sich zur Herstellung verwenden ließ.
Wer kennt nicht die Bilder wunderschöner Puppen mit Glasaugen und Echthaarperücken, die schön gekleidet in den Kinderzimmern der wohlhabenden Leute residierten und aussahen, als seien sie viel zu schade zum Spielen. Diese Kunstwerke sind beliebte Sammlerobjekte, die zu sehr hohen Preisen zu haben sind. Die ärmeren Leute behalfen sich nach wie vor mit den Modellen aus einfacheren Materialien.
Mit der Erfindung der Kunststoffe wurde die Herstellung revolutioniert, man konnte aus Gummi oder Celluloid ganze Puppen fertigen. Diese waren längst nicht so empfindlich wie die noblen Porzellanspielzeuge und konnten außerdem in wirklichen Massen hergestellt werden. Von winzigen Babys bis Puppen, die tatsächliche Größe von Kleinkindern erreichten, war alles machbar geworden. Schlafaugen und Mamastimme gehörten praktisch zur Grundausstattung.
Kunststoff stellte mittlerweile auch die Haarpracht, ob blond oder schwarz, braun oder kupferfarben – alles war möglich, und das zu erschwinglichen Preisen. Dann fingen sie an zu sprechen. Wo vorher nichts weiter als ein jammernder Laut zu hören war, wenn man die Puppe auf den Rücken legte, konnte das Puppenkind nun ganze Lieder singen oder Sätze sprechen. Es gab da mehrere Variationen. Winzige Schallplatten, die man austauschen konnte und die im Bauch der Puppe abgespielt wurden, oder der berühmte Zug mit Ring, der dafür sorgte, dass immer die gleichen Sätze zu hören waren.
Laufen lernten sie auch. Es gab Modelle, die Schritte machten, wenn die Kinder sie an die Hand nahmen und mit sich führten. Tanzende Puppen, oder solche, die ihr Fläschchen tranken und danach Pipi machten, die Technik machte alles möglich, sogar echte Tränchen kullerten die Kunststoffbäckchen hinunter. Neben den Hightech-Puppen hatten die so genannten Lumpenpuppen, die Ragdolls, nie ihren Status als Knuddelobjekt verloren. Die weichen und keinesfalls übelnehmerischen bunten und wollhaarigen Schmuselieblinge werden mit Sicherheit ebenso heiß und innig geliebt wie die "lebensechten" Varianten. Vielleicht sogar mehr, denn eine Ragdoll hält einiges aus, ist der ideale Tröster und herrlich weich.
Eine weitere Variante sind die Künstlerpuppen in limitierter Herstellung oder sogar Einzelstücke, die absolut lebensecht und sehr individuell aussehen. Diese Art ist weniger zum Spielen als zum Sammeln für Erwachsene gedacht. Als Kunstobjekt dekorieren sie die Wohnung und sind absolut unwiderstehlich. Mit ihnen schließt sich der Kreis, denn sie sind eigentlich auch Kultobjekte, so wie ihre vorgeschichtlichen Schwestern.
Puppen haben nach wie vor eine geradezu magische Anziehungskraft, für Kinder und auch für Erwachsene. Irgendwie sind die kleinen Abbilder von Menschen mit einem eigenen Zauber belegt, der nie verfliegt. Und das nicht nur zu Weihnachten.
© "Puppen – Ein geschichtlicher Streifzug": Text und Abbildung Winfried Brumma (Pressenet), 2010.
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