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Acht der Kelche
Stille Wasser sind tief – man weiß nicht, was sich unter der Oberfläche verbirgt. Eine scheinbar düstere Szenerie ist auf der Karte des Rider-Waite-Tarot zu sehen, denn der Himmel ist dunkelblau – nur der helle Vollmond steht einsam am Himmel.
Man sieht Felsen und sehr viel Wasser. Im Vordergrund befinden sich acht Kelche, von denen drei auf den anderen fünf Gefäßen aufgebaut sind. Ein Bild der Fülle und Ruhe, alles scheint in allerbester Ordnung. Aber von den Kelchen strebt eine Gestalt geradezu auffällig weg ... ein Mann in rotem Reisegewand und roten Stiefeln, der mit einem Wanderstab ausgerüstet ist. Hier geht jemand freiwillig und ohne Not auf Reisen, weg von Sicherheit und Fülle.
Die Farbe Rot weist natürlich auf Tatendrang und Kraft hin, auf bewusstes Handeln. Der Mann weiß, dass mehr möglich ist, als das, was präsent ist – und er geht, um etwas zu vollbringen. So könnte das Bild interpretiert werden. Vielleicht weiß er aber auch, dass dieser ganze Überfluss ihm nichts mehr geben kann – oder vielmehr: Nicht geben kann, was er wirklich braucht. Obgleich mehr zu haben wäre – schließlich ist die obere Reihe der Kelche noch nicht vollständig – verzichtet hier jemand auf weiteres. Vor allem aber zieht sich jemand zurück, verlässt gewissermaßen die Bühne.
Der Mond steht für das Unbewusste, für das Verborgene – das Gesicht der Scheibe verrät nicht das Geringste. Was immer für Strömungen hier ihre Kräfte entfalten, sie sind stark genug, um die Dinge zu verändern. Ob nun der Mann weiß, warum er seinen einsamen Weg fortsetzt oder ob er ein Getriebener ist ... aufzuhalten ist er nicht. Er MUSS gehen und etwas anderes erfahren, sich auf eine Suche begeben oder irgendwo einen Neubeginn wagen.
Eine weitere Möglichkeit der Deutung bezieht sich auf einen "geordneten Rückzug". Es wird freiwillig etwas aufgegeben, bevor die Zeit es zum Zwang werden lässt und man keine andere Wahl mehr hat. Hier bleiben und weiterbauen – oder fortgehen und anderswo etwas erreichen – das sind hier die Optionen. Dazwischen geht nichts. Nähme man an, jemand frage, ob seine Beziehung halten wird, käme als Antwort folgendes infrage: Entweder bleibst du und arbeitest daran, das ist durchaus möglich – oder du suchst deine Erfüllung anderswo. Aber entscheiden musst du dich. Bleibst du allerdings, dann konzentriere dich ganz auf das, was du hier erreichen kannst. Es ist noch längst nicht alles ausgeschöpft. Aber bedenke, dass du dich vielleicht immer fragen wirst, was dir noch begegnet wäre, hättest du dich auf den Weg gemacht – dieser ewige Zweifel tut mit Sicherheit auch nicht gut.
Wie immer man sich entscheiden mag – man sollte auf jeden Fall die Intuition bzw. die Stimme der Seele zu Rate ziehen. Entweder macht man sich vor, dass man bleiben möchte, obwohl der Ruf zur Reise immer stärker wird – oder man würde im Gegenteil lieber bleiben und glaubt einfach, dass man etwas versäumt, wenn man es tut. Das ist natürlich auch auf andere Dinge anwendbar, wie zum Beispiel den Beruf oder sonstige Lebenssituationen.
Es gibt viele Legesysteme, die für Entscheidungen sehr gut geeignet sind und eine sehr genaue Analyse der Situation zulassen. Aber immer geht es hier um eine Entscheidung, und auch um eine gewisse Art der zeitlich begrenzten Klausur. Es tut manchmal gut, sich vom Überfluss abzuwenden, um den Blick wieder für die wirklich wichtigen Dinge zu schärfen.
Auch das kann ein Thema dieser Karte sein ... mit der Familie einmal wirklich weg von den elektronischen Animateuren oder dem fließenden heißen Wasser – und mit einer Zeltausrüstung ab ins Blaue. Sich ausklinken aus dem Zyklus der Wochenendpartys und dafür eine Museumstour machen ... einfach mal weg und etwas anderes tun. Etwas, das man unbedingt tun wollte, aber längst vergessen hatte. Es könnte sich lohnen ...
Acht der Münzen
Ein wirklich schönes Bild präsentiert sich mit diesem Arkanum: Ein Handwerker in Arbeitskleidung sitzt auf einer Bank vor einem Baum, er graviert sorgfältig und konzentriert eine Münze. Es ist die Letzte, denn sieben Stück sind schon fertig – bald also wird der Mann seine Arbeit abgeschlossen haben. Er wird dann seine Werkzeuge beiseitelegen, die Schürze ausziehen und zurück in die Stadt gehen, die im Hintergrund zu sehen ist. Er wird das wohl mit einem sehr guten Gefühl tun, denn er hat etwas zustande gebracht.
Es wird ihm beim nächsten Auftrag ebenso gehen, er tut alles ruhig und freudig. Er mag seine Arbeit und findet Befriedigung darin. Beneidenswert, nicht? Die meisten Menschen lieben ihren Job durchaus nicht, sie machen ihn, weil sie ihn machen müssen. Viele gehen jeden Tag zu irgendeiner ungeliebten Arbeit, die ihnen in keiner Weise entspricht und die ihnen – außer dem Geld, das sie dafür bekommen – absolut nichts gibt. Die Arbeit tun zu können, die man liebt und die man auf jeden Fall gewählt hätte, ist leider die Ausnahme.
Am Band zu stehen, die monotone Abwicklung an einer Supermarktkasse oder der tägliche Kampf einer Hausfrau oder des Hausmannes sind nicht gerade die Erfüllung. Aber sogar hier kann man ein wenig ändern, wenn man seinen Fokus neu einstellt. Jeder von uns kennt das ... man ist immer froh, wenn man an die Kasse mit der netten Kassiererin kommt. Dort ist meist stressfreie Zone, ganz egal, wie voll der Wagen ist und die Kinder vielleicht quengeln – die Frau gerät nicht aus der Ruhe. Sie ist nie zu angespannt, um nicht das eine oder andere freundliche Wort für uns zu haben. Wahrscheinlich mag sie ihre Arbeit oder sie versteht es einfach, das Beste daraus zu machen. Das macht es weniger schwer und verkürzt die Zeit.
Der Fließbandarbeiter kann für einen Ausgleich sorgen, wenn auch in seiner Freizeit – es gibt viele Hobbys, bei denen man sich so richtig einbringen kann. Soziale Arbeit ist auch keine schlechte Idee, wenn man etwas Sinnvolles tun möchte. Jeder von uns braucht das Gefühl, etwas geleistet zu haben, das wirklichen Wert hat.
Wer einen Haushalt mit mehreren Mitgliedern managt, bewältigt mit Sicherheit harte Arbeit. Aber die sich immer wiederholenden öden Verrichtungen lassen natürlich kein Hochgefühl aufkommen – es sei denn, man weiß, warum man es tut und schätzt es auch. Es gibt viele Möglichkeiten, die Routine zu unterbrechen, gerade im häuslichen Bereich und der Kindererziehung. Es ist nicht unmöglich, etwas mit Freude zu tun oder zumindest mit Gelassenheit.
Jeder kennt auch diesen Effekt: Ein langer Arbeitstag wird noch länger und fast unerträglich, wenn es nicht viel zu tun gibt. Ist man aber gefordert, fliegt die Zeit nur so dahin. Man geht tatsächlich "darin auf". Es ist wie eine Art der Meditation – man ist völlig dabei.
Die augenfällige Zufriedenheit des Mannes auf der Karte zeigt den Weg – es geht nicht um große Taten und Erfolge, sondern darum, dass man das, was man tut, so gut wie möglich tut, die Notwendigkeit annimmt, und vor allem Freude an kleinen Dingen und an der Einfachheit zu haben.
So sagt die Karte: "Erfülle deine Aufgabe, so gut du kannst, auch wenn du andere Pläne im Kopf hast. Wenn du erledigt hast, was du tun musst, wirst du weitersehen, aber im Hier und Jetzt musst du deine Aufgabe erfüllen." Das bedeutet natürlich auch, dass etwas Begonnenes auch fertig gemacht werden muss. Zeitgenossen, die tausend Dinge anfangen und dann halbfertig belassen, gibt es viele, und die meisten von uns tun es manchmal.
Ein halbfertiger Pullover verschwindet für Monate oder auch für immer in irgendeinem Winkel, ein wichtiges Gespräch wird nicht fortgesetzt oder die Wandfarbe steht noch versiegelt in der Garage, obwohl man doch schon lange renovieren wollte. Das sind Kleinigkeiten, aber es gibt größere und sicher dringlichere Aufgaben. Jedes Vorhaben, jede Arbeit ist eine Herausforderung, die gemeistert werden will. Und Unvollendetes tut keinem gut. Das gilt für alle Bereiche des Lebens.
* * * Tarot-Karte VIII Kelche und Münzen: Ende der Leseprobe aus unserem Buch * * *
Acht der Münzen – Lesen Sie unsere Publikation zu den 78 Tarot-Karten:
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© "Die Karte Acht: Kelche und Münzen": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), Eleonore Radtberger, 2010.
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