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Honigbiene. Foto: Lothar Seifert
"Die tun doch nichts, werdet doch nicht gleich hysterisch." Sie sagte es in ruhigem Tonfall, um nicht noch mehr unnötige Hektik aufkommen zu lassen. Natürlich war das nur bedingt eine Tatsache, denn es war sogar schon zu Todesfällen gekommen.
Es war ein wunderschöner Sommertag, und die meisten Lebewesen hielten sich wohl draußen auf. Das Gesumme um die Rosen war richtig laut heute, und auf den Bänken im Park gab es fast keinen freien Platz mehr. "Die tun doch was", entrüstete sich eine Halbwüchsige. "Mir rücken die ganz schön auf die Pelle."
Mit immer noch ruhiger Stimme entgegnete die Ältere: "Die haben doch vor dir mehr Angst als du vor ihnen, du darfst nur keine allzu schnellen Bewegungen machen. Wenn sie sich nicht bedroht fühlen, tun sie dir nichts. Und jetzt mach ein wenig schneller! Der Tag ist noch lang und wir haben noch eine Menge Arbeit."
Dann beschwerte sich wieder jemand über die bedrohlichen Geräusche, die von den "Dingern" kamen, und andere wurden ziemlich ärgerlich, weil sie gerade hier arbeiten mussten, wo es so viel von ihnen gab. "Kann man denn nicht mal in Ruhe arbeiten", murrte wieder jemand aus der Kolonne. "Ich bin allergisch gegen die, ehrlich. Und in meiner Verwandtschaft hat es schon Tote gegeben."
Die Vorarbeiterin brummelte ärgerlich vor sich hin. Aber dann antwortete sie leichthin: "Das ist aber nun wirklich meist zu vermeiden. Wenn man in ihrer Nähe arbeiten muss, dann kommt es einfach darauf an, ruhig zu bleiben. Meist passiert gar nichts. Sie sind nicht so schnell, wisst ihr – und außerdem verfolgen sie einen nicht lange. Wer sich nicht auffällig verhält, hat nichts zu befürchten. Und was dieses Gebrummsel angeht, so verständigen sie sich nun einmal."
"Verständigen?" Eine der eifrig Beschäftigten sah auf und kicherte. "Du glaubst wirklich, dass sie miteinander sprechen können, so wie wir? Nun hör aber auf!" Die meisten aus der Gruppe kicherten jetzt auch, aber die Älteste fuhr sich kurz über das Gesicht und sagte dann: "Alle Lebewesen verständigen sich miteinander, das solltet ihr nun wirklich wissen. Vielleicht die Wenigsten auf dem gleichen hoch entwickelten Niveau wie wir, aber sie tun es. Nur weil wir manche Lebewesen nicht verstehen, heißt das nicht, dass sie nicht auf ihre Weise sprechen können." Das klang ein wenig müde, denn die Sonne hatte schon an Kraft verloren und der Tag war lang gewesen.
"Na gut", sagte da eine aus der Kolonne, "viele Geschöpfe können es, das sehe ich ein. Aber die da? Das kann ich mir nun wirklich nicht vorstellen. Ich meine, sie sind doch eine ziemlich primitive Art, oder?" Da konnte die Ältere nicht mehr anders, sie setzte zu einem regelrechten Vortrag an. Sie erzählte von der besonderen Art der Verständigung dieser bestimmten Spezies, über die sich die Wissenschaftler lange den Kopf zerbrochen hatten, bis sie herausfanden, dass weniger die Körpersprache oder die Tänze als vielmehr die Laute das Wichtige waren.
"Was? Dieses Gebrummsel und Gequietsche soll ihre Sprache sein?" Alle zeigten Belustigung, aber die Vortragende ließ sich durch die Zwischenbemerkung nicht stören. "Letztendlich", so sagte sie in bestimmtem Ton, "haben wir es mit einer recht intelligenten Spezies zu tun. Auch wenn das nicht unbedingt so ersichtlich ist – man kann eine konstruktive Denkweise an ihren Stöcken erkennen, in denen sie leben. Sie haben das Prinzip der Produktion erkannt, wenn auch ihre soziale Struktur uns immer noch ziemlich unverständlich geblieben ist."
Damit war die Rede abgeschlossen, denn die Sonne sank nun recht schnell und es war wirklich Zeit, um mit der Arbeit aufzuhören. Nun verließen alle nacheinander die Weide, um in Formation die Heimkehr anzutreten. Eine oder zwei der Jüngeren trödelten ein wenig, aber sie kamen dann doch schnell nach. Die Ältere dachte mit ein wenig Wehmut an ihre Jugend, als es ein Hauptvergnügen war, mit einigen gewagten Flugmanövern die schwerfälligen Menschen ein wenig zu necken. Bienen haben eben Sinn für Humor.
© "Bienen haben Sinn für Humor": Kurzgeschichte von Winfried Brumma (Pressenet), 2011. Foto der Honigbiene: Lothar Seifert.
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