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Endlich ist die Sonne aufgegangen. Groß, ja riesig steht sie am Himmel und bescheint ein goldenes Kind. Die kleine Gestalt erscheint blondgelockt und in unschuldiger Nacktheit, die von der Sonne gewärmt wird.
Das Kind trägt einen Blumenkranz mit einer roten Feder und lächelt – es sieht unwiderstehlich fröhlich und glücklich aus. Das Sonnenkind hält ein großes rotes Banner in der Hand, während es auf einem geduldigen und ruhigen Pferd sitzt, das weder Zügel noch Sattel oder Zaum trägt. Umgeben ist das Bild von Sonnenblumen in einem Garten, der von einer Mauer umgrenzt ist.
Das Bild auf der Karte stellt eine Idylle dar, ein behütetes und beschütztes Glück im eigenen Bereich. Wahrhaftig ein Platz an der Sonne, wie man ihn sich vorstellt. Freude, Glück, Vertrauen ... diese Worte fallen einem zu dieser Karte ein. Blauer Himmel, der von einer gütig blickenden Sonne mit mächtigen Strahlen völlig ausgefüllt wird, die ein lächelndes Kind und Blumen bescheint.
Ein Garten, ein Refugium der Seele – und vor allem ein warmes und sicheres Zuhause. Hier kann nichts geschehen, hier gibt es keine Gefahren. Keine Tiefen müssen ausgelotet werden, kein unsicherer Pfad muss beschritten werden – es ist alles, wie es sein soll. Hier in diesem Garten lebt das innere Kind glücklich und zufrieden, es erfährt nichts Schlechtes und Beängstigendes. Hier kann sich alles entfalten unter den Strahlen der Sonne. Hier kann man Vertrauen haben, hier ist man sicher.
In bestimmtem Sinne verkörpert die Karte XIX des Rider-Waite-Tarot das Urvertrauen in die Schöpfung, das positive Denken an sich und die reine Kraft der Kreativität. Das Kind auf dem Bild hat nichts Böses erfahren, es befindet sich im Zustand der Unschuld, die durch die vorangegangenen Stationen nicht vermindert wurde. Etwas Unzerstörbares ist am Glauben an das Gute und das Positive, ein Teil davon überlebt die schlimmsten Erfahrungen.
Das innere Kind kann eine große Macht entfalten, es ist der Hüter all der Dinge, die nicht verlorengehen dürfen, so wie die reine Freude an Dingen, die gut für uns und andere sind. Spiele, Farben, Musik, Blumen, Freunde ... alles, was uns die Welt an Schönem und Interessantem bietet. Nun ist die Realität nicht besonders oft ein solcher Sonnengarten, aber das bedeutet nicht, dass man ihn nicht haben kann.
Im leider oft problembeladenen Alltag und der Hetze, zu der uns das Leben zwingt, ist ein innerer Ort der Kraft lebensnotwendig. Ein Platz, an dem sich das Kind in uns wohlfühlen kann und sich in Sicherheit fühlt, ein Rückzugsort, an dem wir Kraft tanken können, das ist ein Thema der Karte, unser eigentliches Zuhause. "Besinne dich auf das Gute und Schöne", sagt das Arkanum.
Die Sonne bezieht sich auch auf das reale Daheim, auf die Familie und auf die Kinder – sie deutet immer auf den ureigensten Bereich hin. "Besinne dich auf das, was du hast, genieße das Zusammensein mit deiner Familie, vielleicht schätzt du es nicht hoch genug. Setze auf Freundlichkeit und die Freude am Zusammensein, erzwinge nichts und genieße es."
Viele Menschen haben vergessen, wie man sich ganz einfach an der Gesellschaft von geliebten Menschen erfreut. Anstatt morgens um die Kinder am Frühstückstisch herumzuwuseln und zur Eile anzutreiben, während man schon mit den Gedanken bei der Arbeit oder bei einem Termin ist, sollte man sich vielleicht dazusetzen und das Gefühl von Zusammengehörigkeit vermitteln. Wenn die Tassen noch auf dem Tisch stehen, wenn alle die Wohnung verlassen ... was liegt daran? Der Tag ist schöner, wenn man mit den Menschen, die zu einem gehören, nette Worte gewechselt hat.
Da aber alles mehr als eine Seite hat, kann die Sonne auch vor dem zu langen Verharren warnen. Die Idylle ist wunderschön – aber vielleicht wäre es an der Zeit, die Nase ein wenig über die Gartenmauer zu strecken? Wer wirklich will, kann sehen, dass die Sonne nicht nur diesen Fleck bescheint, sondern die ganze Welt. In einem solchen Fall fordert die Karte dazu auf, der Realität hinter den Mauern mehr Beachtung zu schenken. Mauern können schützen, aber auch einsperren. Wer die Außenwelt zu sehr fürchtet, will und kann sie mit der Zeit nicht mehr sehen, er verliert jeden Bezug dazu.
Das Arkanum könnte auch fragen: "Machst du dir vielleicht etwas vor? Besteht die Harmonie vielleicht nicht nur in der Phantasie? Wovor verschließt du die Augen? Was läuft falsch in deinem direkten Umfeld und wieso verdrängst du das?" Positives Denken funktioniert nur, wenn man die "Schatten" integriert und alles zu einem Ganzen fügt, das so, wie es ist, zur Schöpfung gehört.
Wer unangenehme Wahrheiten zugunsten eines Phantasiegebildes verdrängt, tut niemandem etwas Gutes – am wenigsten sich selber. Er überwindet das Negative dann nämlich nicht, sondern lässt es unkontrolliert wachsen und gedeihen.
Die Bilder der Arkanen sprechen zu uns – dieses hier lässt bei längerer Betrachtung einfach Freude aufkommen, die wir zulassen sollten.
* * * Tarotkarte XIX: Ende der Leseprobe aus "Tarotkarte Neunzehn: Die Sonne" (Tarot-Serie zu unserem Buch) * * *
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© "Tarot – Tarotkarte Neunzehn: Die Sonne": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), Eleonore Radtberger, 2010. Bildnachweis: Spielkarte Junge, CC0 (Public Domain Lizenz).
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